Stimmt es, dass Integration in Deutschland besser gelingt als beispielsweise in Frankreich?
Was stimmt, ist, dass die ethnische Segregation in Deutschland innerhalb der Städte nicht sehr stark ist. Das heißt, Einwanderer leben hierzulande nicht nur in abgeschlossenen Wohngebieten.
Das soll ja auch eines der Ziele des geplanten Integrationsgesetzes sein, die Konzentration der Einwanderer zu verhindern.
Dass Einwanderer die Nähe der eigenen Leute suchen, ist klar. Aber meine Studien zeigen, dass die Integration eben nicht gut funktioniert, wenn alle Syrer da hingehen, wo schon die anderen Syrer alle sind. Sie werden dann nicht Deutsch lernen und auch nicht so bald die hiesigen Wertvorstellungen übernehmen. Die Zuweisung von Wohnorten für anerkannte Flüchtlinge, die keinen Job haben, ist daher unter verschiedenen Gesichtspunkten eine gute Idee. Auch weil man so vermeidet, dass die Lasten sich in bestimmten großen Städten ballen. In manchen ländlichen Gegenden gibt es dagegen den benötigten Wohnraum und die Schulplätze.
Asylanträge nach Bundesländern 2017
Nirgendwo sonst wurden so vielen Asylanträge gestellt wie in Nordrhein-Westfalen. In der ersten Jahreshälfte 2017 waren es bisher 32.122 Menschen.
Hinweis: Alle Daten beziehen sich auf Erst- und Folgeanträge in den Monaten Januar bis Juni 2017.
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / Statista
Stand: August 2017
12.921 Menschen haben in der ersten Hälfte des Jahres 2017 in Bayern einen Asylantrag gestellt.
In Baden-Württemberg wurden 2017 bisher 11.290 Asylanträge gestellt.
In Niedersachsen stellten 10.003 Menschen im Januar bis Juni 2017 einen Antrag auf Asyl.
In Rheinland-Pfalz beantragten 2017 bislang 7.610 Menschen Asyl.
In Hessen stellten in den ersten sechs Monaten 2017 7.508 Bewerber einen Asylantrag.
In Berlin wurden von Januar bis Juni 2017 5.535 Anträge auf Asyl gestellt.
Bis Mitte 2017 stellten 4.205 Menschen einen Asylantrag in Sachsen.
3.346 Asylanträge verzeichnet Schleswig-Holstein für die ersten sechs Monate 2017.
Einen Asylantrag in Sachsen-Anhalt stellten bis Juni 2017 3.304 Menschen.
Asyl in Brandenburg beantragten in der ersten Jahreshälfte 3.162 Menschen.
In Thüringen wurden in den Monaten Januar bis Juni 2017 3.049 Asylanträge gestellt.
In Hamburg stellten bis Ende Juni 2017 2.633 Menschen einen Antrag auf Asyl.
In Mecklenburg-Vorpommern stellten 2.104 Menschen einen Asylantrag (Januar bis juni 2017).
Bis Juni 2017 stellten im Saarland 1.538 Menschen einen Asylantrag.
In Bremen beantragten bis Ende Juni 1.192 Menschen Asyl.
Bei 94 Asylanträgen bis Mitte 2017 ist das Bundesland, in dem der Antrag gestellt wurde, anscheinend unbekannt.
Kann man mit staatlichen Maßnahmen überhaupt die Integration von Einwanderern beeinflussen?
Ich gehe davon aus, dass Einwanderer rationale Akteure sind wie jeder andere Mensch und auf Anreize reagieren. Mit richtigen Anreizen kann man Verhalten durchaus steuern. Ein Ansatz des Gesetzes, den ich selbst in politischen Beratungsrunden empfohlen habe, ist, die Aussicht auf ein dauerhaftes Bleiberecht an den Integrationserfolg zu knüpfen. Wenn in drei Jahren hoffentlich Frieden herrscht in Syrien und anderen Kriegsländern, wäre es dumm alle Flüchtlinge zurückzuschicken, die sich in den Arbeitsmarkt gut eingegliedert haben, denn die können wir ja gut gebrauchen. Aber eben nur diese. Man sollte also denen, die einen Integrationskurs bestanden, gut Deutsch gelernt und einen Job mit einem bestimmten Mindestgehalt gefunden haben, freistellen, hier zu bleiben. Andererseits müssten aber auch die anderen, die sich nicht gut integriert haben, wieder zurückkehren.
Das wird schwierig durchzusetzen sein.
Das ist nur politisch schwer, nicht in der Praxis. Man muss das eben wirklich wollen.
In einer Ihrer großen Studien haben Sie 2013 festgestellt, dass unter europäischen Muslimen mehr als 40 Prozent zum Fundamentalismus neigen. Besteht überhaupt irgendeine Hoffnung, dass sich diese Menschen jemals in die westlichen Gesellschaften integrieren?
Zunächst: In Deutschland ist die Situation ein bisschen besser als in anderen europäischen Ländern. Hier sind nur 30 Prozent der Muslime fundamentalistisch. Dennoch sind das natürlich erschreckend viele. Deren strenge Religiosität bedeutet: Ablehnung anderer Bevölkerungsgruppen, Antisemitismus, Feindschaft gegen Schwule, und die Idee, dass der Westen den Islam vernichten will. Außerdem: schwache Sprachkenntnisse und eine extrem konservative Auffassung über die Rolle der Frau. Daher ist in dieser Gruppe das Problem der Arbeitslosigkeit noch deutlich größer als bei anderen Muslimen.
Hängt die religiöse Radikalisierung mit der Erfahrung von Diskriminierung zusammen?
Das ist eine oft in den Raum gestellte Behauptung. Sie ist aber falsch. Wir haben in unserer großen Studie die Muslime gefragt, wie stark sie sich diskriminiert fühlen, und nach Zusammenhängen zur Entwicklung eines fundamentalistischen Weltbildes gesucht. Aber die gibt es nicht. Hass gegen Nicht-Muslime ist kein besonderes Phänomen muslimischer Einwanderung, sondern ist in den Herkunftsländern noch schlimmer. Die Radikalisierung wird nicht erst hier in Europa produziert, sondern kommt aus der muslimischen Welt.