Münchner Sicherheitskonferenz Angriff auf die liberale Welt

Der Westen steht unter dem Trump-Schock. Europas Außen- und Verteidigungsminister diskutieren auf der Münchner Sicherheitskonferenz, wie sie sich für eine Welt ohne zuverlässigen Schutz durch die USA rüsten können.

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„Die Ankunft Trumps bedeutet das Ende des Westens, bei dem die USA der Fackelträger sind, dem die anderen nacheifern können“, sagte der frühere Botschafter Wolfgang Ischinger, der die Konferenz leitet.  Quelle: dpa

Berlin Seit Jahrzehnten ging es auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) darum, wie Konflikte in der Welt unter möglichst geringem Militäreinsatz befriedet werden können. Seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 stand die alljährliche Tagung von internationalen Sicherheitspolitikern, Militärs und Rüstungsindustriellen im Zeichen der neuen Konfrontation zwischen Nato und Russland. In diesem Jahr jedoch ist es das transatlantische Verteidigungsbündnis Nato selbst, das unter Schock steht. 

„Die Ankunft Trumps bedeutet das Ende des Westens, bei dem die USA der Fackelträger sind, dem die anderen nacheifern können“, sagte der frühere Botschafter Wolfgang Ischinger, der die Konferenz leitet. Europa müsse jetzt diesen Verlust ersetzen, „damit der Westen als Modell und Vorbild - Stichwort Menschenrechte, Freiheit, Würde und Rolle des Einzelnen - nicht ganz verloren geht“.

Während der drei Münchner Konferenztage vom 17. bis 19. Februar wird sich deshalb alles um die USA, um Trump und die beste Reaktion Europas auf ihn drehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Teilnahme zugesagt. Die US-Regierung wird mit Vizepräsident Mike Pence, Verteidigungsminister James Mattis, Heimatschutzminister John Kelly und dem Nationalen US-Sicherheitsberater Michael Flynn vertreten sein. In 40 Jahren Diplomatie habe er noch nie eine solche maximale Unplanbarkeit mit Blick auf die USA erlebt, so Ischinger.

Für die Europäer bedeutet diese maximale Unplanbarkeit, in die Trump die Nato gestürzt habe, dass sie schnell selbst stärker aufrüsten müssen. In ihrem Jahresbericht, den Ischinger an diesem Montag in Berlin vorstellt, verlangt die MSC, dass die EU-Staaten ihre Einigung vom Dezember, bei der Verteidigung stärker zusammenarbeiten zu wollen, schnell mit Leben erfüllt. Und zum Beispiel gemeinsame Waffensysteme entwickelt und einsetzt.

Noch immer gibt es in Europa 17 verschiedene Panzerarten, während die USA mit nur einem Panzertyp wegen größerer Stückzahlen wesentlich weniger für das einzelne Gerät ausgeben müssen. 29 Fregattentypen unterhalten die Europäer, gegenüber vier der USA, 20 unterschiedliche Kampfflugzeuge, bei denen die USA auf sechs Typen kommen. Diese Zahlen hat McKinsey im Auftrag der MSC ermittelt.

Die Europäer müssten also nicht nur generell mehr für ihre Verteidigung ausgeben, wenn sich die USA stärker zurückziehen, sie müssten ihre Industrie auch stärker konsolidieren, um für einzelne Waffengattungen weniger Geld ausgeben zu müssen. Zudem sei eine Innovationsoffensive nötig, so die MSC und McKinsey: Viel zu wenig nämlich würden bisher digitale Innovationen aus der zivilen Welt Eingang in neue Waffensysteme finden. „Neue Formen der Partnerschaft mit innovativen Digitalfirmen sind notwendig“, heißt es im Jahresbericht.

Mit Russland, dem Hauptkonflikt der vergangenen drei Jahre, wird sich die Konferenz zwar auch beschäftigen, aber nur als einem Konfliktthema unter mehreren. Russlands Regierung ist diesmal nur durch Außenminister Sergej Lawrow vertreten. Flüchtlingsströme und islamistischer Terrorismus stehen ebenso wie Gesundheitsepidemien auf der Liste der Sicherheitsrisiken. Als Konfliktregionen nennt der Report neben Osteuropa und Syrien/Irak auch Ostasien: Zwischen China und seinen Nachbarn am Pazifik hätten die Konflikte zugenommen, so der Report.

Chinas Präsident Xi könnte womöglich stärker als je zuvor geneigt sein, Konflikte auch militärisch zu lösen, heißt es im MSC-Bericht. Auch hier gebe die unklare Haltung Trumps Anlass zur Sorge. Auch Nordkorea und seine Atombomben- und Raketentests beunruhigt die MSC-Veranstalter: Dies sei derzeit der gefährlichste regionale Krisenherd.

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