Merkel, zum 4. Noch eben schnell die Welt retten

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In Deutschland ist Merkel bestenfalls eine Mittelmacht

Auch die gemeinsame Erklärung, die Obama und Merkel in der WirtschaftsWoche diese Woche abgeben, wirkte wie ein (Abschieds)-Ritterschlag für Merkel in ihrem anstehenden Ringen mit und womöglich gegen Trump.

Wie sollte sich die Kanzlerin da verweigern? Merkel hat stets durchblicken lassen, über den Zeitpunkt ihres politischen Abganges genau nachzudenken. Jetzt wäre nicht der richtige Zeitpunkt gewesen.

Zugleich, das weiß Merkel natürlich, wird dieses Weitermachen nicht vergnügungssteuerpflichtig sein. Man muss nur auf die Zusammensetzung der Mächtigen-Runde (neben Trump) schauen. Bald könnte der Italiener Matteo Renzi nach einem Verfassungsreferendum gehen müssen, dann könnte eine Art italienischer Trump ihm nachfolgen. Die Britin Theresa May ist mit den Brexit-Nachwirren befasst. In Frankreich droht Marine Le Pen, Ungarns Victor Orban und Russlands Wladimir Putin bleiben Merkel erhalten.

Problematisch ist natürlich auch die drohende Verklärung von Merkels künftiger Rolle. Sie ist auf der internationalen Bühne ein Superstar, aber Deutschland weiterhin bestenfalls eine Mittelmacht. Merkel aufzubürden, nun plötzlich die Rolle der USA, der „unersetzlichen Nation“ (Madeleine Albright) zu übernehmen, heißt, ihre Rolle zu überhöhen. Das weiß die nüchterne Analystin Merkel.

Zugleich weiß sie, dass sie in ihrer Partei vor allem deshalb alternativlos ist, weil sie die Suche nach personellen Alternativen nicht zugelassen hat. In puncto Nachwuchsförderung hat die Parteichefin versagt. Das Schicksal teilt sie übrigens mit ihrem Abschiedsgast Obama, der seine eigene Partei ebenfalls in desolatem Zustand hinterlässt.

Aber wichtiger noch: Es ist völlig unklar, ob Merkels außenpolitischer Glanz (und ihre neue weiter gewachsene Verantwortung) sich auch in innenpolitische Begeisterung überträgt – nötig im Kampf gegen eine populistischen Mächte, die auch bei uns um sich greifen könnten.

Also kann Merkel durchaus versuchen, ersatzweise in der großen Welt Obamas Nachfolge antreten – aber sie tritt vor ein deutsches Wahlvolk. Das ist für die Physikerin Merkel ihre bislang heikelste politische Versuchsanordnung.

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