„Mir bricht das Herz“ Merkel warnt vor dritter Welle

Angela Merkel nach der Pressekonferenz: Ihre Warnung vor der Corona-Mutation war eindringlich. Quelle: AP

Kanzlerin Angela Merkel warnt angesichts des mutierten Virus vor zu schnellen Lockerungen. Bei sinkenden Infektionszahlen sollen zuerst Kitas und Schulen öffnen, danach erst Geschäfte.

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Es ist diese Ungeduld, die Angela Merkel so auf die Nerven geht. Kaum sinken die Infektionszahlen, wird bereits wieder über Lockerungen gesprochen, allen voran im Kreis der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Dabei ist die Lage weiterhin sehr gefährlich und das möchte die Bundeskanzlerin ihren Mitbürgern jetzt noch einmal eindringlich nahebringen.

Kurzentschlossen hat sie sich deshalb am Donnerstagmorgen in der Bundespressekonferenz angekündigt, keine 48 Stunden nach dem Coronagipfel im Kanzleramt. Das ist ungewöhnlich, aber hier im Saal der Hauptstadtpresse gehört ihr die Bühne alleine, hier muss sie sich nicht mit den Länderchefs arrangieren.

Merkels wichtigste Botschaft an diesem Tag: Wir brauchen Geduld und Wachsamkeit im Kampf gegen die Pandemie. „Unseren Bemühungen droht eine Gefahr und wir dürfen nicht warten, bis die Gefahr auch bei uns greifbar wird“.

Derzeit biete sich ein gespaltenes Bild, sagt so die Kanzlerin. Auf der einen Seite gehe die Zahl der Neuinfektionen zurück und auch die Auslastung der Intensivstationen in den Krankenhäusern nehme ab. „Die Lage entspannt sich und das zeigt, dass die Mühe sich lohnt“, unterstreicht Merkel. Andererseits gibt es noch „erschreckend hohe Todeszahlen, heute allein über tausend Menschen“, viele davon in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen. Und dann kommt ein sehr emotionaler Satz für die sonst so nüchterne Krisenmanagerin Merkel. „Mir bricht das Herz, wenn ich sehe wie viele Menschen dort in Einsamkeit sterben“.

Mutation ist die größte Gefahr

Dass die Gefahr weiterhin lauert, liegt vor allem an der Mutation des Covid-19-Virus. Vor diesem Hintergrund hätten Bund und Länder am Dienstag die Verlängerung des Lockdowns und die Verschärfung der Maßnahmen beschlossen. „Bei der Gefahr der Mutation sehen wir jetzt viel klarer als noch Beginn des Jahres“, sagt Merkel. Das mutierte Virus sei „wesentlich ansteckender“ und verantwortlich für die explosiv gestiegenen Infektionszahlen in Irland und Großbritannien. Natürlich sei das Virus inzwischen auch in Deutschland angekommen. Wenn aber die Eindämmung nicht gelinge, drohe „eine dritte Welle“ mit möglicherweise noch höheren Infektionszahlen, warnt Merkel.

Darüber will die Kanzlerin an diesem Donnerstagabend auch mit den EU-Staats- und Regierungschefs sprechen. Ziel sei eine möglichst abgestimmte Vorgehensweise in Europa, sagte Merkel. Das verlange jedoch Vernunft auf allen Seiten. Wenn einzelne Länder keine oder nur zu geringe Maßnahmen gegen das Virus ergreifen würden, seien Kontrolle an den Grenzen bis hin zu deren Schließung nicht ausgeschlossen. Die Kanzlerin zielt damit vor allem auf Tschechien. Das Land weist hohe Inzidenzwerte auf, ergreift aber deutlich geringere Maßnahmen, weshalb Merkel mit dem Regierungschef in Prag schon zweimal telefoniert hatte.



Merkel kündigte an, dass trotz der aktuellen Gefahren bereits an einer Exitstrategie gearbeitet werde. Sollten sich die Infektionszahlen bessern, könne man aber trotzdem nicht bei einem Inzidenzwert von 50 gleich wieder alles öffnen, warnte sie. Besser sei es, die Maßnahmen noch einige Tage weiter aufrechtzuerhalten, bis die Werte auf ungefähr 10 senken. So habe man im Sommer vergangenen Jahres die Pandemie bereits bis auf einen Inzidenzwert von 5 zurückgedrängt. Dennoch sei das Virus mit aller Macht zurückgekehrt.

Merkel räumte ein, dass es zwischen den Ratschlägen der Virologen und den Wünschen der Wirtschaft Unterschiede gebe. „Das muss dann politisch entschieden werden“. Für den Fall einer Lockerung nach dem 14. Februar würden zuerst die Kitas und Schulen geöffnet, so die Kanzlerin. Die Geschäfte und der Einzelhandel würden erst danach kommen.

Merkel räumt Impfstoffmangel ein

Mit Blick auf die nicht ausreichenden Impfstoffdosen räumte die Kanzlerin einen Mangel ein. Es könne den beteiligten Firmen Pfizer und Biontech jedoch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie die Produktion in ihrem Werk in Belgien jetzt kurz zurückfahre, um eine Kapazitätserweiterung zu ermöglichen. Merkel verteidigte die Pharmafirmen. „Dass wir am Tag der Zulassung bereits fertig produzierte Impfstoffe hatten, ist ein Novum und das ging nur aufgrund der guten Kooperation zwischen dem Staat und den Unternehmen.“

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Pfizer habe versprochen, die für das 1. Quartal zugesagte Menge rechtzeitig zu liefern, sagte Merkel. Sie habe keinen Grund, daran zu zweifeln. Merkel wies auch die Kritik an der zentralen Bestellung der Impfstoffe durch die EU zurück. Eine Einzelbestellung durch die Nationalstaaten wäre im Ergebnis auch nicht besser gewesen – im Gegenteil: „Ich hätte es sehr befremdlich gefunden, wenn man sich dabei gegenseitig ausgestochen hätte“.

Die Kanzlerin nahm die Kritik an dem langsamen Impfstart allerdings zum Anlass, ein Versprechen abzugeben. Bis zum Ende des Sommers, so Merkel, könne der Staat jedem Bundesbürger ein Impfangebot machen. Daran wird man sie bestimmt noch erinnern.

Mehr zum Thema: Noch dreht sich in der Politik alles darum, in der Coronakrise Leben zu retten und die Wirtschaft zu stützen. Doch die große Verteilungsdebatte ist nicht mehr fern.

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