Merkel vor dem EU-Gipfel Ambitionierte Politik sieht anders aus

Merkels Zukunftsplan für Europa ist von allem ein bisschen: Eine Prise Wettbewerbsfähigkeit, ein Schuss Solidarität, dazu mehr Geld, vermischt mit ein paar zarten roten Linien aus Berlin und garniert mit guten Worten. Quelle: AP

Wie die Kanzlerin die EU reformieren will? Merkels Zukunftsplan für Europa enthält ein bisschen von allem.

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Eigentlich ist alles wie immer. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble kündigt eine Regierungserklärung der „Bundeskanzlerin“ an. Die Bundeskanzlerin spricht dann rund 20 Minuten, erwähnt einmal den Bundesaußenminister und richtet den Blick fast schon beiläufig auf die Europawahlen im Frühsommer 2019. Politisches business as usual, bis Angela Merkel einen Satz wiederholt, den sie ganz ähnlich bereits an anderer Stelle formuliert hat: „Die Welt wartet nicht auf uns.“

Stimmt ja, eigentlich ist gar nichts wie immer. Eine neue große Koalition lässt auf sich warten. Die Bundeskanzlerin ist nur geschäftsführend im Amt. Sigmar Gabriel auch und noch dazu in wenigen Tagen vielleicht schon nicht mehr Chefdiplomat. Und Merkel, die ihre Regierungserklärung zum informellen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Freitag abgibt, reist zwar mit Absichten, aber ohne Prokura nach Brüssel - als Regierungschefin in spe. Wen interessiert 2019, wenn womöglich das deutsche Frühjahr 2018 noch große Überraschungen parat hält?

Ihre Rede ist dann auch im Grunde nichts anderes als ein vertonter schwarz-roter Koalitionsvertrag. Nie zuvor habe Europa dort einen so prominenten Platz gehabt, sagt Merkel. Wohl wahr, nur dass dies einem Mann zu verdanken ist, der mit der Umsetzung von Schrift in Wirklichkeit nichts mehr zu tun haben wird: Martin Schulz. Das aber verschweigt sie.

Merkels Zukunftsplan für Europa ist von allem ein bisschen: Eine Prise Wettbewerbsfähigkeit, ein Schuss Solidarität, dazu mehr Geld, vermischt mit ein paar zarten roten Linien aus Berlin und garniert mit guten Worten. Kurz gesagt: Eigenlob, Zuckerbrot und Peitsche. Die Europäische Union, fordert die Kanzlerin, brauche einen digitalen Binnenmarkt und Anreize für Strukturreformen. Der Stabilitätspakt müsse „Kompass unseres Handelns“ bleiben, Haftung und Kontrolle in Sachen Staatsverschuldung gehörten zusammen. So weit, so richtig.

Doch was die Wähler darüber hinaus unter einem „modernen Haushalt“ der EU zu verstehen hätten, was genau mit dem europäischen „Mehrwert“ gemeint ist – Merkel bleibt Details schuldig. Gut, das Ausschütten von Strukturfonds will die Bundesregierung offenbar an die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen binden – ein klarer konfrontativer Fingerzeig nach Osteuropa. Und ja, der Grenzschutz Frontex soll besser ausgestattet werden. Doch ansonsten? Meist beredtes Schweigen.

Dort, wo sie konkret wird, verheißt es eher Probleme. Dass Merkel betont, die Brüsseler Fördertöpfe sollten weiterhin „allen“ Regionen zugutekommen, bedeutet im Klartext, dass Ostdeutschland auch künftig Mittel aus Brüssel abbekommen soll. Eine altbekannte deutsche Position, die aber daran zweifeln lässt, wie modern ein künftiger EU-Haushalt werden kann. Denn wer nicht an den großen Ausgabeblöcken für Landwirtschaft und Regionalförderung rüttelt, der zementiert den Status quo. Merkels Regierungserklärung war deshalb vor allem eines – hübsch klingende Blockade.

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