Ministerpräsidenten Zahnloser Rettungsplan für den Diesel

Fünf Bundesländer, ein Ziel: Der Diesel soll noch lange leben. Fünf Ministerpräsidenten erklären Wege aus der Krise des Verbrennermotors. Doch das Positionspapier enthält viel Luft und wenig Konkretes.

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Winfried Kretschmann betrachtet einen Dieselmotor. Quelle: dpa

Der Ort für die spontan anberaumte Mini-Pressekonferenz war der gerade laufenden Bundesratssitzung geschuldet. In der „Wandelhalle“ der Länderkammer trafen sich am Freitagmorgen Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und drei seiner Länderchef-Kollegen, um die Ergebnisse der „Runde der Autoländer zur Zukunft der Automobilwirtschaft“ zu präsentieren. Die Industrie befinde sich in einem „Transformationsprozess“, heißt es in einem gemeinsamen Positionspapier der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen. Doch das Quintett wolle nicht bedächtig umhergehen, wie das der Ort der PK vermuten lässt, sondern  „sämtliche Dimensionen des Wandels“ aktiv voran treiben.

Doch das Treffen der Länderchefs kommt kaum über Floskeln hinaus. Das erkennt man schon an dem Auftritt an sich: Weder Kretschmann noch Horst Seehofer, Armin Laschet oder Volker Bouffier (Stephan Weil war schon wieder auf dem Weg nach Hannover) wollten oder konnten irgendeine Forderung konkretisieren. Sie sprachen von „großen Herausforderungen bei der Infrastruktur“ (Kretschmann), „klaren Rahmenbedingungen“ (Seehofer), „Flottenumstellungen bei Taxis“ (Bouffier) und „politischen Antworten“ (Laschet), um die Elektromobilität und autonomes Fahren in Gang zu bekommen und der herkömmlichen Verbrennertechnologie zu helfen. Doch beim Wie und Wann blieben sie im Ungefähren.

Herausforderungen, Aktivitäten, Offensive

Das gilt auch für das vierseitige Papier an sich, was die Ländervertreter verteilten. Es listet „gemeinsame Aktivitäten“ auf, um „unsere Automobilindustrie und -wirtschaft“ in dem Prozess der Transformation „zu unterstützen und zu begleiten“, heißt es vielversprechend. Doch dann schmiert der Inhalt erneut ins Abstrakte ab. Man wolle „länderübergreifende Projekte initiieren“. Es ist die Rede von einer „Ladeinfrastruktur-Offensive“, „Testfelder für neue Mobilitätsanwendungen“, „Maßnahmen zur besseren Verknüpfung der Verkehrsträger untereinander“ und der „Bündelung von Mobilitäs-App“. Es wirkt wie eilig zusammengeschustert. Die Länder trafen sich auf Initiative des grünen Ministerpräsidenten Kretschmann aus Stuttgart.

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Hanebüchener ist dann auch noch der Versuch, den Bund mit Maßnahmen vor sich herzutreiben. Unter dem Kapitel „Einladung an den Bund“ fordern die fünf etwa Länder mehr Geld für den Nahverkehr. Doch schon heute schüttet der Bund so viel Geld an Regionalisierungsmitteln zur Bestellung des Nahverkehrs an die Länder aus wie nie zuvor. Und der Bau von neuen Gleisen und Haltestellen ist schon heute mit Bundesmitteln finanzierbar.

Bundesregierung ist weiter als Länderchefs

Hinzu kommt, dass der Bund schon viele Aspekte umsetzt, die die Länderchefs jetzt auf ihre Agenda setzen. Sie fordern etwa eine Gigafabrik für die Batteriezellenproduktion, indem Berlin die Fertigung von Batteriezellen „als Industrieprojekt von gemeinsamen europäischen Interesse“ einstuft. Doch daran arbeitet das Bundeswirtschaftsministerium seit Monaten. Es fehlen aber die Unternehmen, die bereit wären, zu investieren.

Man fordere auch die „Schaffung von sicheren Rechtsgrundlagen für das automatisierte und autonome Fahren“. Doch gerade erst hat eine Ethikkommission im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums Richtlinien für das autonome Fahren heraus gearbeitet. Kein Land ist weiter als Deutschland. Das ändern auch fünf Herren in dunklen Anzügen nicht, die eine Rechtsoffensive in der Wandelhalle des Bundesrats fordern.

Schließlich wolle das Quintett auch den Wandel zur nachhaltigen Mobilität voran treiben, etwa durch „Förderung des Einsatzes synthetischer Kraftstoffe“. Das Bundesforschungsministerium hat das Thema längst auf ihre Agenda gesetzt und fördert die Wissenschaft mit Millionenbeträgen.

Kreative Idee für E-Autoprämie

Natürlich geht immer noch mehr. Fahrverbote will keiner. Und so wiederholt Kretschmann im Namen aller die Forderung der Politik, dass die Stickoxidwerte der Pkw-Flotten „durch kostenfreie Nachrüstungen für Kunden von Diesel-Pkw durch Kostenübernahme durch die Automobilindustrie und durch Anreize für den Kauf" neuster Dieselmotoren rasch verbessert werden sollten. Doch das hatten die Autounternehmen indirekt im Prinzip schon längst zugesagt. Es wird Thema beim Nationalen Diesel Forum am 2. August sein. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sogar weitere Ideen für das Treffen geplant. So plant er einen Fonds, der Maßnahmen zur Verbesserung der Luft in Städten finanzieren soll.

In einem Punkt ist die Initiative der Länder allerdings konkret und sehr mutig. Und hier sollte der Bürger wachsam sein, denn am Ende könnte es ihn sein Geld kosten.

Der Bund fördert derzeit den Kauf von Elektroautos mit rund vier Milliarden Euro - und darauf haben es die Länder abgesehen. Denn die Verkaufszahlen für Stromer sind weiterhin enttäuschend. Die Länder denken nun darüber nach, die Umweltprämie den Kommunen zu „öffnen“. Das wäre kreativ: Geld, das für den privaten Autokäufer gedacht ist, einfach in staatliche Bahnen umlenken. „Nachsteuerung“, nennt es das Positionspapier.

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