Ministerwechsel Gröhe übernimmt das Arbeitsministerium

Wenn Noch-Arbeitsministerin Andrea Nahles am Mittwoch zur Vorsitzenden der SPD-Fraktion gewählt wird, übernimmt der Gesundheitsminister ihren alten Job. Ein Hinweis auf die Aufgabenverteilung der künftigen Regierung?

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Vorgeschriebene Vertretungslösung. Quelle: Reuters

Im politischen Berlin sorgte die Meldung nur kurz für Aufregung. Bundesgesundheitsminister Hermann  Gröhe wird im Nebenjob auch Chef des weit größeren Bundesarbeitsministeriums, sollte die noch amtierende Arbeitsministerin Andrea Nahles am Mittwoch wie von SPD-Chef Martin Schulz vorgeschlagen zur neuen Fraktionsvorsitzenden der SPD gewählt werden. Dass das passiert, gilt inzwischen als sicher. Auch der amtierende Fraktionschef Thomas Oppermann befürwortet das. „Ich war der richtige für diesen Posten als die SPD in der Regierung war“, sagte Oppermann über seinen bisherigen Job. Nun gehe es um die Führung der Fraktion in Zeiten der Opposition. Hier sei Andrea Nahles die richtige Wahl erklärte Oppermann.

Gröhes vermeintlicher Machtzuwachs kurz vor dem Regierungswechsel ist im Vergleich zu dieser bedeutenden SPD-Personalie nur eine Formalie. Die Geschäftsordnung des Bundestags sieht es schlicht so vor. „Ist ein Bundesminister verhindert, so wird er in der Regierung durch den dazu bestimmten Bundesminister vertreten“, heißt es dort in §14. Auch welcher Minister welchen bei Abwesenheit vertreten muss, ist eindeutig geregelt. Würde etwa statt Andrea Nahles am Mittwoch der amtierende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel zum SPD-Fraktionschef gewählt, dann müsste die Bundesministerin der Verteidigung Ursula von der Leyen (CDU) seinen Job kommissarisch zusätzlich zum eigenen Ministerinnenamt übernehmen.

Mehr Macht bedeutet das zusätzliche Amt für Hermann Gröhe auch nicht. Denn nach der Geschäftsordnung vertritt er Andrea Nahles lediglich innerhalb der Bundesregierung, also insbesondere bei Kabinettssitzungen. Was das übrige operative Geschäft des Arbeits- und Sozialministeriums angeht, übernehmen die Staatssekretäre die bisher von Nahles erfüllten Aufgaben. Zu entscheiden sein wird aber in den nächsten Wochen ohnehin eher wenig.

So sind mit der Bundestagswahl alle Gesetzesvorhaben der amtierenden Bundesregierung der „Diskontinuität“ an Heim gefallen. Das bedeutet: Wenn sie beschlossen werden sollen, müssten sie erst wieder neu in den Bundestag eingebracht werden. Bis die neue Regierung vereidigt ist, wird Deutschland eben nur verwaltet. „Schon gar nicht handelt es sich bei Gröhes Ämterzuwachs um ein Präjudiz für die künftige Aufgabenverteilung in einer neuen Bundesregierung“, wird im Bundesgesundheitsministerium betont.

Bislang ist in der Tat nicht einmal klar, welche Partei in Zukunft Sozial- oder Gesundheitsministerium übernimmt. Dass der alte mit Hermann Gröhe auch der neue Gesundheitsminister sein wird, ist nach den Erfahrungen mit früheren kleinen Koalitionen sogar eher unwahrscheinlich. So übernahmen in der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder von 1998 bis 2002 die Grünen das Ministerium. Bei der schwarz-gelben Koalition 2009 bis 2013 führte die FDP gleich mit zwei Ministern den als schwierig geltenden Aufgabenbereich.

Grüne und FDP haben allerdings mit dem Amt bisher vor allem schlechte Erfahrungen gemacht. Die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer musste seinerzeit wegen der BSE-Krise zurücktreten. Zuvor hatten ihr die unionsgeführten Bundesländer eine großangelegte Gesundheitsreform 2000 zu großen Teilen zertrümmert. FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler wechselte bald nach Amtsantritt ins Bundeswirtschaftsministerium. Sein Nachfolger Daniel Bahr konnte vor allem seine pflegepolitischen Projekte nur zum Teil gegen den harten Widerstand der Union durchbringen.

Immerhin schaffte er die Praxisgebühr ab und schuf mit dem „Pflegebahr“ die erste staatlich geförderte private Pflegezusatzversicherung,. Sie floppte allerdings. Bis Ende 2016 hatten nur 750.000 Bürger eine solche Versicherung abgeschlossen. Zum Vergleich: 2,7 Millionen hatten eine nicht geförderte Zusatzversicherung. Alle drei machten die Erfahrung, dass Erfolge in der Gesundheitspolitik nur mit einem großen eigenen Hausmacht zu erreichen sind, über die kleinere Koalitionspartner nun einmal nicht verfügen. Die Neigung von FDP und Grünen, dass Ministerium nun erstmals in einer Jamaika-Koalition wieder zu übernehmen, dürfte daher nicht sehr ausgeprägt sein.

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