Mindestlohn 8,50 Euro machen der Gurke den Garaus

Das Ende der traditionsreichen Spreewaldgurke ist besiegelt – und schuld daran ist der Mindestlohn. Sagt Konrad Linkenheil. Zu Besuch bei einem, der Politik am eigenen Betrieb erleben muss.

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Konrad Linkenheil Quelle: Götz Schleser für WirtschaftsWoche

Um zu verstehen, welches Problem Konrad Linkenheil mit dem hat, was er Plan A nennt, sollte man seinen Plan B sehen. Aber bevor man diesen Plan B in Augenschein nehmen kann, muss man zu ihm in den Mercedes-Geländewagen steigen und schnallt sich besser an. Der Wagen röhrt und ruckelt durch den Brandenburger Schlamm, er holpert über Baumwurzeln und knallt in die Senken des kurvigen Waldwegs. Dann kommt eine Kreuzung, endlich wieder Asphalt, Linkenheil biegt links ab und dann sofort wieder scharf links, jagt durch ein offenes Zaungatter, wieder holpern, wieder ruckeln, bevor er sehr abrupt auf eine deutsche Qualitätsbremse tritt, die ohne Verzögerung ihren Dienst versieht.

„Dat“, sagt Linkenheil und zeigt durch die Windschutzscheibe, „dat is’ mein Plan B.“

Ah ja. Ein weites Feld, dessen Bepflanzung ein Nichtbauer wohl als grünlich-rostrotes Gestrüpp bezeichnen würde, als kniehohes Agrar-Irgendwas. „Stachelbeeren“, erklärt Linkenheil mit einem grimmigen Lächeln. „Gerade geerntet. Mit der Maschine. Da brauchen Se keine Leute mehr für.“

Der Mindestlohn schlägt zu – aber nicht überall
8,50 Euro stehen als große Aufsteller vor dem Bundeskanzleramt Quelle: dpa
Jemand trägt einen Tannenbaum Quelle: dpa
Ein Mann steht auf einer Leiter, die an einen Stapel aus Baumstämmen angelehnt ist Quelle: AP
Eine Frau trägt ein Tablett mit verschiedenen Biersorten Quelle: dpa
Ein großes Glas Bier im Vordergrund im Hintergrund der Berliner Fernsehturm "Alex" Quelle: dpa
Lastwagen eines Umzugsunternehmens vor der neuen Zentrale der EZB Quelle: dpa
Eine Friseurin frisiert eine Kundin Quelle: dpa

Das ist der große Vorteil gegenüber Linkenheils Plan A: der Spreewaldgurke. Die Gurke ist für ihn – Inhaber der Spreewaldkonserve Golßen GmbH am Nordrand des Spreewaldes – das Renommeeprodukt, das Kerngeschäft. Er produziert und verarbeitet auch anderes Gemüse und Obst, Äpfel, Kirschen oder Kraut. Aber: Der Schwarzwald hat seinen Schinken, die Lübecker haben ihr Marzipan, Nürnberg steht für Rostbratwürstchen. Und der Spreewald? Eben. Die Gurken-Tradition ist das Pfund, mit dem er wuchert. Jetzt ist sie auch sein Problem.

Das Gemüse, das Linkenheil jedes Jahr zu Tausenden Tonnen verarbeitet, muss ausschließlich auf den Brandenburger Böden gewachsen sein. Nur dann erhält es das begehrte EU-Siegel, das die geprüfte Herkunft dieser Spezialität beweist. Um dieses Siegel auf seine Gurkengläser kleben zu dürfen, hat Linkenheil vor Jahren eine stattliche sechsstellige Summe allein für Anwälte bezahlt. Er dachte, der Trend zum regionalen Anbau von Lebensmitteln, bei denen alles nachhaltig sein soll, würde ihm in die Hände spielen. Er dachte, diese Investition würde sich bald auszahlen.

Hier spüren Verbraucher den Mindestlohn

Bis die 8,50 Euro kamen. „Die“, sagt er, „sind der Anfang vom Ende der Spreewaldgurke.“ Weil die Gurken im Gegensatz zu Stachelbeeren von Hand gepflückt werden müssen, wird Plan A immer teurer. Weil es die große Koalition in der Hauptstadt eben so wollte. „Mehr als 20 Jahre Aufbau werden kaputt gemacht“, sagt der Unternehmer, „eine Schweinerei.“

1991 kaufte Linkenheil, damals gerade Mitte 20 und Erbe einer Mönchengladbacher Obst- und Gemüsefirma, einen volkseigenen Betrieb von der Treuhand. Er bekam ihn nicht geschenkt, sondern kaufte ihn für mehrere Millionen D-Mark, darauf legt er Wert. Als er danach das erste Mal durch die maroden VEB-Hallen lief, trafen ihn misstrauische Blicke. Aber er, der Wessi, hatte wider Erwarten keine Krawatte an, und die Maschine, die gerade kaputt war, kannte der neue Chef zufällig auch. Er half sofort beim Reparieren. Danach schauten sie ihn anders an. „Damals habe ich zu meiner Frau gesagt: Ich brauche drei Jahre, um den Laden hier flottzumachen, dann komme ich zurück.“ Er lacht. „Da habe ich mich wohl vertan.“

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