Merz wird CDU-Chef Friedrich Merz, eine Art Evergreen aus der guten alten Zeit der Union

Friedrich Merz hat es im dritten Anlauf zum CDU-Vorsitzenden geschafft. Quelle: imago images

Friedrich Merz gewinnt die Wahl zum neuen CDU-Vorsitzenden gleich im ersten Anlauf. Seine angestammte Rolle als reiner Wirtschaftspolitiker wird er nicht mehr spielen, sondern die „soziale Frage neu stellen und beantworten“. Ein Kommentar.

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Nun hat er es also doch noch geschafft. Im dritten Versuch kann Friedrich Merz sein politisches Comeback endlich mit dem Vorsitz der CDU krönen. Zweimal hat das von ihm so verachtete „Establishment“, also die Delegierten auf den Parteitagen, mehrheitlich für andere Bewerber gestimmt: erst für Annegret Kramp-Karrenbauer und schließlich für Armin Laschet. Weil keiner der beiden überzeugen konnte, mussten der Bundesvorstand und die mittlere Funktionärsbasis der CDU schließlich den 400.000 Mitgliedern die Entscheidung überlassen.

Die haben sich nun gleich im ersten Wahlgang für Merz als eine Art Evergreen aus der guten alten Zeit der Union entschieden. Mitbewerber Helge Braun als letzter Vertreter der Merkel-Ära war von Anfang an chancenlos und auch Norbert Röttgen muss jetzt nach seiner zweiten Niederlage einsehen, dass die CDU in den kommenden Jahren einen andren Typus als Vorsitzenden an die Spitze stellen will als ihn. Offenbar traut man dem intellektuellen Außenpolitiker, der jahrelang den spöttischen Ehrentitel „Muttis Klügster“ trug, als Angreifer und Oppositionsführer weniger zu als Friedrich Merz. Mit dem Wirtschaftsanwalt verbinden die überdurchschnittlich älteren und mehrheitlich männlichen CDU-Mitglieder das bürgerliche Gegenbild zur Ampelkoalition.

Merz wird wegen seiner 66 Lebensjahre oft vorgehalten, als eine Art Überbleibsel aus der Kohl-Ära der falsche Mann für die Moderne zu sein – nach dem Motto: zu alt, zu weiß und (natürlich) zu männlich für die Zukunft. Nun ist Olaf Scholz auch ein weißer Mann und nur drei Jahre jünger als Merz, aber mit ihm wird offenbar der Aufbruch verbunden. Es kann also bei dieser Wahl nicht auf Lebensalter oder Geschlecht ankommen, sondern entscheidend sind die Inhalte, die Merz als Vorsitzender der Oppositionspartei CDU in die politische Diskussion einbringt. Dass er nicht gewillt ist, ausschließlich die Gassenhauer der neoliberalen Vergangenheit zu spielen, zeigt schon Merz' Team aus Sozialpolitikern sowie seine gezielt ausgesprochene Ankündigung, die Union müsse die „soziale Frage neu stellen und beantworten“.

Dahinter mag die Erkenntnis stecken, dass der Verlust von 1,5 Millionen Wählern an die SPD und knapp eine Million an die Grünen andere Antworten verlangt als eine schematische Kurskorrektur nach rechts. Merz weiß genau, dass ausschließlich liberale Ordnungs- und Wirtschaftspolitik seine Partei nicht zurück an die Macht bringen wird. Die Union kommt nicht an der Erkenntnis vorbei, dass die Spaltung der Gesellschaft voranschreitet, die Digitalisierung neben Gewinnern auch eine Menge Verlierer produziert und dass die Alterssicherung der arbeitenden Mitte in Deutschland eine nach wie vor ungelöste und immer drängendere Frage ist. Will die Union Volkspartei bleiben und auch die kommenden vier Landtagswahlen im nächsten Jahr gewinnen, muss sie nach differenzierten Antworten suchen. Dass Merz beispielsweise die Renten langfristig mit einem Kapitalstock sichern will, unterscheidet ihn von Kanzler Olaf Scholz, der das Problem entweder bestreitet oder mit immer größeren Summen aus dem Steueraufkommen lösen will.

Die Kombination von Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Merz künftig vorschwebt, wird manche seiner Hard-Core-Fans verstören, eröffnet der Union aber die Chance, auf dem schmalen Grad zwischen konstruktiver und destruktiver Oppositionspolitik einen eigenständigen Weg zu finden. Die Neuaufstellung der Partei, die abgeschliffen und verbraucht nach 16 Kanzlerinnenjahren unter Angela Merkel ein neues Profil sucht, wird Zeit brauchen. Schon deshalb ist Merz kein Mann des Übergangs, denn für Orientierung braucht es einen festen Punkt an der Spitze.

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Auf jeden Fall hat Merz gezeigt, dass er ein Kämpferherz besitzt und sich von Niederlagen nicht abschrecken lässt. Auch das werden die CDU-Mitglieder bei ihrer Wahl belohnt haben.

Mehr zum Thema: Friedrich Merz versucht gerade zu beweisen, wie ein Comeback in der Politik auch nach mehrfachem Scheitern gelingen kann. Solche Beharrlichkeit ist auch in der Wirtschaft eine Eigenschaft, die Erfolg verspricht. Doch das Stehaufmännchen entpuppt sich für manche als fatales Vorbild.

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