Missbrauch von Nutzer-Informationen Facebook droht wegen Datenskandal schärfere Regulierung

Die jüngste Datenaffäre bei Facebook zieht weitere Kreise. Immer lauter wird der Ruf nach einer schärferen Regulierung sozialer Netzwerke.

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Internetriese unter Druck: Die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica soll sich unerlaubt Zugang zu Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern verschafft haben. Quelle: Reuters

Berlin Angesichts des Skandals um millionenfach angezapfte Nutzerprofile von Facebook fordern Politiker und Datenschützer harte Konsequenzen. „Es wird sich auch in den Vereinigten Staaten zunehmend die Frage stellen, ob angesichts der Bedeutung von Daten und den Möglichkeiten des Missbrauchs nicht auch dort eine stärkere Regulierung der Internetgiganten angezeigt ist“, sagte der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, dem Handelsblatt.

„Unabhängig von den rechtlichen Fragen muss Facebook angesichts seiner Relevanz für die individuelle und gesellschaftliche Kommunikation endlich seiner Verantwortung für den sorgsamen Umgang mit Daten gerecht werden.“

SPD und Union wollen für Freitag eine Sondersitzung des Ausschusses für Digitale Agenda beantragen. „Wir wollen Facebook befragen, ob auch deutsche Nutzer betroffen sind und ob vergleichbare Mechanismen auch für deutsche Nutzer eine Gefahr ihrer Daten bedeuten“, sagte der IT-Experte der Unions-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek.

In den USA und in Großbritannien, aber auch auf EU-Ebene laufen inzwischen Untersuchungen des Sachverhaltes. So wollen das britische und das europäische Parlament Facebook-Chef Mark Zuckerberg befragen.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) forderte von dem US-Konzern eine Erklärung, wie er die Privatsphäre seiner Nutzer künftig besser schützen wolle. „Wenn Nutzerinnen und Nutzer so gezielt mit Trump-Werbung oder Hassbotschaften gegen Hillary Clinton bombardiert wurden, ist das nicht nur ein weiterer Tiefpunkt der politischen Debatte in den USA“, sagte die Ministerin der „Passauer Neuen Presse“.

„Solche Wahlkampfmethoden können die Meinungsbildung verzerren und eine Gefahr für die Demokratie werden, wenn keine klaren Regeln gelten“, erklärte Barley. Nur wer wisse, was mit seinen persönlichen Daten geschehe, könne über ihre Verarbeitung souverän entscheiden. „Facebook muss sich an dieses Recht halten. Es wird Zeit für das Unternehmen, klar Verantwortung zu übernehmen“, erklärte die Ministerin.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica sich unerlaubt Zugang zu Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern verschaffen konnte. Die Firma soll im US-Wahlkampf entscheidend dabei geholfen haben, mit als Werbung geschalteten gezielten Botschaften bei Facebook Anhänger des heutigen Präsidenten Donald Trump zu mobilisieren und zugleich potenzielle Wähler der Gegenkandidatin Hillary Clinton vom Urnengang abzubringen.

Die bundesweit für Facebook zuständige Hamburger Datenschutzbehörde hält vor diesem Hintergrund eine schärfere Regulierung solcher Kommunikationsplattformen für unabdingbar. „Dass Wahlen eine freie und unbeeinflusste Willensbildung der Wähler ermöglichen, war stets Wesenskern der demokratischen Staaten. Davon kann im Zeichen der Digitalisierung nicht mehr ausgegangen werden“, sagte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar dem Handelsblatt.

„Der Gesetzgeber muss daher klare Bedingungen schaffen, die einer verdeckten Manipulation politischer Entscheidungen entgegenwirken.“ Das fordere „stärkere Transparenz- und Rechenschaftspflichten der sozialen Netzwerke und deren effiziente Kontrolle“.

Caspar sieht in der Nutzung der verfügbaren Daten durch den Einsatz insbesondere von „maßgeschneiderten“ sogenannten Dark Ads oder von Social Bots für die Zwecke von politischen Parteien und Interessengruppen eine „zentrale Bedrohung des demokratischen Systems“.

Das Problem werde in den USA mittlerweile wesentlich ernster genommen als in der EU. „Der hierzulande bestehende Datenschutz erschwert zwar die missbräuchliche Sammlung und Nutzung von Informationen über die Wähler im Vergleich zu den USA“, erklärte Caspar. „Aber auch in Europa sind die Schäden, die durch Ausnutzung der intransparenten Plattformen und der jederzeitigen Verfügbarkeit von Wählerprofilen seitens sozialer Netzwerke am demokratischen System drohen, immens.“

Für den FDP-Digitalexperten Manuel Höferlin zeigt der aktuelle Fall, dass es auch unter den Datenanalysten „schwarze Schafe“ gebe. „Sollte sich herausstellen, dass Cambridge Analytica durch eine Umfrage unter Facebook-Nutzern an Daten gelangt ist und diese in fragwürdiger Weise kommerziell genutzt hat, so darf dies nicht ohne Konsequenzen für Facebook im Umgang mit solchen Kunden bleiben“, sagte Höferlin dem Handelsblatt. „Eine Verwendung von Daten in dieser Form entspricht in keiner Weise meiner Vorstellung von einer bewussten und selbstbestimmten Preisgabe und Nutzung persönlicher Daten.“

Der Datenskandal zeige zudem, dass Datenschutz und Datensicherheit immer wichtiger würden. „Diese müssen zu einem umfassenden Datenrecht weiterentwickelt werden, das Verbraucher und Nutzer einerseits vor Datenmissbrauch schützt und es Unternehmen andererseits ermöglicht, an den wachsenden Möglichkeiten digitaler Geschäftsmodelle teilzuhaben“, sagte Höferlin. „Dies wird zukünftig eine zentrale Aufgabe der gesamten Politik sein.“

Die Grünen sehen nun vor allem Facebook am Zug. Nutzer hätten ein Recht darauf, zu wissen, mit wem ihre Daten möglicherweise geteilt und wie sie verwendet worden seien. „Facebook steht hier in der Pflicht und hat im Falle von Datenmissbrauch nicht nur eine Mitverantwortung, sondern muss auch aufzeigen, wie Datenmissbrauch zukünftig verhindert werden soll“, sagte der Digitalexperte der Grünen, Dieter Janecek, dem Handelsblatt. „Sollten unrechtmäßig erhaltene und zudem hochsensible Nutzerdaten zu Wahlkampfzwecken eingesetzt worden sein, ist das ein handfester Skandal.“

Der Fall zeigt aus Sicht Janeceks aber auch: „Zu lange haben die großen Digitalkonzerne die Verantwortung für die Folgen ihrer Technologien einseitig der Gesellschaft zugewiesen.“ Damit müsse endlich Schluss sein. Die EU-Kommission drängt daher zu Recht auf Aufklärung. „Datenschutz und Datensicherheit sind ein grundlegender politischer Auftrag.“ Die Grünen forderten daher seit Langem eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz.

Barley sieht indes Europa gut gewappnet gegen Datenschutzverstöße. Mit neuen europäischen Regeln werde das Datenschutzniveau jetzt erhöht. Verstöße dagegen müssten empfindliche Sanktionen nach sich ziehen. „Freiheit und Selbstbestimmung in einer offenen Gesellschaft sind ohne Privatheit nicht denkbar“, sagte sie.

Auch der SPD-Digitalexperte Zimmerman verwies auf die am 25. Mai geltenden neuen europaweit geltenden Datenschutzregeln. Der Skandal um Facebook zeige, „wie wichtig und richtig es war, mit der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung einen europaweit einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen, dem sich alle Anbieter, die hier ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten, unterwerfen müssen“, sagte Zimmermann. Sie könnten sich nicht länger dem europäischen Recht entziehen oder aber den Sitz an dem Ort mit den niedrigsten Datenschutzstandards wählen.

Mit Blick auf den aktuellen Fall riet Zimmermann, zunächst die Untersuchungen abzuwarten. Es müsse geklärt werden, welche Verstöße es wo gegeben habe und wer davon betroffen sei. „Wenn es entsprechende Hinweise auf Datenschutzverstöße gibt, müssen die Aufsichtsbehörden des Bundes, der Länder und auf europäischer Ebene diesen nachgehen“, betonte der SPD-Politiker. „Wir werden die weiteren Entwicklungen genau beobachten, da neben dem aktuellen Fall grundsätzliche Fragen betroffen sind.“

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