Mietendeckel „Der Bund ist bisher sehr zurückhaltend“

Ende Februar ist in Berlin der Mietendeckel in Kraft getreten. Quelle: imago images

Die Frau hinter Berlins Mietendeckel ist Bausenatorin Katrin Lompscher. Sie wünscht sich, Immobilieneigentümer stärker zu verpflichten – und erwartet Nachahmer, sollte die Maßnahme rechtlich bestätigt werden.

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Es ist ein Experiment – und seit der Wiedervereinigung der wohl größte Eingriff in den deutschen Immobilienmarkt: Ende Februar ist in Berlin der Mietendeckel in Kraft getreten. Damit will die Landesregierung aus SPD, Linken und Grünen die starke Erhöhung der Mietpreise in der Hauptstadt in den vergangenen zehn Jahren stoppen.

Konkret sieht das Gesetz vor, die Mieten auf dem Niveau vom 18. Juni 2019 einzufrieren. Außerdem setzt es Obergrenzen fest, die Vermieter – je nach Jahr der Fertigstellung und Ausstattung – nicht überschreiten dürfen und zunächst bei Neuvermietungen anwenden müssen. Voraussichtlich von November 2020 an sollen Vermieter dann auch Mieten in laufenden Verträgen senken können, wenn sie 20 Prozent und mehr über der Obergrenze liegen. Ausgenommen von alldem sind Neubauten.

Ausgearbeitet haben das Gesetz Behördenmitarbeiter von Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen. Viele halten Lompscher für die Schuldige für den Eingriff: Die Linken-Politikerin stammt aus Ostberlin, wuchs in der DDR auf, war SED-Mitglied – daher sehen viele in ihr eine Politikerin, vor der sich Vermieter fürchten müssen.

Aber wird der Mietendeckel erreichen, wofür die rot-rot-grüne Landesregierung ihn ersonnen hat? Kritiker sagen: Eher nicht. Ein Vorwurf lautet: Der Mietendeckel steuere fehl, Menschen mit gutem Einkommen, die nicht unbedingt Entlastung bräuchten, profitierten deutlich mehr als diejenigen, die ohnehin schon in günstigen Wohnungen leben, weil sie sich keine teureren leisten können. „Wenn Wohnungen, die neu angemietet werden, günstiger werden, ist das für alle Wohnungssuchenden von Vorteil“, hält Lompscher dagegen, das sei gut für einen Großteil der Berliner. Mehr als 80 Prozent der Berliner Haushalte wohnen zur Miete.

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Und wer sich mehr leisten könne, ziehe vielleicht in Eigentum, ergänzt die Senatorin. „Natürlich sind Einschätzungen, der Mietendeckel nütze auch Einkommensstarken, richtig“, gibt sie zu. Wenn allerdings diejenigen, die sich ihre Miete ohnehin problemlos leisten könnten, eventuelle Mitnahmeeffekte in den Berliner Wirtschaftskreislauf stecken, „dann haben alle etwas davon“.

Viele Immobilieninvestoren hoffen derzeit noch, dass der Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht gekippt wird. Denn es gibt ein Gutachten des ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier, das zu dem Ergebnis kommt, dass der Mietendeckel gegen das Grundgesetz verstößt. Die Gründe: Er verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz, greife unverhältnismäßig in Eigentumsrechte ein.

Auch das Bundesinnenministerium hält die Maßnahme für verfassungswidrig. Da der Bund die Mietpreisbegrenzung bereits umfassend und abschließend geregelt habe, sei das Land Berlin kompetenzrechtlich gehindert, hieß es im November, die Gesetzgebungskompetenz der Länder sei gesperrt, denn Entscheidungen des zuständigen Bundesgesetzgebers dürften nicht durch Einzelentscheidungen eines Landes verfälscht werden.

„Wir wissen, dass wir juristisches Neuland betreten haben“, sagt auch Bausenatorin Lompscher. Man könne nichts anderes tun, als auf die verfassungsrechtliche Expertise von Fachleuten zu bauen. Denn auch die Befürworter haben Gutachter auf ihrer Seite: Die Juristen Franz Mayer und Markus Artz von der Universität Bielefeld etwa halten den Eingriff für zulässig. Ihre Begründung: Die Berliner Verfassung räume, anders als in anderen Bundesländern, ein Recht auf Wohnen ein.

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Lompscher hofft, dass die Richter am Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr beginnen werden, sich mit der Frage zu befassen. „Wenn uns die landesrechtliche Kompetenz juristisch abgesprochen würde, müssten wir nach anderen Möglichkeiten suchen“, kündigt sie an. Dann müsse man auf bestehende bundesrechtliche Initiativen aufbauen, um etwas zu verändern.

Ohnehin ist sie der Meinung: „Der Bund ist bisher sehr zurückhaltend.“ Würde er die Pflichten von Immobilieneigentümern klarer fassen, würde beispielsweise auch nicht über Vergesellschaftung diskutiert werden. In Berlin gibt es die Debatte, große Wohnungskonzerne zu enteignen. Vor einem Jahr hatte eine Initiative begonnen, Unterschriften für einen Enteignungsvolksentscheid zu sammeln, mehr als 77.000 Unterschriften kamen zusammen.

Lompscher hat konkrete Forderungen an die Bundesregierung: „Man könnte im Bürgerlichen Gesetzbuch die Mieterhöhungsvorschriften deutlich moderater fassen.“ Bisher dürften Vermieter alle drei, vier Jahre die Miete noch immer um 15 Prozent erhöhen, Modernisierungskosten mit zwei bis drei Euro pro Quadratmeter umlegen. „Das sollte der Bund ändern – und auch die Wohngemeinnützigkeit wieder einführen.“

Aber natürlich hofft die Senatorin vor allem, dass der Berliner Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß eingestuft wird: „Wenn bestätigt würde, dass wir landesrechtlich durchaus die Kompetenz haben, den Mietendeckel einzuführen, bin ich relativ sicher, dass dies zur Blaupause für andere Länder wird.“

Lompscher hat sich außerdem vorgenommen, selbst an einer Entspannung auf dem Mietmarkt mitzuwirken. Indem wieder mehr gebaut wird – und der Markt entlastet. Allerdings warnen Immobilieninvestoren und Makler, der Mietendeckel bremse den Neubau, weil Investoren befürchteten, in einigen Jahren werde der Deckel verlängert – und auf neu gebaute Wohnungen ausgedehnt. Schon 2019 sank in Berlin die Zahl der Baugenehmigungen im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent.

Neubauten blieben ausgenommen, versichert dagegen Lompscher. „Wir müssen den Neubau auch auf andere Weise attraktiv machen“, kündigt sie außerdem an, und zwar, indem das Land Berlin Bauland schaffe „und wir der exorbitanten Bodenpreissteigerung entgegenwirken“. Man sei bereits dabei, Bauland vorzubereiten und durch den Ankauf von Bauflächen Nachschub zu generieren. Bis 2030 habe man Flächenpotenziale für etwa 200.000 Wohnungen identifiziert: „Es kommt darauf an, diese zu aktivieren.“

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