
Die beiden Hilfsprogramme von EU und Bund für die notleidenden Milchbauern sollen auf Beschluss der Agrarminister zügig umgesetzt werden. Darauf einigten sich die Ressortchefs von Bund und Ländern am Freitag auf ihrer Konferenz in Rostock-Warnemünde, wie deren Vorsitzender Till Backhaus (SPD) sagte. Die Milchmarktkrise hatte erneut im Mittelpunkt der dreitägigen Beratungen gestanden. Uneins waren sich die Minister über staatliche Eingriffe, um künftig eine Überproduktion von Milch zu verhindern, wie Mecklenburg- Vorpommerns Ressortchef Backhaus berichtete. Das Überangebot war Auslöser der aktuellen Milchmarktkrise, die rund 5000 Betriebe in Deutschland zum Aufgeben zwang. Die Länderminister beauftragten den Bund, eine obligatorische Mengenreduzierung bei Milch zu prüfen.
Die Minister und Staatssekretäre berieten in Rostock unter anderem über die Verteilung des zweiten EU-Hilfspaketes im Umfang von 500 Millionen Euro, das im Juli beschlossen worden war. 150 Millionen davon sollen in den EU-Ländern für die Reduzierung der Milchmenge eingesetzt werden. Die Landwirte können voraussichtlich von Mitte September an Hilfen für jeweils drei Monate beantragen. In der Zeit sollen sie für jeden nicht produzierten Liter Milch 14 Cent erhalten.
Des weiteren erörterten die Minister die Verteilung von 116 Millionen Euro, die je zur Hälfte von der EU und dem Bund kommen. Wie Backhaus sagte, ist geplant, Bauern für ein Jahr pro Liter Milch 0,36 Cent Zuschuss zu zahlen, wenn sie ihre Milchproduktion im Vergleich zu einem zurückliegenden Referenzzeitraum nicht ausweiten. Für die Verteilung dieser Mittel sei ein Gesetzgebungsverfahren nötig, das jetzt auf den Weg gebracht werden solle. Das Geld werde erst Anfang 2017 zur Verfügung stehen. Der Bund plant eine Vorschusszahlung von der Hälfte der beantragten Summe bereits bei der Antragstellung, wie der Staatssekretär im Bundesagrarministerium, Hermann Onko Aeikens, erläuterte. Über Details werde noch beraten.
Der komplizierte Milchmarkt
Die Produktion in den führenden Milcherzeugerländern ist weltweit überproportional gewachsen. Der Hauptgrund dafür sind die hohen Preise der Vergangenheit.
Bei mehr als 40 Cent pro Liter, die die Bauern zwischenzeitlich einheimsten, war die Milchproduktion ein durchaus profitables Geschäft. Also haben sie Kühe gekauft, um mehr zu produzieren und mehr Geld zu verdienen. Aus Sicht jedes einzelnen Bauern ein logisches Verhalten. Wenn aber sehr viel Bauern so handeln, gibt es irgendwann insgesamt zu viel Milch auf dem Markt - und wenn sich die Nachfrage nicht im gleichen Maß erhöht, sinkt der Preis wieder. Für die sinkende Nachfrage gibt es ebenfalls benennbare Gründe.
Zum einen sorgen das Russland-Embargo für einen Rückgang im Milchexport. Zum anderen sorgt die dauerhaft geringe Milchpulver-Nachfrage Chinas, als größtem Abnehmer der deutschen Milch, für Überkapazitäten am Markt. Zusätzlich sinkt die Kaufkraft der Erdöl exportierenden Staaten, die ein Drittel der weltweit gehandelten Milchprodukte importieren, aufgrund des gefallenen Ölpreises.
Die Milchquote wurde 1984 von der damaligen Europäischen Gemeinschaft eingeführt, um die Milchproduktion in den Mitgliedsstaaten zu beschränken. Sie war eine Reaktion auf die steigende Agrarproduktion, die bereits Ende der 1970er-Jahre zu den sprichwörtlichen Milchseen und Butterbergen geführt hatte. Die Überschüsse wurden teuer vom Markt gekauft. Ursprünglich nur für fünf Jahre geplant, wurde die Quote immer und immer wieder verlängert. Wer mehr Milch als vereinbart produzierte, musste eine sogenannte Superabgabe zahlen. Bis zum April 2015. Ab jetzt durften die Erzeuger soviel Milch produzieren wie sie wollen und können. Die Quote wird vor allem wegen anhaltender Erfolgslosigkeit abgeschafft. Butterberge und Milchseen wurden zwar kleiner. Die Preise schwankten allerdings trotzdem.
In den 50er Jahren war schon ein großer Milchbauer, wer zehn Kühe besaß. Um zu existieren, müsste ein Betrieb in dieser Größe heute Milchpreise von mehreren Euro pro Liter verlangen. Das geht nicht. In Deutschland gab es 1996 noch 186.000 Milchbauern, heute liegt ihre Zahl etwa bei 101.000. Sie sinkt jährlich um etwa fünf Prozent. Im bundesweiten Durchschnitt hält ein deutscher Milchbauer bis zu 60 Tiere. Aber fast die Hälfte aller Betriebe besteht aus 100 und mehr Kühen.
Mit dieser Lösung sei er nicht zufrieden, sagte Backhaus. Er nimmt an, dass sich nur wenige Bauern an dem Programm beteiligen werden, wenn der Milchpreis wieder steigt. Er hätte das Geld lieber zu den Mitteln für die Mengenreduzierung gegeben. Jetzt wüssten die Bauern bis Dezember nicht, was sie an Hilfen bekommen. Aeikens entgegnete, Deutschland könne nur aus dem vorhandenen Programmspektrum der EU wählen: „Wenn wir schnell helfen wollen, müssen wir uns innerhalb dieses Rechtsrahmens bewegen.“
Aeikens sprach sich angesichts des Beschlusses der Konferenz gegen eine obligatorische - staatliche - Milchmengenregelung aus, die auch von einigen Verbänden und Interessenvertretungen der Milchbauern gefordert wird. Diese sei in der EU nicht mehrheitsfähig, erklärte er. Auch gebe es keine Rechtsgrundlage dafür. Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) lehnte es ab, „planwirtschaftsmäßig in die Gestaltung von Mengen und Preisen einzugreifen.“ Er befürwortete bessere steuerliche Rahmenbedingungen für die Landwirte.
Top 5 der weltweit umsatzstärksten Molkereien
Dairy Farmers of America, USA
Vorjahresplatzierung: 6
Jahresumsatz 2014 (in Milliarden Euro): 13,5
Fonterra, Neuseeland
Vorjahresplatzierung: 4
Jahresumsatz 2014 (in Milliarden Euro): 13,9
Danone, Frankreich
Vorjahresplatzierung: 2
Jahresumsatz 2014 (in Milliarden Euro): 14,6
Lactalis, Frankreich
Vorjahresplatzierung: 3
Jahresumsatz 2014 (in Milliarden Euro): 14,7
Nestlé, Schweiz
Vorjahresplatzierung: 1
Jahresumsatz 2014 (in Milliarden Euro): 20,9
Backhaus und Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne) plädierten dagegen für staatliche Eingriffe in den Milchmarkt im Krisenfall. Meyer, der 2017 turnusmäßig den Vorsitz der Konferenz übernimmt, sagte, trotz eines leichten Preisanstiegs seien die Milchbauern weiter in einer existenziellen Krise. „Wir brauchen eine zeitlich befristete Reduzierung der Milchmenge - europaweit.“
Die Agrarminister forderten außerdem faire Lieferverträge für die Bauern mit den Molkereien. Diese müssten mehr unternehmerische Verantwortung tragen und mehr in die Spezialisierung und in Marken investieren. Bislang würden die Bauern das Risiko alleine tragen.