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Mitgliederumfrage Piraten wollen keinen neuen Bundesvorstand

Alle Kraft ins Programm oder volle Fahrt in den programmierten Streit: Eine Mitgliederumfrage sollte die Piratenpartei endlich befrieden. Versuche dieser Art gab es schon vorher einige. Sie machen nicht gerade optimistisch für den heraufziehenden Wahlkampf, der für die einstigen Hoffnungsträger desaströs enden könnte.

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Die Piratenpartei hat das Ergebnis ihrer Mitgliederbefragung veröffentlicht. Quelle: dpa

„Kommen wir zu den Sachfragen – was wird aus mir?“ ist wahrscheinlich einer der ältesten Scherze über personalisierungsgeile Politiker. Und wie das so ist mit gar nicht mal so schlechten Witzen: die Wahrheit ist nicht selten näher als gedacht.

Auch zum Quellcode der Piratenpartei gehört der Streit um Köpfe und Inhalte. Positionen sind alles, Personen nichts – das sagen die einen. Positionen sind nichts ohne Personen, die sie transportieren – das finden die anderen. Einige prominente Piraten legen immer noch größten Wert darauf, nur so etwas wie Basisverstärker zu sein, und bloß keine eigene Meinung kund zu tun. Erst so langsam dämmerte es anderen, dass die Öffentlichkeit interessante Inhalte über interessante Köpfe zu konsumieren pflegt. Parteichef Bernd Schlömer gehört zu den Anhängern letzterer Auffassung. Er steht für eine unaufgeregte, an den Mainstream anschlussfähige Partei, Sozialliberalismus mit Internetanschluss sozusagen. Und es gibt Piraten wie Geschäftsführer Johannes Ponader, seines Zeichens überintelligenter Basisfundi mit Hang zum Grundsätzlichen und ausgeprägter Liebe zur Wahrung des Andersartigen.

Ende Februar durften die Parteimitglieder zu all diesem einen Klick setzen und abstimmen. So weit hätte es nach medial inszenierten Versöhnungen zwischen Schlömer und Ponader eigentlich gar kommen dürfen, doch die Spannungen ließen sich nicht mildern. Offiziell ging es bei der Umfrage um den kommenden Bundesparteitag, tatsächlich stimmte die Partei darüber ab, wie und mit wem sie die Monate bis zur Bundestagswahl angehen will. Und wer als Sieger aus dem internen Zoff hervorgehen soll.
Ponader offenbar nicht. Die vergebenen Noten der Parteikollegen fielen für ihn desaströs aus, die respektlosen Rüpeleien gegen seine Person ebenfalls. Tatsächlich will einen Mehrheit der Partei beim kommenden Konvent über ihre Inhalte sprechen und keinen neuen Bundesvorstand wählen. Das ist ein gutes Zeichen für die Politikfähigkeit der Freibeuter, sie zeigt aber auch, dass der jüngste Programmparteitag Ende November offenbar intern als alles andere als ausreichend empfunden wurde, um als überzeugende Wahlalternative wahrgenommen zu werden.

In den Umfragen sind die Piraten eingestürzt – und das nicht erst seit gestern. Eine Strategie, wie man an die Erfolge der letzten Landtagswahlen anknüpfen kann, ist bislang dennoch nicht zu erkennen. Die prominentesten Köpfe sind entweder nett-konturlos (wie Schlömer oder Sebastian Nerz) und funkelnd-abseitig (wie Christopher Lauer) oder zwar seriös, aber nicht für den Bundestagswahlkampf verfügbar (wie Martin Delius).
Bisher haben die Piraten, trotz mancher Anstrengungen, kein Programm mit Strahlkraft über die Nerd-Community hinaus schreiben können. Den Beweis, dass es sich bei den Prognose-Höhenflügen und furiosen Parlamentseinzügen nicht nur um ein polithistorisches Flackern gehandelt hat, sind die Piraten bislang schuldig geblieben. Die derzeitige Nervosität und Gereiztheit in den eigenen Reihen dürfte auch mit einer Ahnung tun haben: Dass sich vielleicht keiner führen lässt.

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