Mindestlohn Keine Tricks bei Nachtzuschlägen

Das Bundesarbeitsgericht hat sein viertes Grundsatzurteil zum Mindestlohn gefällt. Der muss auch bei der Berechnung von Nachtzuschlägen zugrunde gelegt werden. Vor allem Schichtarbeiter können auf mehr Geld hoffen.

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Für Nachtzuschläge und für die Entgeltfortzahlung an Feiertagen hat der Mindestlohn als Basis zu gelten. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden. Quelle: ZB

Berlin Für die Klägerin ging es um eine vergleichsweise bescheidene Nachzahlung von rund 30 Euro im Jahr. Und doch ist das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Mittwoch vor allem für Schichtarbeiter bedeutsamer, als es angesichts des geringen Streitwerts scheinen mag. Sorgt der Richterspruch doch für mehr Rechtsklarheit bei der Anwendung des 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohns.

Der Zehnte Senat des höchsten deutschen Arbeitsgerichts hat entschieden, dass der Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro pro Stunde auch Grundlage bei der Berechnung für Nachtzuschläge oder die Entgeltfortzahlung an Feiertagen sein muss. Außerdem stellten die Erfurter Richter klar, dass Urlaubsgeld nicht in jedem Fall auf die gesetzliche Lohnuntergrenze angerechnet werden darf.

Geklagt hatte eine Montagemitarbeiterin, die seit 1990 bei einer kleinen Bautzener Kunststofffirma mit 80 Beschäftigten arbeitet. Ihr Arbeitgeber zahlte ihr zwar nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes für Januar 2015 eine Zulage, um den vertraglich vereinbarten Stundenverdienst von sieben Euro auf die damals fälligen 8,50 Euro pro Stunde aufzustocken. Die tariflich zugesicherten 25 Prozent Nachtzuschlag für fünf Stunden wie auch das Entgelt für einen Urlaubs- und einen Feiertag  berechnete das Unternehmen aber weiter auf Basis des niedrigeren vertraglichen Stundenverdienstes.

Dies sei nicht rechtens gewesen, urteilte nun das Bundesarbeitsgericht und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen. Sowohl die Entgeltfortzahlung an Feiertagen als auch Zuschläge für Nachtarbeit seien nach dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen, wenn nicht ein Tarifvertrag eine noch höhere Bezahlung vorsehe.

Es ist das mittlerweile vierte Grundsatzurteil zum Mindestlohngesetz von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Das Bundesarbeitsgericht hat bereits entschieden, wann Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf die Mindestvergütung angerechnet werden dürfen. Außerdem haben die Erfurter Richter klargestellt, dass Beschäftigte auch im Bereitschaftsdienst oder bei Krankheit auf den Mindestlohn pochen können.

Von dem aktuellen Urteil können vor allem Schichtarbeiter profitieren. Ihnen steht laut Gesetz ein angemessener Nachtarbeitszuschlag zu, der laut Rechtsprechung nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden darf. Die Gewerkschaften werfen einzelnen Arbeitgebern weiter vor, Beschäftigte um den Mindestlohn zu prellen, indem Sonderzahlungen unzulässig angerechnet werden. So hatten etwa Angestellte eines Kinobetreibers in der Anfangszeit nach Einführung der Lohnuntergrenze Kinogutscheine bekommen, mit denen die Differenz zwischen vertraglichem und gesetzlichem Stundenentgelt ausgeglichen werden sollten.

Die Anrechnung von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld ist zwar rechtens, aber nur, wenn sie als Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen vorbehaltlos gezahlt werden. Dies war im Fall der Klägerin aus Sachsen allerdings nicht der Fall. Vielmehr leitete sich ihr Anspruch auf Urlaubsgeld aus dem Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie aus dem Jahr 2004 ab, es handelte sich also nicht um Entgelt für geleistete Arbeit. Deshalb durfte der Arbeitgeber die Sonderzahlung in diesem Fall auch nicht mit dem Mindestlohn verrechnen, entschied das Bundesarbeitsgericht.  

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