Mobilität in Großstädten Der neue Straßenkampf

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Fernbusse als Chance für kleine Städte

Die Städte würgen Wachstum ab. Derzeit seien fünf Prozent der Deutschen mal mit einem Fernbus gefahren oder planen dies, schätzt Greve. Das Potenzial sieht er bei 60 Prozent. Die Fernbusse würden wie Billigflieger „nicht mehr verschwinden“.

Die Reaktion der Kommunen ist zwiegespalten: Kleinere Städte wie Konstanz, Ulm und Bad Harzburg, die von der Bahn vom Fernverkehr abgekoppelt werden, werben um die Gunst der Start-ups, sagen Branchenvertreter. Auch Großstädte wie Hamburg und München investierten in zentrale Omnibushalte (ZOB). In Hannover eröffnet im September ein neuer ZOB – doch an Samstagen könnte er schon zu klein sein.

Fernbushalte mit höchsten Anteil unzufriedener Fahrgäste (Zum Vergrößern anklicken)

Mal wieder geht es ums Geld. „Die Bundesregierung hat den Markt für Fernbusse liberalisiert, nun darf sie den Städten und Kommunen nicht Kosten und Verantwortung für den Fernverkehr aufbürden“, sagt Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Bahnhöfe würden auch vom Bund gefördert und von der Bahn betrieben. Einen Beitrag zur Finanzierung des Um- und Aufbaus von Haltestellen „könnte die Lkw-Maut leisten, die auf Fernbusse ausgedehnt werden sollte“.

Das Argument klingt logisch, doch Fernbusse befördern auch den Nahverkehr. Fahrgäste wollen per Straßen- oder S-Bahn direkt in den Bus umsteigen. In der Gummersbacher Straße in Köln liegt die U-Bahn-Station jedoch 650 Meter entfernt.

Grüne Zwangsbeglückung

Pankow steht still. Einen Monat lang im Jahr 2015 sollte der Berliner Bezirk mit 370 000 Einwohnern einen Teil seiner Straßen für Autos sperren – als Festival der Ökomobilität. Erlaubt wären Elektroautos, -busse und Räder. Auf einer Pressekonferenz wollte Jens-Holger Kirchner, grüner Stadtrat für Stadtentwicklung, diese Idee vorstellen, die aus Südkorea kommt. Einen Tag zuvor lud er wieder aus. SPD-Bezirksbürgermeister Matthias Köhne stemmte sich gegen „grüne Zwangsbeglückung“.

Das sind die größten Fernbus-Anbieter
Platz 7 – Deutsche TouringBis 2005 gehörte die Deutsche Touring der Bahn, seitdem ist das Unternehmen eigenständig. In Deutschland haben die Busse gerade einmal 1,8 Prozent Marktanteil, die Deutsche Touring verdient seit jeher aber vor allem Geld mit internationalen Busverbindungen. Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 5 – City2CityAuch die Briten wollen ein Stück vom deutschen Fernbus-Markt abhaben: National Express bedient mit seiner deutschen Tochter knapp fünf Prozent der Fahrplankilometer hierzulande. Die City2City-Busse sind der Studie zufolge sowohl zum Normalpreis (6,1 Cent pro Kilometer) als auch bei den Sparangeboten (3,3 Cent) günstiger als viele andere. Das ist beides deutlich unter dem Durchschnitt der Branche: Dieser liegt bei 9 bzw. 5 Cent pro Kilometer. Quelle: dpa
Platz 4 – PostbusAn vierter Stelle fährt ein junges Angebot ein: Die gelben Postbusse rollen erst seit dem 1. November 2013 durch Deutschland. Betrieben werden sie gemeinsam vom ADAC und der Deutschen Post. Die Postbusse decken mit 175 Fahrtenpaaren pro Woche 7,5 Prozent des Marktes ab. Dabei ist die Deutsche-Post-Mobility sogar günstiger als die großen Konkurrenten: 7,1 Cent kostet der Kilometer durchschnittlich. Bei den DB-Töchtern sind es 10, bei Mein Fernbus 9,5 Cent. Allerdings gilt das nur für die Normalpreise, mit Sparangeboten kann es deutlich günstiger werden. Der Postbus kommt dann auf durchschnittlich 5,2 Cent pro Kilometer, Mein Fernbus auf 4,3 und Flixbus sogar auf 3,7 Cent. Quelle: dpa
Platz 3 – FlixbusEbenfalls erst seit dem Jahr 2013 fährt Flixbus. Die Firma aus München steht auf Platz drei der größten Fernbusunternehmen in Deutschland mit knapp 15 Prozent der Fahrplankilometer. Pro Woche bietet Flixbus 324 Fahrtenpaare an. Seit dem 1. Januar 2013 dürfen Unternehmen Fernbusverbindungen anbieten. Ziel der Gesetzesänderung war es unter anderem, Konkurrenz zur Bahn zuzulassen und so den Fernverkehr erschwinglicher zu machen. Quelle: dpa
Platz 2 – Deutsche BahnSchon viel länger dabei sind Tochterunternehmen der Deutschen Bahn wie die Gesellschaft BEX, die den Berlin-Linien-Bus betreibt. Vor der Liberalisierung durften die Unternehmen nur wenige Verbindungen anbieten, vor allem von und nach Berlin. Derzeit bedienen Tochterfirmen der Bahn knapp 22 Prozent des Fernbusmarktes gemessen an den Fahrplankilometern. Erhoben hat diese Zahlen die Mobilitätsberatungsagentur IGES in einer Studie von Dezember 2013 (PDF). In Auftrag gegeben hat die Studie der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO). Quelle: dpa
Platz 1 – Mein FernbusDer mit Abstand größte Anbieter von Fernbusverbindungen ist ein Branchen-Neuling: Die Meinfernbus GmbH mit Sitz in Berlin bedient fast 40 Prozent des deutschen Fernbusmarktes. Die markanten grünen Busse starteten erst kurz vor der Liberalisierung des Fernbusverkehrs Anfang des Jahres. Dennoch hat das Unternehmen erfahrene Konkurrenten hinter sich gelassen: Mittlerweile bietet Meinfernbus 826 Fahrtenpaare (also Hin- und Rückfahrt) pro Woche an, das entspricht mehr als 750.000 Kilometern pro Woche. Quelle: dpa

Pankow wirft ein schräges Licht auf die Arbeit der Bezirksverwaltung. Doch unkoordiniertes Wirrwarr bei der Verkehrspolitik gibt es oft. Mobilität sei „ein hoch emotionales Thema“, sagt ein Experte des Städtetages. Fachreferenten für Verkehrsplanung stritten mit Experten für Verkehrsregelung. Die einen halten Carsharing-Sonderflächen für ein Mittel gegen den Verkehrsinfarkt, die anderen für ein Problem.

Den Städten fehlt allein schon eine Lösung für den zunehmenden Lieferverkehr, der etwa durch Online-Handel entsteht. Vereinzelt laufen Pilotprojekte, Waren am Stadtrand zu sammeln und Routen zu bündeln. Doch laut Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services sind die Ergebnisse ernüchternd: „Die Floprate ist hoch: Von den 46 City-Logistik-Projekten der vergangenen 20 Jahre, werden nur noch acht aktiv betrieben“, heißt es in der Studie. Zustellfirmen drohen in der Diskussion um privilegierte Straßen- und Flächennutzung unberücksichtigt zu bleiben.

Gesamtkonzepte gibt es nicht. „Viel zu zersplittert ist die Aufgabenteilung im Mobilitätsbereich“, sagt Berater Weigele. Selten lägen Zuständigkeiten für Nahverkehr, Parkraummanagement, Radwege und City-Logistik zusammen. Folge: halbherzige Lösungen ohne durchschlagenden Erfolg und eine Zunahme der Probleme. „Wachsende Metropolen brauchen einen Masterplan Mobilität und eine grundlegende Reorganisation der Zuständigkeiten.“

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