Ministerpräsident im Interview Oettinger: "Ein kurzer, harter Wahlkampf"

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Bei der angeschlagenen Hypo Real Estate Bank (HRE) denkt die Bundesregierung sogar an eine Verstaatlichung. Kann die Union als Sachwalterin der Marktwirtschaft das mittragen?

Ich halte eine Enteignung für bedenklich. Der bessere Weg ist ein Einstieg des Staates über eine Kapitalerhöhung, und zwar im Einvernehmen mit den bisherigen Aktionären.

Und wenn die Alteigentümer sich weigern?

Die Frage ist doch, ob die HRE um jeden Preis erhalten werden muss.

Muss sie das?

Davon bin ich nicht überzeugt. Möglich wäre auch, dass die HRE in ein Insolvenzverfahren käme. Dann wären zwar alle beteiligten Banken zu Wertberichtigungen gezwungen. Aber den in Deutschland betroffenen Banken könnten wir dann zielgenauer und möglicherweise auch kostengünstiger helfen als durch eine in ihrer rechtlichen Dimension und finanziellen Auswirkung nicht überschaubare Verstaatlichung dieser Bank. Ich erwarte zumindest, dass die Bundesregierung diese Alternative prüft. Mir wird in Berlin etwas zu schnell davon gesprochen, dass diese Bank und ihr wirtschaftlicher Erhalt zwingend notwendig seien.

Trotz 480 Milliarden Euro für den Bankenrettungsschirm ächzt die Realwirtschaft über die Kreditklemme. Was kann die Politik tun?

Die operative Tätigkeit der Banken können wir nur wiederherstellen, wenn die vergifteten Bankenbeteiligungen nicht weiter die Eigenkapitalbasis verringern. Deshalb bin ich für eine Abwicklungsbank...

...Sie meinen eine Bad Bank?

Ich rede nicht von einer staatlichen Bank, bei der die Banken alles abladen können, was stinkt. Vielmehr sollte eine solche Bank die vergifteten Produkte aufnehmen, verwalten und anfallende Wertberichtigungen oder Verluste dann an die Banken zurückreichen, wenn die akute Krise vorüber ist und die Banken das besser verkraften können. So können wir verhindern, dass Buchverluste zum jetzigen ungünstigsten Zeitpunkt entstehen.

Wie schlimm ist die Wirtschaftskrise im industrie- und exportlastigen Baden-Württemberg?

In normalen Zeiten ist unsere Exportstärke ein Vorteil. Sie macht uns unabhängig von Schwankungen der Binnenkonjunktur. Derzeit haben wir den bislang einzigartigen Fall einer globalen Krise, und das ist nun ein Nachteil. Das Gute dabei ist, wir fertigen vor allem Investitionsgüter. In der Krise mögen viele Unternehmen auf neue Pressen oder Druckmaschinen verzichten, aber irgendwann später müssen sie diese Investitionen nachholen. Unsere Wirtschaft muss also 12 bis 18 Monate überstehen, kräftig in Forschung und Entwicklung investieren und ist deshalb auch auf funktionierende Banken angewiesen. Ab September dieses Jahres rechne ich aber mit ersten Impulsen, und im zweiten oder dritten Quartal 2010 werden wir wieder ein richtiges Wirtschaftswachstum erleben.

In Ihrem Bundesland verfügen Sie über große ökonomische Kompetenz. Warum bringen Sie sich nicht stärker in die Bundespolitik ein?

Das tue ich, aber mir geht es nicht darum, bundesweit Schlagzeilen zu machen. Ich nehme alle Möglichkeiten in den Gremien wahr – im Bundesrat, im Präsidium und im Bundesvorstand meiner Partei bin ich präsent und auch für einen marktwirtschaftlichen Kurs bekannt. Grundlage ist eine gute Debattenkultur im Inneren und Geschlossenheit nach Außen.

Spielen Sie auf Horst Seehofer an, der die Union kräftig aufmischt und vor Konflikten mit Bundeskanzlerin Merkel nicht zurückschreckt?

Horst Seehofer hat zumindest das Gesicht der CSU auf Bundesebene sichtbarer gemacht. Ich halte Streit im Übrigen für unschädlich und vorteilhaft, wenn er begrenzt ist und zu positiven Ergebnissen führt. Eine bürgerliche Partei muss schließlich Geschlossenheit wahren. Und Seehofer schafft die Balance sehr gut.

Die Föderalismus-Kommission hat einen Durchbruch bei der Schuldenbremse für Bund und Länder erzielt. Kann keiner mehr querschießen?

Ganz sicher kann ich noch nicht sein. Die parlamentarischen Beratungen werden noch bis Juni dauern. Hilfreich bei den Verhandlungen ist jedoch – und das mag seltsam klingen – die Wirtschafts- und Finanzkrise. Wir erleben 2009 und 2010 Neuverschuldungsrekorde, die sich auf bis zu 100 Milliarden Euro summieren. Das führt allen Beteiligten die Dramatik und die Notwendigkeit einer Schuldenbremse vor Augen.

Hans Eichel wollte 2006 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt, Peer Steinbrück 2011, und nun peilen Sie für 2020 einen ausgeglichenen öffentlichen Haushalt an. Warum soll es beim nächsten Mal endlich klappen?

Weil wir die Verschuldungsregeln im Grundgesetz verschärfen. Weil wir die Finanzhilfen für ärmere Bundesländer an Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung knüpfen. Und weil die Bürger sensibler auf neue Schulden reagieren werden.

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