Miete oder Lizenzgebühr Streit um skurrile Sonderfälle bei Gewerbesteuer

Wirtschaft und Finanzverwaltung streiten heftig über Grenzfälle bei der Gewerbesteuer. Was als Miete oder Lizenzgebühr zählt, müssen nun Bund und Länder klären.

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Entwicklung der Gewerbesteuer

Vorsicht Falle, Buchhalter! Verbuchen Betriebe die Ladenrenovierung in einer Einkaufsstraße unter der Position „Instandhaltung“, kann das teuer werden. Denn dann schlagen die Kommunen zu, bewerten die Kosten als „Extra-Miete“ und kassieren dafür Gewerbesteuer. Besser wäre es, der Buchhalter wählt die Position „Herstellung eines einheitlichen Marktauftritts“, sagt Steuerexperte Tino Boller von der Prüfungsgesellschaft Ernst & Young. Dann sei hinreichend klar, dass es sich nicht um eine Aufwertung der Immobilie zum Nutzen des Vermieters handle und die Umbaukosten folglich auch keine „verdeckte Miete“ seien.

Verstanden? Falls nicht, hier ein kleiner Trost: Experten geht es ähnlich. Zwischen Unternehmen und Finanzbehörden eskaliert derzeit ein Streit, worauf der Fiskus eigentlich Gewerbesteuer erheben darf – und worauf nicht. Ursache dafür ist die Reform der Abgabe im Zuge der Unternehmenssteuerreform 2008. Damals beschloss die große Koalition, die Berechnungsgrundlage um Mieten, Pachten, Leasing- und Lizenzgebühren zu erweitern. Inzwischen prüft der Fiskus die ersten Abschlussrechnungen der Unternehmen für die Jahre 2008 und 2009 – und sorgt wieder für Unruhe im Unternehmenslager.

Zu den steuerlichen Streitobjekten zählen riesige Werbeplakate, die vorübergehend an einem Baustellengerüst hängen, aber auch Franchisegebühren, die etwa bei McDonald’s oder Burger King fünf Prozent vom Nettoumsatz betragen. Die Überlassung von Software, für die ein Unternehmen Gebühren zahlt, ist ebenfalls in den Fokus des Fiskus gerückt. Für viele Finanzämter handelt es sich hierbei um gewerbesteuerpflichtige Mieten und Lizenzgebühren.

Steuerberater wie Boller sehen das im Interesse ihrer Mandanten naturgemäß anders. Bei den Riesenplakaten spielt laut Boller die Zeit eine wichtige Rolle; bei einer Nutzungsdauer von wenigen Wochen könne nicht von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die Rede sein, argumentiert der Ernst&Young-Experte, so- dass die Plakatgebühr auch nicht wie eine Miete zu bewerten sei.

Bei den Finanzbehörden der Länder häufen sich derweil die strittigen Fälle. Um zu einer einheitlichen Rechtsauslegung zu kommen, baten mehrere Landesministerien schon Ende 2009 beim Bund um eine Klärung. Aber das federführende Bundesfinanzministerium (BMF) sei bisher „nicht zu Potte gekommen“, klagt ein Landesfinanzbeamter. Das BMF will nun jedoch bei der nächsten Bund-Länder-Sitzung im September die strittigen Fragen erörtern. Dazu zählt auch die Lkw-Maut, die das Finanzamt Reutlingen ernsthaft als „Miete von Autobahn“ betrachtete und dafür Gewerbesteuer kassieren wollte. Immerhin wies der baden-württembergische Finanzminister Willi Stächele seine Finanzbehörden an, bis zur endgültigen Klärung die Spediteure diesbezüglich in Ruhe zu lassen.

Die Länder stecken allerdings in der Zwickmühle. Zum einen verstehen sie den Zorn im Unternehmerlager. Andererseits wollen sie es sich nicht mit ihren finanziell gebeutelten Gemeinden verscherzen. Für diese ist die Gewerbesteuer extrem wichtig; das Aufkommen stieg von 1995 bis 2008 um 90 Prozent, während die allgemeinen Steuereinnahmen nur um 35 Prozent wuchsen. Deshalb wollen die Städte an der Gewerbesteuer festhalten, auch wenn die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise zuletzt für einen Einbruch sorgte (siehe Grafik).

Die Dynamik der Gewerbesteuer erklärt sich nicht zuletzt dadurch, dass die Politik ständig an den Stellschrauben dreht: Allein 2010 erhöhten die größeren Kommunen des Landes den durchschnittlichen Hebesatz von 432 auf 435 Prozent, ermittelte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

Damit hebeln die Kommunen auch das einstige Versprechen der großen Koalition aus, die gesamtsteuerliche Belastung für Unternehmen auf knapp 30 Prozent zu drücken. Gerade Einzelhändler, deren Mieten der Fiskus seither wie Gewinne behandelt, haben laut Boller nun Steuerlasten von teilweise 40 Prozent.

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