Musikpreis Antisemitismus-Debatte um Rapperduo – Kulturrat attackiert Echo-Veranstalter

Die Echo-Verleihung an die Rapper Farid Bang und Kollegah zieht weitere Kreise. Nun schaltet sich der Kulturrat ein – mit deutlicher Kritik an den Veranstaltern.

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Die Rapper Kollegah (r.) und Farid Bang Musiker wurden für ihr Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ in der Kategorie Hip-Hop/Urban National ausgezeichnet. Quelle: AP

Berlin In der Antisemitismus-Debatte rund um die Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang hat der Deutsche Kulturrat schwere Vorwürfe gegen den Veranstalter des Musikpreises erhoben.

Schon die Nominierung der beiden Musiker zeuge von „wenig Selbstreflexion“, sagte der Geschäftsführer des Kulturrats, der Spitzenorganisation von 250 Bundeskulturverbänden, Olaf Zimmermann, dem Handelsblatt. „Die Echo-Jury und der Bundesverband Musikindustrie hätten die Notbremse ziehen müssen.“ In seinen Augen sei die Verleihung des Echo an Kollegah und Farin Bang „ein großer Fehler“ gewesen.

Die Musiker wurden am Donnerstagabend für ihr Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ in der Kategorie Hip-Hop/Urban National ausgezeichnet. In dem Album finden sich die Textzeilen „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ und „Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow“.

Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, bezeichnete die Auszeichnung als „verheerendes Zeichen“. Gerade erst entstehe in Deutschland die „ersehnte Sensibilität für den erstarkten Antisemitismus in unserer Gesellschaft, insbesondere an Schulen“. Mitten in diese Debatte falle nun diese Auszeichnung von Musik, „die jene Phänomene zu befördern vermag“. Mit „ihren menschenverachtenden Botschaften“ erreichten die beiden Rapper Millionen meist junger Menschen, hieß es in einer Mitteilung.

Außenminister Heiko Maas (SPD) twitterte, dass antisemitische Provokationen keine Preise verdient hätten. „Sie sind einfach widerwärtig. Dass am Holocaustgedenktag ein solcher Preis verliehen wird, ist beschämend.“ Ähnlich äußerte sich Peter Maffay bei „Bild.de“. Am Donnerstag hatte Israel der sechs Millionen Juden gedacht, die von den Nationalsozialisten und ihren Helfershelfern ermordet wurden.

„Wir sprechen hier nicht über politische Meinungen, sondern wir sprechen über Musik, über Kunst. Es ist natürlich ein dehnbarer Begriff und natürlich ist uns bewusst, dass wir eine bestimmte Grenze überschritten haben“, hatte Farid Bang vor der Gala gesagt. „Die Absicht dahinter war niemals negativ, sondern höchstens vielleicht ein bisschen fahrlässig.“

Doch weder am roten Teppich, noch auf der Bühne ließ sich das Duo auf eine inhaltliche Debatte ein. Nach Kritik von Toten-Hosen-Sänger Campino sagte Kollegah: „Ich will hier keine Politikdebatte daraus machen.“ Später bezeichnete er Campinos Kritik als „stillos“ und warf diesem vor, sich als moralische Instanz aufgespielt zu haben. Nach der Verleihung sagte Farid Bang im „Vox“-Interview: „Wir feiern heute, und wer sich jetzt noch aufregen will, dass wir den Echo bekommen haben, der soll es machen. Wir sind die Gewinner.“

Provokation sei zwar ein wichtiges Stilmittel, hatte Campino auf der Bühne gesagt, als der 55-Jährige die Auszeichnung für die Kategorie Rock national entgegennahm. Aber habe Provokation eine frauenfeindliche, homophobe, rechtsextreme oder antisemitische Form, sei eine Grenze überschritten.

Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, schaltete sich ein. Er sprach von einem Missbrauch der Kunstfreiheit, der inakzeptabel sei. „Es ist sehr problematisch, dass damit auch noch Hunderttausende junger Menschen erreicht werden.“ Einer renommierten Veranstaltung wie der Echo-Preisverleihung sei das nicht würdig.

Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) hatte schon im Vorfeld der am Donnerstagabend stattfindenden Echo-Verleihung betont, dass der Auftritt der beiden umstrittenen Rapper Kollegah und Farid Bang gerechtfertigt sei. „Kollegah & Farid Bang treten als zwei außerordentlich erfolgreiche Repräsentanten des Genres Hip-Hop auf, das seit über einem Jahrzehnt von sehr vielen Menschen hierzulande gehört wird”, hieß es in einer Mitteilung.

Kulturrat-Chef Zimmermann zeigte dafür wenig Verständnis. „Die Jury hätte meines Erachtens Kollegah und Farin Bang gar nicht erst nominieren dürfen“, sagte er. Aber beim Echo gehe es tatsächlich um nichts anderes als den kommerziellen Erfolg geht. „Damit unterscheidet sich der Echo grundlegend von anderen Preisen wie beispielsweis dem Deutschen Buchpreis, der auch von einem Branchenverband verliehen wird oder dem Deutschen Filmpreis, der durch Filmschaffende ausgewählt wird.“

Bei diesen Preisen wähle eine Jury nach „Qualitätsgesichtspunkten“ aus, betonte Zimmermann. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Bücher oder Filme, in denen Aussagen vorkommen wie in den Songs von Kollegah und Farin Bang von diesen Jurys ausgewählt worden wären.“

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