Merkels letzte Sommer-Pressekonferenz Ich bin dann mal da

Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Bundespressekonferenz in Berlin. Quelle: imago images

Angela Merkel absolviert ihren wohl letzten Auftritt vor der Bundespressekonferenz. Bilanz ziehen? Wehmütig werden? Nicht mit der Kanzlerin. Nur ein bisschen wirtschaftspolitisches Eigenlob, das darf es dann doch sein. Ein Kommentar.

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Schon dieser Anfang: typisch Angela Merkel. Die Kanzlerin sitzt auf dem Podium der Bundespressekonferenz, hinter sich das satte Blau der Wand, und spricht ein paar einleitende Worte. Natürlich beginnt sie mit der Flut, wie sollte es anders sein, sie erwähnt die „schrecklichen Verwüstungen“, den immensen Schaden, sie verspricht Geld und Hilfe, um dann festzuhalten, dass das Land einen „langen Atem brauchen“ werde.

Merkel sagt nichts Neues, nichts Bedeutendes oder Überraschendes. Sie sagt, was gesagt werden muss und von ihr erwartet wird. Überraschend ist, wie schnell sie sich ihrem zweiten Thema zuwendet: Corona. Sie hat sich erkennbar vorgenommen, das Thema Impfen in den Vordergrund zu rücken, trotz der Unwetterkatastrophe und all dem Leid der vergangenen Tage. Die Kanzlerin hält also ein ziemlich ausführliches Plädoyer fürs Impfen. „Wir wollen“, sagt sie, „alle unsere Normalität zurück.“



Ihre Betonung an diesem Tag gilt nicht dem Naheliegenden, nicht dem Kurzfristigen. Merkel entzieht sich gewissermaßen dem drängenden politischen Moment. Nicht beeindrucken lassen, einfach immer weitermachen, die Probleme zerlegen, Schritt für Schritt für Schritt. Typisch eben.

Wehmut? Schmerz? Nicht mit ihr.

Dabei wäre heute so ein Tag des Abschieds gewesen, der Auftakt für die Schlusstournee einer Ära. Es war Merkels 29. und wohl letzter Auftritt vor der Hauptstadtpresse; sicher jedenfalls ihre letzte Sommer-Pressekonferenz, mit der sie sich sonst traditionell in die Ferien verabschiedete. Aber Schlussstriche und große Worte, Pathos und polierte Zeugnisse – das ist einfach nicht ihr Ding. Mindestens mal ist sie unangefochtene Meisterin, sich die Sehnsucht danach nicht anmerken zu lassen. Fast jedenfalls.

„Die Bilanzen sollen andere machen“, wird an diesem Donnerstag eine ihrer Antworten lauten. „Was man vermisst, merkt man erst dann, wenn man es nicht mehr hat“, eine andere. Und: „Ich werde dann schon mit der Zeit was anfangen können.“ Jedes Stöckchen, das die Fragenden ihr hinhalten – Merkel kickt es mit der Fußspitze einfach kurz neben sich. Und wenn ihr das Spaß bringt, wovon auszugehen ist, lässt sie sich auch das mit keiner Regung anmerken.

Die Kanzlerin pariert jede Frage mit der gewohnten Detailkenntnis (Afghanistan, Nord Stream 2, Inzidenzwerte), streut hier und da ein bisschen Selbstkritik ein (Klimaschutz, Frauenförderung), lässt ansonsten jeden der (eher harmlosen) Anwürfe an sich abprallen. Wehmut? Schmerz? Die große Selbstdarstellung? Nicht mit ihr.

Ich bin dann mal da.

Wobei, ein klein bisschen Material zur gefälligen Positionierung in den Geschichtsbüchern hat sie dann doch dabei. Merkel referiert sehr genau (und gleich zweimal), wie viel mehr Ökostromproduktion in den 16 Jahren ihrer Amtszeit aufgebaut wurde, damit es nicht so wirkt, als habe ausgerechnet sie nichts fürs Klima hinbekommen.

Sie erinnert an den immensen Aufwuchs der staatlichen Förderung von Forschung und Entwicklung und sie ist sich auch überhaupt nicht zu schade, an fünf Millionen Arbeitslose zu ihrem Amtsantritt zu erinnern – und dass es heute kaum mehr drei Millionen seien, trotz all der Krisen. Ach übrigens, die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa habe man ja auch.

Der Rest ist Merkel, wie man sie kennt. Sogar die ungelenke Komik ist dabei, als sie kurz von der CDU als der Partei spricht, der sie nahe stünde. Es passiert ihr, als sie gefragt wird, wo sie am Wahlabend sein wird. Jüngst hatte sie bereits einmal an anderer Stelle den nahenden Moment beschrieben, an dem sie morgens mit der Erkenntnis aufstehen werde, dass nun andere die Entscheidungen treffen müssten. Und dass das dann auch gut so sei.

Vielleicht also gelingt Angela Merkel am Ende tatsächlich ein Angela-Merkel-Abgang.

Mehr zum Thema: Nach 16 Jahren hinterlässt Angela Merkel eine verunsicherte und erschütterte Union. CDU und CSU merken nun, dass sie ihren wirtschaftspolitischen Führungsanspruch neu begründen müssen. Aber wie? Die neue Generation hat Vorschläge.

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