Millionen gegen Fahrverbote Dobrindt kündigt Diesel-Fonds an

Die Bundesregierung fürchtet die Wut der 15 Millionen Diesel-Fahrer. Mit Blick auf die Bundestagswahl will Verkehrsminister Dobrindt mit den Autokonzernen einen Millionenfonds auflegen, um Fahrverbote zu verhindern.

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Berlin Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket im Wert von einer halben Milliarde Euro will die Bundesregierung drohende Fahrverbote in Städten abwenden und so acht Wochen vor der Bundestagswahl verhindern, dass sie der Zorn von 15 Millionen Dieselfahrern trifft. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt bestätigte am Donnerstag entsprechende Handelsblatt-Informationen. Beim Diesel-Gipfel mit den Vertretern der Industrie werde man über verschiedene Säulen sprechen. Eine davon sei die Umrüstung der Fahrzeuge, um den Schadstoffausstoß zu verringern. Eine andere sei ein Fonds in dreistelliger Millionenhöhe. Aus Regierungskreisen hieß es, dass der Bund und die Automobilhersteller jeweils 250 Millionen Euro einzahlen sollen.

Beim Treffen in der kommenden Woche werden Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und Verkehrsminister Dobrindt mit den großen Automobilherstellern, deren Verbänden, den Ministerpräsidenten der Länder sowie den Kommunalverbänden beraten. Ziel ist es, saubere Luft in Städten zu gewährleisten - ohne Fahrverbote.

Innerhalb der Bundesregierung geht die Sorge um, dass die Preise für gebrauchte Dieselfahrzeuge abstürzen könnten. Denn die dadurch geschädigten Fahrzeugbesitzer sind allesamt Wähler. 15 Millionen Diesel sind auf den Straßen unterwegs, nur 18 Prozent von ihnen erfüllen die höchste Abgasnorm. Die anderen Halter fragen sich, wie viel ihr Auto noch wert ist, ob sie sich noch ein neues Auto kaufen sollen - und wenn ja, mit welchem Antrieb.

Diese besorgten Fragen hört dieser Tage etwa Kirsten Lühmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, in ihren Bürgersprechstunden. „Es kann nicht sein, dass die Menschen vor zwei, drei Jahren einen Diesel gekauft haben unter der Maßgabe, dass er hochmodern und sauber ist, und plötzlich mit Fahrverboten konfrontiert werden“, sagt sie.

Im Wahlkampf sind die Politiker alarmiert. Unter Hochdruck verhandeln die Beamten des Verkehrsministeriums mit der Branche nach der Maxime „Dieselfahrverbote vermeiden“. „Im Gespräch ist ein Fonds über eine halbe Milliarde Euro“, hieß es bestätigend in Regierungskreisen. Offiziell ist „von einer dreistelligen Millionensumme“ die Rede. Das Geld sollen Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern abrufen können. In den Genuss kämen damit die 79 Großstädte. Wie es hieß, soll mit dem Geld auch die Umrüstung und der Kauf von Bussen und anderen kommunalen Fahrzeugen wie die der Müllabfuhr gefördert werden. Auch emissionsmindernde Maßnahmen wie eine effektive Verkehrssteuerung werden unterstützt.

Offen ist, ob Geld aus dem Verkehrsetat einfach für andere Zwecke kurzfristig umgeschichtet werden kann. Beratungen mit dem Finanzministerium liefen, hieß es. Unklar war auch, wie stark sich die Industrie beteiligt. Bestätigt wurde in der Branche, dass eine hälftige Aufteilung der Fondsmittel zwischen Bund und Industrie „im Gespräch“ sei.

Fest stehe, dass die Industrie die Umrüstung der Diesel-Pkws allein bezahlen werde. Dies solle mit einem Software-Update geschehen, um so eine Minderung der Emissionen von rund zehn Prozent zu erreichen. Auf einen ähnlichen Wert würde auch ein Fahrverbot, etwa in Stuttgart, kommen. So manchem in der Branche reicht das als Entgegenkommen, zumal der Bund die Voraussetzungen für die Genehmigung der Maßnahmen schaffen müsse. „Die Verhandlungsposition ist mit den Kartellvorwürfen aber nicht besser geworden“, hieß es.

Der Städte- und Gemeindebund fordert eine Verkehrswende. So müssten Politik und die Autoindustrie den Transformationsprozess zur Elektromobilität schneller vorantreiben. „Zur Verkehrswende gehören auch der Ausbau des Personennahverkehrs, die Stärkung der Fahrradinfrastruktur und möglichst viele Anreize, um den Individualverkehr in den Innenstädten zu reduzieren“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

Der Druck aber wächst. So hat nach Frankreich nun auch Großbritannien angekündigt, ab 2040 den Verkauf von Verbrennungsmotoren zu verbieten. Dies fordern in Deutschland auch die Grünen, allerdings bereits ab 2030. Die Umweltorganisation Greenpeace geht noch einen Schritt weiter, nennt 2025 als Ausstiegsdatum und fordert in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu ein Gesetz. „Nur ein solcher Beschluss gibt der Autoindustrie den für ihr Überleben dringend nötigen Innovationsimpuls“, schreibt Geschäftsführer Roland Hipp.

Auf dem Gipfel stünden „Wiederbelebungsversuche einer sterbenden Antriebstechnik“ im Mittelpunkt. Das sei ein sehr großer Fehler.

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