Metalltarifrunde „Warnstreiks sind trotz Lockdown möglich“

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„Wir bereiten uns auf alle Szenarien vor“

Könnte es auch diesmal wieder 24-Stunden-Streiks geben, die ohne Urabstimmung möglich sind?
Das will ich nicht ausschließen. Wir bereiten uns auf alle Szenarien vor.

Glauben Sie wirklich, dass sich um ihren Job bangende Arbeitnehmer für einen Arbeitskampf mobilisieren lassen?
Ja. An unserer Basis gibt es auch Stimmen, die sagen, dass die Forderung von vier Prozent eher zu niedrig ausgefallen ist. Die letzte prozentuale Entgelterhöhung gab es 2018. Das merken auch bei niedriger Inflationsrate die Kolleginnen und Kollegen im Portemonnaie.

Können Sie abschätzen, wie stark die Mitgliederzahlen und Einnahmen der IG Metall wegen Rezession und Corona 2020 gesunken sind?
Die Zahlen für die gesamte IG Metall werden am 28. Januar bekanntgegeben. Nur so viel: Wir in NRW hatten 2020 mit Schlimmerem gerechnet. Was Mitgliederzahlen und Einnahmen angeht, sind wir bisher mit einem blauen Auge davongekommen. Zudem ist es uns im vergangenen Jahr gelungen, bei einer Reihe von Betrieben eine Tarifbindung durchzusetzen, etwa bei Hydro Präzisionsrohre und Huf.

Klimawandel, Demografie und Coronakrise: Deutschland steht vor gigantischen Herausforderungen. Die Forderung einer Vier-Tage-Woche wirkt in diesen Zeiten unangemessen.
von Andreas Freytag

Was unternehmen Sie denn aktuell, um Mitglieder zu halten beziehungsweise neue Mitglieder zu akquirieren?
Bei der IG Metall in NRW sind knapp 30 Leute allein mit der „Erschließungsarbeit“ befasst. Deren Arbeit ist in Coronazeiten natürlich schwieriger geworden, man kann ja nicht mehr in die Kneipe einladen, um sich vorzustellen oder über eine Betriebsratsgründung zu sprechen. Das bedeutet mehr Aufwand, mehr Termine mit einzelnen Leuten. Wir haben unser früher etwas brach liegendes Social-Media-Angebot deutlich ausgebaut und modernisiert.

Reicht das? Die Wirtschaft steckt in einer grundlegenden Transformation – wie steht es um die Transformation der IG Metall?
Wir sind auf gutem Wege, auch wenn mir das Veränderungstempo der IG Metall bisweilen noch zu langsam ist. Die Digitalisierung birgt für die Gewerkschaften Risiken, die wir ernst nehmen müssen. Sie schafft einen neuen Typus des Arbeitnehmers – und erfordert damit in Zukunft zwangsläufig ergänzend einen neuen Typus des Gewerkschaftsfunktionärs. Wir müssen als Arbeitnehmervertreter neue Qualifikationen erwerben und die Gewerkschaftsarbeit neu definieren. So reicht es schon lange nicht, immer „Nein“ zu sagen, wir müssen Alternativen aufzeigen. Das tun wir. Mit Verweigerung gewinnt man keine neuen Mitglieder. Man braucht Ideen und Lösungen. Da haben wir in den vergangenen Jahren viel dazugelernt.

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Der Trend zum Homeoffice dürfte auch nach Corona anhalten. Macht das die Arbeit für die IG Metall nicht schwieriger - weil die direkte persönliche Ansprache im Betrieb wegfällt?
Ja. Der Trend zum Homeoffice ist vorhanden, ist richtig und unumkehrbar, aber kann für Gewerkschaften ein organisationspolitisches Problem sein. Der Arbeitnehmer von morgen ist nicht mehr unbedingt per se der Gemeinschaftsmensch, der die Solidarität im Blut hat. Die historisch gewachsenen kollektiven Arbeitszusammenhänge lösen sich teilweise auf. Aber auch hier können wir gegensteuern. Ich habe 2009 meinen ersten Arbeitskampf mit einer Belegschaft organisiert, die zu über 50 Prozent im Homoffice arbeitete. Es gibt um die Herstellung der Tarifbindung in einem Wuppertaler Betrieb mit 150 Mitarbeitern. Wir haben die Leute zu einer Rheinschifffahrt eingeladen, das Boot zum Streiklokal erklärt, einen Beamer aufgestellt und erklärt, was wir vorhaben. Wir hatten in dem Betrieb anfangs nur ein einziges Mitglied. Am Ende waren es über 100.

Mehr zum Thema: Vier-Tage-Woche: Würde die deutsche Wirtschaft das verkraften?

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