
Um zu verstehen, welches Problem Konrad Linkenheil mit dem hat, was er Plan A nennt, sollte man seinen Plan B sehen. Aber bevor man diesen Plan B in Augenschein nehmen kann, muss man zu ihm in den Mercedes-Geländewagen steigen und schnallt sich besser an. Der Wagen röhrt und ruckelt durch den Brandenburger Schlamm, er holpert über Baumwurzeln und knallt in die Senken des kurvigen Waldwegs. Dann kommt eine Kreuzung, endlich wieder Asphalt, Linkenheil biegt links ab und dann sofort wieder scharf links, jagt durch ein offenes Zaungatter, wieder holpern, wieder ruckeln, bevor er sehr abrupt auf eine deutsche Qualitätsbremse tritt, die ohne Verzögerung ihren Dienst versieht.
„Dat“, sagt Linkenheil und zeigt durch die Windschutzscheibe, „dat is’ mein Plan B.“
Ah ja. Ein weites Feld, dessen Bepflanzung ein Nichtbauer wohl als grünlich-rostrotes Gestrüpp bezeichnen würde, als kniehohes Agrar-Irgendwas. „Stachelbeeren“, erklärt Linkenheil mit einem grimmigen Lächeln. „Gerade geerntet. Mit der Maschine. Da brauchen Se keine Leute mehr für.“





Das ist der große Vorteil gegenüber Linkenheils Plan A: der Spreewaldgurke. Die Gurke ist für ihn – Inhaber der Spreewaldkonserve Golßen GmbH am Nordrand des Spreewaldes – das Renommeeprodukt, das Kerngeschäft. Er produziert und verarbeitet auch anderes Gemüse und Obst, Äpfel, Kirschen oder Kraut. Aber: Der Schwarzwald hat seinen Schinken, die Lübecker haben ihr Marzipan, Nürnberg steht für Rostbratwürstchen. Und der Spreewald? Eben. Die Gurken-Tradition ist das Pfund, mit dem er wuchert. Jetzt ist sie auch sein Problem.
Das Gemüse, das Linkenheil jedes Jahr zu Tausenden Tonnen verarbeitet, muss ausschließlich auf den Brandenburger Böden gewachsen sein. Nur dann erhält es das begehrte EU-Siegel, das die geprüfte Herkunft dieser Spezialität beweist. Um dieses Siegel auf seine Gurkengläser kleben zu dürfen, hat Linkenheil vor Jahren eine stattliche sechsstellige Summe allein für Anwälte bezahlt. Er dachte, der Trend zum regionalen Anbau von Lebensmitteln, bei denen alles nachhaltig sein soll, würde ihm in die Hände spielen. Er dachte, diese Investition würde sich bald auszahlen.
Hier spüren Verbraucher den Mindestlohn
Das Friseurhandwerk gilt als klassische Niedriglohnbranche. Über einen Branchentarifvertrag gibt es hier schon seit mehr als einem Jahr einen Mindestlohn, der zum 1. August 2015 auf 8,50 Euro steigt.
Zum 1. August 2013 hatten sich Handwerk und die Gewerkschaft Verdi auf eine bundesweite Lohnuntergrenze geeinigt, die nun schrittweise steigt. Vor allen in Großstädten machen sich Friseure große Konkurrenz. Stundenlöhne um vier Euro waren in früheren Zeiten nicht ausgeschlossen. Deutliche Preissteigerungen gab es schon und wird es nach Ansicht der Branche vor allem dort geben, wo die Löhne bisher nicht stimmten.
Auch hier werden Kunden bald tiefer in die Tasche greifen müssen. Bisher zahlt die Branche nach Schätzungen des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands rund 6,50 Euro pro Stunde. Der Lohn ist dabei oft am Umsatz orientiert. Die Tarife werden von den Kommunen festgelegt.
An ihre Adresse gibt es bereits viele Anträge auf Preiserhöhungen, im Schnitt von 20 bis 25 Prozent. Die Branche rechnet aber auch damit, dass Unternehmen die Anzahl ihrer Wagen reduzieren und Stellen streichen könnten. Branchenkenner halten Tricksereien für möglich, um den Mindestlohn zu umgehen. In jedem Fall steht die Branche vor großen Umstrukturierungen.
Viele Obst- und Gemüsebauern gehen davon aus, dass ihre Preise steigen, zum Beispiel für Erdbeeren, Spargel, Sauerkirschen und Äpfel. Denn der Mindestlohn gilt auch für Erntehelfer - allerdings noch nicht sofort.
Für Saisonarbeiter in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau soll der Stundenlohn hier schrittweise ab 2015 von 7,40 im Westen und 7,20 im Osten auf einheitliche 9,10 Euro im Jahr 2017 steigen. Viele Landwirte sehen das als Wettbewerbsnachteil in der EU. In anderen Staaten gebe es zwar auch Mindestlöhne, aber sie lägen deutlich niedriger.
Einen Mindestlohn in der Pflegebranche gibt es bereits seit Mitte 2010. Zurzeit liegt er im Westen bei 9 und im Osten bei 8 Euro. Ab Januar 2015 sind es dann 9,40 Euro und 8,65 Euro. Das gilt für Betriebe - vom Pflegeheim bis zu ambulanten Diensten. In zwei Schritten soll der Mindestlohn bis Januar 2017 auf 10,20 Euro pro Stunde im Westen und 9,50 Euro im Osten steigen. Ab 1. Oktober 2015 solle der Pflegemindestlohn neu auch für Betreuungs- und Assistenzkräfte in Heimen gelten.
Privathaushalte, die eine Pflegekraft beschäftigen, sollen ab Januar den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen. Der Arbeitgeberverband Pflege geht davon aus, dass Pflege damit teurer wird - allerdings nicht sofort und auch nicht in riesigen Sprüngen. Denn bereits jetzt verdiene die Mehrzahl der Pflegehilfskräfte mehr als den Mindestlohn, sagte Sprecher Steffen Ritter. Auch stiegen die Beiträge zur Pflegeversicherung in den kommenden Jahren um rund einen Prozentpunkt an und federten die Lohnsteigerungen ein wenig ab.
Bis die 8,50 Euro kamen. „Die“, sagt er, „sind der Anfang vom Ende der Spreewaldgurke.“ Weil die Gurken im Gegensatz zu Stachelbeeren von Hand gepflückt werden müssen, wird Plan A immer teurer. Weil es die große Koalition in der Hauptstadt eben so wollte. „Mehr als 20 Jahre Aufbau werden kaputt gemacht“, sagt der Unternehmer, „eine Schweinerei.“
1991 kaufte Linkenheil, damals gerade Mitte 20 und Erbe einer Mönchengladbacher Obst- und Gemüsefirma, einen volkseigenen Betrieb von der Treuhand. Er bekam ihn nicht geschenkt, sondern kaufte ihn für mehrere Millionen D-Mark, darauf legt er Wert. Als er danach das erste Mal durch die maroden VEB-Hallen lief, trafen ihn misstrauische Blicke. Aber er, der Wessi, hatte wider Erwarten keine Krawatte an, und die Maschine, die gerade kaputt war, kannte der neue Chef zufällig auch. Er half sofort beim Reparieren. Danach schauten sie ihn anders an. „Damals habe ich zu meiner Frau gesagt: Ich brauche drei Jahre, um den Laden hier flottzumachen, dann komme ich zurück.“ Er lacht. „Da habe ich mich wohl vertan.“