
Es wurde eine lange Nacht, doch am Ende gab es den erhofften Durchbruch. Nach einem über 14-stündigen Verhandlungsmarathon haben sich IG Metall und Metallarbeitgeber heute morgen in Köln auf einen Pilotabschluss für die rund 3,8 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie, der wichtigsten deutschen Branche, geeinigt.
Ab Juli gibt es 2,8 Prozent mehr Geld. Ab April 2017 kommen nochmal 2,0 Prozent oben drauf. Für so genannte „Nullmonate“ (April bis Juni) nach Auslaufen des alten Tarifvertrags erhalten alle Arbeitnehmer zudem eine Einmalzahlung von 150 Euro.
Keine Frage: Billig ist dieser Abschluss nicht für die Wirtschaft. Aber seine Konstruktion versetzt beide Tarifparteien in die Lage, das Ergebnis den eigenen Leuten als Erfolg zu verkaufen. Die Gewerkschaft kann angesichts der niedrigen Inflationsrate auf spürbar steigende Reallöhne verweisen – in der Vergangenheit wurden stolze Lohnzuwächse bisweilen von hohen Teuerungsraten neutralisiert. Auch wurde die Schmach vermieden, niedriger als der öffentliche Dienst abzuschließen, der jüngst (bei längerer Laufzeit) knapp unter 4,8 Prozent blieb.
Die Arbeitgeber wiederum bekommen durch die lange Laufzeit von 21 Monaten - die IG Metall hatte ursprünglich nur zwölf Monate zugestehen wollen mehr Planungssicherheit in konjunkturell unsicheren Zeiten. Und was noch wichtiger ist: Es gibt eine Öffnungsklausel für schlecht laufende Betriebe.
Diese können die Lohnerhöhung bis zu drei Monate nach hinten schieben und die Einmalzahlung streichen. Ähnliche Flexi-Regeln hatten die Tarifparteien zwischen 2006 und 2010 regelmäßig vereinbart, in den vergangen drei Tarifrunden dann aber nicht mehr. Die nun getroffene Vereinbarung sei ein „Türöffner für einen Wiedereinstieg in die innovative Tarifpolitik“, freut sich Arndt Kirchhoff, Verhandlungsführer der Arbeitgeber in NRW.





Die Arbeitgeberverbände hatten intern stark unter Druck gestanden. Vom vergangenen Abschluss, der Lohnsteigerungen um 3,4 Prozent für zwölf Monate vorsah, fühlten sich viele Mitgliedsunternehmen überfordert. Es hagelte Proteste, viele Betriebe drohten gar mit ihrem Austritt aus dem Arbeitgeberverband. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Betriebe diesmal einen starren Tarifvertrag ohne jede Flexibilisierung akzeptieren“, hatte Kirchhoff im April der WirtschaftsWoche mit Blick auf die heterogene Ertragslage der Branche gesagt.
Nun ist die Flexibilisierung vereinbart - allerdings hat die Sache einen Haken. Über Ausnahmeregelungen für Problembetriebe dürfen nicht - was Sinn machen würde – jeweils die Geschäftsleitung und der Betriebsrat verhandeln. Dieses Recht wollen sich Gewerkschaft und Arbeitgeberverband vorbehalten. Die betroffenen Firmen müssen sich mithin in die Mühlen der Verbände begeben, wenn sie die Flexi-Klausel nutzen wollen.
Der Pilotabschluss in Nordrhein-Westfalen, den die anderen Bezirke nun unverändert übernehmen dürften, hat auch eine personelle Bedeutung. Bezirksleiter Knut Giesler, 52, empfiehlt sich damit für höhere Weihen in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale.
2019 wird dort voraussichtlich die Stelle des stellvertretenden Vorsitzenden frei – und das ist traditionell das Sprungbrett, um bei der größten deutschen Gewerkschaft ganz obenan die Spitze zu rücken. Giesler, gebürtiger Wuppertaler und gelernter Energieanlagenelektroniker, steht seit Oktober 2012 an der Spitze des mitgliederstärksten IG-Metall-Bezirks.