Ein Brief, 27 Seiten lang, reißt Mieterin Maria Hellmann (Name geändert) in diesem Sommer aus ihrem Frieden. Ihr Hausverwalter kündigt an, ihre Miete auf rund 1200 Euro pro Monat zu verdoppeln. Dafür soll die um 1900 gebaute Villa im Südwesten Berlins grundlegend saniert werden: neue Fassade, zusätzliche Balkone, der Dachboden soll ausgebaut und die Heizung ausgetauscht werden. Hellmann wohnt seit acht Jahren in dem Haus. 1200 Euro Miete für die 80 Quadratmeter große Wohnung wären für sie untragbar. Ihr Vermieter rechnet offensichtlich gar nicht damit, dass sie die neue Miete bezahlen kann: Im Internet findet Hellmann das Exposé eines Maklers, der ihre Wohnung zum Kauf anbietet. Für Hellmann ist klar, der Vermieter saniert auch, um die Mieter aus ihren Wohnungen zu vertreiben. Sie hat sich einen Anwalt genommen. „Mir wird die Entscheidung aufgezwungen, ob ich Krieg führen will.“
Wie Vermieter die Mietpreisbremse umgehen können
Eigentümer können befristete Mietverträge mit Arbeitnehmern abschließen, die etwa für die Dauer eines Projekts eine Bleibe suchen. Vorteil: Die Miethöhe kann der Vermieter unabhängig von der Mietpreisbremse vereinbaren. Nachteil: Eine reguläre Kündigung vor Vertragsende ist nicht möglich. Für möbliertes Wohnen gibt es nur begrenzte Nachfrage.
Die Miete steigt mit den allgemeinen Lebenshaltungskosten. Nur die erste Miete unterliegt der Mietpreisbremse. Danach steigt die Miete mit der Inflationsrate. Vorteil: Die Miete ist nicht gedeckelt. Nachteil: Derzeit ist die Inflationsrate so niedrig, dass die Mieten kaum steigen.
In den touristisch interessanten Großstädten werden Mietwohnungen vermehrt in Feriendomizile umgewandelt. Vorteil: Die Mietpreisbremse greift nicht. Nachteil: Kommunen verhindern, dass Wohnungen in Touristenquartiere umgewidmet werden.
In Berlin und anderen deutschen Städten wird es künftig öfter solche Konflikte geben. Seit dem 1. Juni können die Länder eine Mietpreisbremse festlegen, um so exzessive Preisentwicklungen zu stoppen. Berlin tat dies umgehend, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Bayern folgten. Von der Mietpreisbremse sind damit 4,3 Millionen von bundesweit 21,2 Millionen Mietwohnungen betroffen, schätzt der Deutsche Mieterbund. Im Oktober kommt auch Hessen dazu.
Etwa 100 Tage nach dem Start der Mietpreisbremse wird deutlich, dass das Gesetz mit der heißen Nadel gestrickt wurde und dass sie weit weniger wirksam ist, als die Politiker versprochen haben. Kern des Gesetzes sind vier Grundregeln:
- Bei Mieterwechseln darf die neue Miete nicht um mehr als zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen, das sich aus dem Mietspiegel der Gemeinde ergibt.
- Für Neubauten gilt diese Regel nicht.
- Bei umfassenden Modernisierungen, bei denen der Vermieter mindestens ein Drittel der Neubaukosten investiert, sind die Mieten nicht gedeckelt. Folge: starke Mieterhöhungen wie im Fall Hellmann.
- Für vor der Mietpreisbremse abgeschlossene Verträge gilt Bestandsschutz, auch wenn die Miete mehr als zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegt.
Die Politik feierte die Mietpreisbremse schon nach kurzer Zeit als Erfolg. Justizminister Heiko Maas jubelte per Twitter: „Die Mietpreisbremse wird mehr und mehr zum Erfolgsmodell.“ Zuvor hatte das Internetportal Immobilienscout24 gemeldet, die Mieten in Berlin seien von Mai auf Juni um 3,2 Prozent gesunken.
Dabei sagen stadtweite Durchschnittswerte für einen Monat wenig aus. Die Marktforscher des Berliner Instituts Empirica-Systeme haben analysiert, wie sich die Mieten auf Postleitzahlebene von Juni bis August im Vergleich zu April und Mai verändert haben (siehe Grafik Seite 68). Ergebnis: In Berliner Wohnlagen, die schon vor dem Start der Mietpreisbremse billig waren (unterstes Drittel beim Mietniveau) wurden Wohnungen 1,8 Prozent billiger angeboten als in den Monaten vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse. In den teureren Lagen stiegen die Mieten dagegen. Dass die Mieten insgesamt im Schnitt gesunken sind, lag aber vor allem daran, dass in günstigen Lagen mehr und in teureren weniger Wohnungen angeboten wurden: „Das hat aber nichts damit zu tun, dass sich Vermieter bei Mieterhöhungen zurückgehalten hätten“, sagt Sebastian Hein, Leiter Marktforschung bei Empirica-Systeme.
Fehlanreize und Lücken im Gesetz
Im August, so Hein, zogen die Mieten sogar wieder an, im Schnitt um 0,6 Prozent. Das Portal Immowelt kam für Mietangebote in Berlin sogar auf sieben Prozent plus im August.
Auch die Daten aus Hamburg – die Mietpreisbremse startete dort zum 1. Juli – sind kein Beweis für deren Erfolg. Zwar weisen Empirica-Systeme und Immowelt für Juli und August sinkende Mieten aus. Laut der Hamburger Agentur Analyse und Konzepte sind die Mieten jedoch schon vor dem 1. Juli gesunken.
Dass die Mietpreisbremse bisher nicht so wirkt wie von der großen Koalition erwartet, liegt an Fehlanreizen und Lücken im Gesetz:
- teuer sanieren wird attraktiver;
- Vermieter können nach wie vor Kosten für unwirtschaftliches Dämmen auf Mieter abwälzen;
- um finanzschwachen Mietern zu helfen, kommt die Mietpreisbremse zu spät;
- Neubauten sind nicht von der Mietpreisbremse betroffen. Den so neu geschaffenen Wohnraum können sich jedoch nur finanzstarke Mieter leisten;
- ohne spürbare Sanktionen werden Vermieter weiter überhöhte Mieten verlangen;
- ohne Reform der Mietspiegel fehlt der Mietrechtsreform eine rechtliche Basis.
Die neuen Regelungen bei der Mietpreisbremse
Die Mietpreisbremse greift bei neuen Mietverträgen in Städten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“. In welchen Städten, entscheiden die Bundesländer. Sie läuft bis zu fünf Jahre und soll im ersten Halbjahr 2015 in Kraft treten.
Mieten für neu gebaute und umfassend sanierte Wohnungen in Neubauten dürfen auch mehr als zehn Prozent über dem Mietspiegel-Niveau liegen.
Mieten dürfen maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen. Was ortsüblich ist, gibt der Mietspiegel vor. Die zehn Prozent gelten auch für Verträge, die schrittweise Mieterhöhungen vorgeben (Staffelmieten).
Folge dieser Mängel: Die Mietpreisbremse kann den Preisanstieg nicht stoppen – an manchen Stellen treibt sie ihn sogar.
1. Zu teuer saniert
Hellmanns Fall ist keine Ausnahme. Für viele Vermieter sind umfassende Modernisierungen die einzige Option, um eine attraktive Rendite zu erzielen. „Wegen der Mietpreisbremse wird die Mietrendite in stark gefragten Stadtteilen um etwa ein Drittel sinken“, sagt Oliver Moll, Geschäftsführer von Moll & Moll Zinshaus in Hamburg. Der Ausweg: modernisieren und die Miete anheben. Der Berliner Vermieterverein schätzt, dass in der Hauptstadt bei acht Prozent der Modernisierungen von Mietwohnungen die Mietpreisbremse nicht greift.
Aktuell wird in der Hauptstadt an vielen Ecken deutlich, wie umfassend die Modernisierungswelle die Stadt erfasst. Selbst an Wohnblocks aus den Sechzigerjahren wird massiv gebaut, wenn sie denn die richtige Adresse haben. Wie etwa in der Belforter Straße in Prenzlauer Berg: Das graugelbe Mietshaus ist eingerüstet, das Dach teilweise abgetragen und ein Seitenteil des Gebäudes abgerissen. An der noch offenen Straßenseite wächst seit Wochen ein Neubau.
Mit Schutzgebieten könnten die Städte Exzesse bei Modernisierungen eindämmen und so Lücken bei der Mietpreisbremse ausbügeln. In diesen Schutzgebieten ist es unter anderem verboten, Wohnungen zusammenzulegen, Laminat durch teures Parkett zu ersetzen oder weitere Balkone anzubauen. Auch in Berlin und anderen Großstädten gibt es diese Schutzgebiete, jedoch nicht in jedem Viertel, in dem modernisiert wird. Im Berliner Südwesten, wo Mieterin Hellmann um ihre 80-Quadratmeter-Bleibe bangt, hat der zuständige Bezirk bisher nur beantragt, zu untersuchen, ob Bedarf für ein solches Schutzgebiet besteht.
Wie stark Modernisierungen nach altem Recht auf die Miethöhe durchschlugen, zeigt ein Papier des Berliner Senats vom Januar: Beim öffentlichen Vermieter Degewo etwa sind nach Sanierungen der Jahre 2012 bis 2014 die Kaltmieten im Schnitt von 3,94 Euro auf 6,59 Euro je Quadratmeter gestiegen.
Sparen bei der Instandhaltung
Dabei haben öffentliche Vermieter in Berlin ihren Spielraum noch gar nicht ausgereizt. Sie schlagen pro Jahr nur neun Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete drauf. Private Vermieter dürfen auch nach neuem Recht noch bis zu elf Prozent pro Jahr erhöhen. Die Regierung will den Satz erst in einem zweiten Reformpaket auf zehn Prozent senken.
Vermieter, denen Geld fürs teure Sanieren fehlt, werden dagegen ins andere Extrem wechseln und selbst bei der Instandhaltung sparen. „Moderat zu sanieren lohnt sich wegen der gedeckelten Mieten nicht“, sagt Immobilienmanager Moll. Folge: Zwar wachsen die Mieten langsamer – aber die Wohnqualität sinkt, weil die Mietshäuser schlechter in Schuss sind.
2. Zu viel gedämmt
Eine weitere Lücke im Gesetz sind energetische Sanierungen. „Bei zu teurer energetischer Sanierung hilft die Mietpreisbremse nicht“, sagt Maximilian Heisler vom Bündnis Bezahlbares Wohnen in München. Elf Prozent der Dämmkosten lassen sich pro Jahr auf die Mieter umlegen – unabhängig vom Mietspiegel. Laut Gesetz reicht es dafür aus, dass die Baumaßnahmen Heizkosten sparen. Für den Mieter muss sich Dämmen nach bisheriger Ansicht der Gerichte nicht rechnen.
Immerhin: Kürzlich entschied das Amtsgericht Pankow, dass Mieter unwirtschaftliches Dämmen nicht dulden müssen. In diesem Fall wäre die Heizkostenersparnis erst nach 20 Jahren größer gewesen als der Zuschlag auf die Miete. Der Eigentümer hätte sich von der Dämmpflicht befreien lassen können, weil die Maßnahme unwirtschaftlich war, hat dies aber nicht getan. Der Fall wird derzeit am Landgericht Berlin verhandelt. Ohne höchstrichterliches Urteil können Vermieter weiter unwirtschaftlich dämmen und die Kosten auf Mieter umlegen.
Was Mieter und Vermieter noch dürfen
- Aktuell gilt: Vermieter müssen eine Mieterhöhung drei Monate vorher ankündigen. Mieter können zustimmen oder ablehnen.
- Stimmt der Mieter innerhalb von zwei Monaten nicht zu, kann der Vermieter innerhalb von drei weiteren Monaten auf Zahlung der erhöhten Miete klagen.
- Mieter können innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Mieterhöhung außerordentlich kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt dann zwei Monate. Kündigt der Mieter in dieser Frist, bleibt die Miete bis Vertragsende unverändert.
- Vermieter können die Miete nur alle 15 Monate anheben.
- Binnen drei Jahren darf die Mieterhöhung bei bestehenden Verträgen insgesamt nicht mehr als 20 Prozent betragen.
Bei bestehenden Mietverträgen darf der Vermieter schon heute die Miete nur bis zum ortsüblichen Niveau anheben, das sich aus dem Mietspiegel der Kommune ergibt. Zudem begrenzen die Bundesländer in bestimmten Städten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ die Mieterhöhung bei bestehenden Verträgen auf 15 Prozent in drei Jahren. Bei neuen Mietverträgen gelten 20 Prozent über dem ortsüblichem Niveau als Obergrenze. Tatsächlich liegen die Mieten in begehrten Lagen teilweise 30 bis 40 Prozent über den im Mietspiegel vorgegebenen Mieten, weil sich solche Verträge in der Praxis nur schwer anfechten lassen und Mieter Rechtsstreitigkeiten scheuen.
Bei neuen Mietverträgen darf die Miete nur noch auf maximal zehn Prozent über das ortsübliche Niveau gehoben werden. Dies gilt für die angespannten Wohnungsmärkte, die die Bundesländer festlegen. Mieten, die gegen die neuen Vorschriften verstoßen, sind unwirksam. Verstöße muss der Mieter nach Eingang der Mieterhöhung gegenüber dem Vermieter rügen.
Vermieter können auch Staffeln vereinbaren, nach denen die Miete in Stufen um einen festen Betrag steigt. Alternativ können Eigentümer eine Indexmiete fordern, die mit dem Index für die allgemeine Lebenshaltung steigt.
Die Staffeln müssen sich am Mietspiegel orientieren. Sie dürfen maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen. Einmal erreichte Stufen genießen Bestandsschutz. Folge: Staffelmietverträge werden unattraktiv, wenn der Mietspiegel der aktuellen Entwicklung am Wohnungsmarkt hinterherhinkt. Bei Indexmietverträgen muss sich nur der Ausgangspunkt am ortsüblichen Niveau orientieren, danach steigt die Miete automatisch mit den Verbraucherpreisen, unabhängig vom Mietspiegel.
Vermieter, die Wohnungen modernisieren, können derzeit elf Prozent der Kosten pro Jahr auf die Mieter umlegen. Eine Deckelung durch den Mietpreisspiegel gibt es nicht. Mieterhöhungen nach Modernisierungen sind nicht an die Frist von 15 Monaten gebunden, können also auch zwischen regulären Mietanpassungen durchgeführt werden. Nicht zur Modernisierung zählen Instandhaltungsmaßnahmen. Bei einer Modernisierung muss der Mietwert der Wohnung nachhaltig erhöht werden, etwa durch Dämmen der Außenwände oder den Anbau eines Balkons.
Will ein Vermieter nach Mieterwechsel die Miete wegen Modernisierung über das ortsübliche Niveau heben, darf die Modernisierung nicht mehr als drei Jahre zurückliegen. Die elf Prozent darf der Vermieter nur auf die ortsübliche Miete aufschlagen, die sich ohne Modernisierung ergeben hätte. Liegt die Miete schon vorher über dem Wert aus dem Mietspiegel, geht dies zulasten des Vermieters.
Ausgenommen von der Mietpreisbremse sind umfassende Modernisierungen, die laufen, wenn die Wohnung leer steht. Laut Gesetzentwurf sind Modernisierungen dann umfassend, wenn sie mindestens ein Drittel dessen kostet, was ein Neubau kosten würde (ohne Grundstückspreis).
3. Für viele Mieter zu spät
Wie schwer es ist, in München eine bezahlbare Wohnung zu finden, spürt derzeit Daniel Frischknecht, 32. Seit August sucht der Angestellte eines Internetportals eine Bleibe. Bisher mietet er ein WG-Zimmer für 500 Euro im Monat im Vorort Oberhaching, 20 Minuten von der nächsten S-Bahn-Station entfernt. Mit dem Auto benötigt er 40 Minuten bis zu seinem Arbeitsplatz im Zentrum. „Aus dem WG-Alter bin ich raus, und der Weg zur Arbeit ist mir zu lang“, sagt Frischknecht.
Der 32-Jährige hat einen sicheren Job, keine Haustiere, keine Kinder. Eigentlich ein begehrter Mieter. Dennoch durfte er sich bisher nur wenige Wohnungen anschauen. Auf die meisten Anfragen gab es keine Antwort. Kürzlich klappte es doch mit einem Termin: eine 22 Quadratmeter kleine Einzimmerwohnung im Nobelstadtteil Haidhausen. Weil er nicht binnen eines Monats einziehen konnte, sortierte ihn die Maklerin aus. Im gleichen Stadtteil wurde ihm dann eine 57 Quadratmeter große Wohnung angeboten – für 1100 Euro warm pro Monat.
In Ballungsräumen wie München sind die Mieten für neue Verträge dem ortsüblichen Niveau schon lange enteilt. Statistikprofessor Göran Kauermann von der LMU München hat die 2013 in München erhöhten Mieten untersucht. Ergebnis: 55 Prozent der Neuvertragsmieten wären nach neuem Recht illegal gewesen; bei Bestandsmieten waren es 35 Prozent.
Mangelnde Vergleichsmöglichkeiten
Auch in anderen deutschen Großstädten ist die Differenz zwischen den Neuvertragsmieten und dem Mietspiegel vor Einführung der Mietpreisbremse deutlich gewachsen. Nach einer Analyse des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft lagen im vergangenen Jahr in Berlin 60 Prozent und in Köln 43 Prozent der von Eigentümern verlangten Mieten über dem gesetzlichen Limit. Die Mietpreisbremse friert das hohe Niveau nur ein, sie kommt für viele Mieter zu spät.
4. Verstöße ungeahndet
Solange Mieter überhöhte Mieten zahlen, hat der Vermieter trotz Mietpreisbremse nichts zu befürchten. Es gilt: Wenn der Mieter den Vermieter rügt, muss der zu viel gezahlte Miete zurückzahlen; allerdings nur für die Monate nach der Rüge. Zudem ist es für Mieter schwierig, eine überhöhte Miete zu belegen. Zwar bietet etwa das Internetportal Immobilienscout24 für Mietangebote die Funktion „Mit lokalem Mietspiegel vergleichen“ an. Tatsächlich werden nur Mieten ähnlicher Wohnungen verglichen.
Bessere Vergleichsinstrumente haben sich noch nicht durchgesetzt. So hatte der Hamburger Mieterverein einen Mietpreis-Check auf seine Internetseite gestellt. Prompt zog der Eigentümerverband Haus und Grund gegen das Onlinetool vor Gericht – mit Erfolg. Das Landgericht Hamburg stoppte per Verfügung den Mietpreis-Check, weil er zu undifferenziert sei, um Mieten seriös zu prüfen. Der Mieterverein hat jetzt nachgebessert.
Alle Tools haben einen gravierenden Nachteil: Wer eine Wohnung sucht, weiß in der Regel nicht, wie viel der Vormieter gezahlt hat. Ohne diesen Vergleichswert aber ist unklar, ob der Vermieter die Miete vor oder erst nach dem Start der Mietpreisbremse über das zulässige Limit hinaus angehoben hat. Der Vermieter könnte behaupten, dass er nicht mehr verlangt als vom Vormieter. Schließlich gilt für Mieten aus Altverträgen Bestandsschutz. Der Berliner Vermieterverein fordert daher eine Informationspflicht für Vermieter.
5. Teurer Neubau
Für neu gebaute Wohnungen, die erstmals vermietet werden, gilt die Mietpreisbremse nicht. Erst beim zweiten Mieter ist die Miete gedeckelt. So soll der Neubau angekurbelt werden.
Diese Ausnahme hat die Baukonjunktur getrieben, schon bevor das neue Gesetz in Kraft getreten ist. So wurde in Berlin im ersten Halbjahr 2015 der Bau von 10 950 neuen Wohnungen genehmigt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es nur 9110. Das ist ein Plus von 20 Prozent.
Die Neubauten aber schließen genau die finanzschwachen Mieter aus, die vom Preisanstieg der vergangenen Jahre am stärksten betroffen waren. Laut Mietspiegel kosten in Berlin Wohnungen der Baujahre 2003 bis 2013 mit 60 bis 90 Quadratmeter Wohnfläche in einfachen Lagen im Schnitt 9,36 Euro je Quadratmeter kalt. Im Altbau werden selbst in guten Lagen im Schnitt nur 6,72 Euro pro Quadratmeter für vergleichbar große Wohnungen fällig.
Kaum günstiger Wohnraum
Weil die Neubauten selbst für die Mittelschicht zu teuer sind, wird günstiger Wohnraum in Altbauten für einkommensschwache Mieter nicht frei. Denn wer gut und günstig wohnt, hat keinen Anreiz, in einen Neubau zu ziehen. Laut der Wohnungsbaugesellschaft WBM, die Objekte in Berlins Zentrum hält, hat sich im eigenen Bestand der Anteil der Mieter, die umziehen, seit 2005 von zehn auf fünf Prozent verringert.
Zwar wird in Berlin, wie in anderen Bundesländern, bezahlbares Wohnen gefördert. Es beteiligen sich jedoch fast nur öffentliche Vermieter: 2014 lag deren Anteil an öffentlich geförderten Neubauwohnungen in Berlin bei 86 Prozent. Laut Prognose der Landesbank Berlin wird die Zahl der Wohnungen, bei denen der Mietpreis und die Vergabe an soziale Kriterien gebunden sind, bis 2024 um 60 Prozent sinken.
Risiken der Mietpreisbremse
Weil die Mietpreisbremse vor allem zulasten der Eigentümer geht, werden sie dem Gesetz ausweichen. Neben der Luxussanierung gibt es noch weitere Varianten:
Weil Vermieter die Kosten für Instandhaltung nicht auf die Mieter umlegen können, müssen sie Rücklagen bilden. Werden Mieterhöhungen gedeckelt, bleibt dafür weniger Geld. Mieter wohnen dann zwar billiger, aber eben auch in weniger gepflegten Häusern.
Angesichts der stark gestiegenen Kaufpreise lohnt sich Verkaufen für die Eigentümer oft mehr als Vermieten. Eingesessene Vermieter werden sich infolge der Staatseingriffe zurückziehen und an aggressive Investoren verkaufen. Diese teilen das Haus in viele kleine Wohnungen auf, die sie dann teurer an Anleger vermitteln. Die müssen dann auf Teufel komm raus die Mieter schröpfen, um ihr Investment zu refinanzieren.
Vollständig eingerichtete Wohnungen lassen sich teurer vermieten. Dabei geht es in der Regel nur um befristete Mietverträge.
Vor allem in touristisch interessanten Metropolen werden Wohnquartiere zu Touristenwohnungen, soweit die Städte dies zulassen. Die Mietpreisbremse wird diesen Trend verstärken. Städte steuern mit neuen Regeln dagegen, es droht eine Spirale von Regulierung und Ausweichreaktionen.
6. Anfechtbare Mietspiegel
Die Mietpreisbremse ist unfertig. Denn die Mietspiegel, nach denen Neuvertragsmieten reguliert werden, sind selbst reformbedürftig. Das gilt vor allem für den qualifizierten Mietspiegel. Er erfasst über Stichproben die in einer Gemeinde in den vergangenen vier Jahren erhöhten und neu vereinbarten Mieten.
Vor Gericht berufen sich sowohl Vermieter als auch Mieter auf diesen Mietspiegel, weil dessen Werte juristisch verbindlich sind. Das galt zumindest bis vor Kurzem. Inzwischen hat jedoch das Charlottenburger Amtsgericht den Berliner Mietspiegel aus 2013 angezweifelt (235 C 133/13). Gutachter des Berliner Gerichts war der Dortmunder Statistikprofessor Walter Krämer.
Oliver Lerbs, Wissenschaftler des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, fordert, alle relevanten Mieten zu erfassen. Den Gemeinden wird dies zu teuer sein. „Schon ein Mietspiegel mit Stichproben kostet je nach Erhebungsmethode zwischen 30.000 und 800.000 Euro“, sagt Michael Neitzel, Geschäftsführer der Inwis Forschung & Beratung, die etwa den Dortmunder Mietspiegel erstellt.
Erst in einigen Wochen will das Justizministerium einen Entwurf für ein zweites Reformpaket mit Vorschriften für Mietspiegel vorlegen. Weitere Monate werden vergehen, bis ein Gesetz kommt. Bis dahin sind Mieterhöhungen nur unzureichend abgesichert.
Auch bei umfassenden Sanierungen ist das Mietrecht nur halb fertig. Eine genaue Verordnung, die regelt, was zulässige Modernisierung und was überflüssiger Luxus ist, steht aus. Es bleibt noch viel Raum für Streit zwischen Mietern und Vermietern.