Milchpreis So will die Politik den Milchbauern helfen

Deutsche Milchbauern klagen derzeit besonders laut: Seit dem Ende der EU-Milchquote 2015 ist der Überschuss am Markt so hoch, dass der Preis im Keller ist. Die Politik stellt Hilfen bereit - bringen die etwas?

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Vor dem Tagungsort der Agrarministerkonferenz im Hotel Neptun in Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern) bereiten Bauern am 07.09.2016 ihre Proteste vor. Quelle: dpa

Die Landwirtschaft ist in der Krise, der Preis für Milch ist niedrig. Bis Freitag beraten die Agrarminister der Länder auf einer Konferenz im Rostocker Stadtteil Warnemünde über die Lage. Ein Überblick über bisherige Hilfen und Pläne.

Finanzhilfen

Etwa 40 Prozent des eine Billion Euro schweren EU-Siebenjahreshaushalts entfallen in der Europäischen Union ohnehin auf den Agrarsektor und die Entwicklung des ländlichen Raums. Zusätzlich hierzu beschloss die EU 2015 und 2016 Hilfspakete für die Bauern über je 500 Millionen Euro. Deutsche Bauern - neben Milchbauern auch Schweinehalter - bekamen aus dem ersten Paket circa 70 Millionen Euro an Liquiditätshilfen. Die Situation für Schweinehalter hat sich etwas verbessert, die Krise für Milchbauern hat sich hingegen verschärft. Nun ist das zweite 500-Millionen-Euro-Paket in der Diskussion.


Geld für Mengenreduktion

Festgelegt ist bereits, dass von dem zweiten Paket 150 Millionen Euro dazu dienen, die Milchmenge zu verringern. Pro Kilo Milch, das ein Bauer im vierten Quartal 2016 im Vergleich zum Vorjahresquartal weniger produziert, gibt es 14 Cent - wohl etwa die Hälfte des Preises, den er für ein produziertes Kilo bekäme. Laut Bauernpräsident Joachim Rukwied ist das zu wenig für deutsche Bauern, die weiter auf Kühe setzen. In Osteuropa würde das wohl eher helfen, schließlich seien die Produktionskosten dort niedriger, so Rukwied.

Deutsche Landwirte werden die Hilfe dennoch beanspruchen - aber wohl nur die, die seit 2015 die Milchproduktion aufgegeben haben. „Den aktiven deutschen Milchbauern hilft das gar nicht oder kaum“, sagt Horst Wenk vom Landesbauernverband in Baden-Württemberg.

Autonome Erntehelfer
Eine landwirtschaftliche Maschine auf einem Feld Quelle: Claas
Traktoren mit Lenksystem Quelle: Claas
Agrobot, mechanischer Erntehelfer Quelle: Agrobot
Feldroboter Quelle: David Dorhout
Ein Flugroboter wird über einem Feld fliegen gelassen Quelle: dpa
Satellitenbild Quelle: NASA astronauts
Ein Landwirt ruft Daten in einem Traktor ab Quelle: Claas


Neue Hilfsmittel


Von den restlichen 350 Millionen Euro aus dem zweiten EU-Paket entfallen 58 Millionen auf Deutschland, der Bund verdoppelte diesen Betrag mit eigenen Mitteln auf 116 Millionen Euro. Laut Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) könnten Bund und Länder weitere 100 Millionen Euro oben drauf legen - dann wären es 216 Millionen Euro. Wie diese Mittel verwendet werden, ist Hauptthema der Rostocker Konferenz.

Minister Hauk will bei den Hilfen Süddeutschland in den Fokus nehmen, da dort die Landwirte die Milchmenge in den vergangenen Jahren längst nicht so stark hochgefahren hätten wie ihre Kollegen in Nord- und Ostdeutschland. Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Till Backhaus (SPD) hält von so einer Argumentation gar nichts - zwar sei die Milchmenge von der Jahrtausendwende bis 2015 in seinem Bundesland gewachsen, in den 1990ern aber stark gesunken.

Lockerung des EU-Wettbewerbsrechts

Damit der Überschuss auf dem Milchmarkt sinkt, soll die Menge runter - aber wie? Staatliche Eingriffe wie zu Zeiten der EU-Milchquote sind nicht mehrheitsfähig, unter anderem Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) ist dagegen. „Auch mit Milchquote hatten wir 2009 schon Milchpreise auf dem heutigen Niveau“, sagt er.

Die EU hat das Wettbewerbsrecht gelockert, seit April können Molkereien eine Senkung der Bezugsmenge absprechen - und damit indirekt den Preis erhöhen. Aber das tun sie nicht. „Würden wir die Menge senken, würde Milch aus anderen Staaten kommen - und wir verlieren Marktanteile an ausländische Konkurrenz“, sagt Eckhard Heuser vom Milchindustrie-Verband. Die Hälfte der deutschen Milch werde exportiert. „Wir sind Teil des globalen Marktes - eine deutsche Insel-Lösung ist Unsinn“, meint Heuser. Bundesagrarminister Schmidt hält die Wettbewerbsrecht-Lockerung dennoch für „ein wichtiges Instrument“. Molkereien seien besonders in der Pflicht.

Steuerliche Erleichterungen

Macht ein Betrieb Verluste, kann er diese steuerlich bisher nur mit einem Gewinn aus dem Vorjahr verrechnen und dann Geld zurückbekommen. Künftig soll dieser Zeitraum auf drei Jahre gestreckt werden. Milchbauern könnten somit rote Zahlen aus 2016 also mit Profiten aus dem guten Jahr 2014 verrechnen. Verkaufen sie zur Schuldentilgung Grundstücke, sollen bis zu einer gewissen Höhe keine Steuern anfallen. Das könnte etwas bringen, sei aber „nicht die große Hilfssäule“, sagt Bauernvertreter Wenk.


Werbung für regionale Agrarprodukte

Ein Schlüssel für die Lösung der Agrarkrise ist der Verbraucher selbst - das ist allen Beteiligten klar. Kauft er teurere Milch oder teureres Fleisch aus der Region, kommt das deutschen Landwirten zugute. Daher wollen Behörden ihr Marketing für regionale Agrarprodukte erhöhen. „Das ist durchaus sinnvoll“, sagt Bauernvertreter Wenk. Aber auch er weiß: Deutlich tiefer will kein Verbraucher in die Tasche greifen.

Wie geht es weiter?

Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) lag der Erzeugerpreis für ein Kilo Rohmilch im Juni bei rund 23 Cent, sieben Cent niedriger als ein Jahr zuvor. Die Juli-Zahl wird erst Mitte September bekanntgegeben - es wird erwartet, dass es leicht aufwärts geht. Laut Bauernvertreter sind je nach Region 30 bis 35 Cent nötig zur kostendeckenden Produktion.

So ist nun mal der Markt, argumentieren Molkereien. Der Milchpreis habe schon immer geschwankt. Es gebe Anzeichen, dass es deutlich nach oben gehe, weil sich das Angebot verknappt habe, sagt Milchindustrie-Vertreter Heuser. „Der freie Markt wird das regeln.“ Auch das Bundesagrarministerium sieht „stabilisierende Tendenzen“. Weiter teilt die Behörde mit: „Die Lösung der Milchkrise muss im Markt selbst und durch die Beteiligten gefunden werden.“

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