Verbraucher sollen künftig neue Klagemöglichkeiten bekommen - für Fälle mit vielen Betroffenen wie etwa bei der VW-Abgas-Affäre. Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch die sogenannte Musterfeststellungsklage auf den Weg. Verbraucher sollen damit die Möglichkeit bekommen, einen Anspruch auf Schadenersatz durchzusetzen, ohne dass sie selbst einen Prozess gegen ein Unternehmen anstrengen müssen. Die Auseinandersetzung vor Gericht sollen Verbraucherschutzverbände übernehmen.
Voraussetzung ist, dass eine gewisse Zahl von Menschen betroffen ist. In einem ersten Schritt muss der klagende Verband die Fälle von zehn Betroffenen ausführlich aufarbeiten und auf dieser Basis eine Klage bei Gericht einreichen. In einem zweiten Schritt müssen sich innerhalb von zwei Monaten insgesamt 50 Betroffene bei einem Klageregister anmelden. Wird diese Schwelle nicht erreicht, ist keine Musterfeststellungsklage möglich.
Klagebefugt sollen nur bestimmte Verbraucherschutzverbände sein. Sie müssen seit mindestens vier Jahren auf der Liste jener Verbände stehen, die bereits heute Unterlassungsklagen einreichen dürfen. Außerdem müssen sie unter anderem mindestens 350 Mitglieder haben.
Die wichtigsten Fakten zur Musterfeststellungsklage
Klageberechtigt sind nicht die Verbraucher, sondern bestimmte Verbände. Um Missbrauch etwa durch neu gegründete Scheinverbände auszuschließen, sieht der Entwurf eine Reihe von Beschränkungen vor. Nur Dachverbände mit mindestens zehn Mitgliedsverbänden oder mindestens 350 Mitgliedern dürfen klagen. Die Organisationen müssen seit mindestens vier Jahren in einer vom Bundesamt für Justiz geführten Liste erfasst sein. Außerdem müssen sich die Verbände nachweislich auf Verbraucherinteressen konzentrieren und sich höchstens zu fünf Prozent aus Zuwendungen von Unternehmen finanzieren.
Voraussetzung für eine MFK sind zehn Verbraucher, die den gleichen Schaden vom selben Urheber glaubhaft machen können. Der Verband meldet dann die Klage an, beim Bundesamt für Justiz wird eine Klageregister eingerichtet. Nun startet eine Frist von zwei Monaten innerhalb der sich mindestens 50 Geschädigte in das Register eintragen müssen. Erst dann kann der Prozess vor einem Landgericht starten. Mit der Eintragung in das Register wird für die Verbraucher die Verjährung ihrer Schadensersatzansprüche gestoppt. Eine weitere Musterfeststellungsklage in der selben Sache kann von einem anderen Verband nicht erhoben werden. Verbraucher können nicht zweigleisig fahren: Wer sich einer MFK angeschlossen hat, kann nicht gleichzeitig in derselben Sache selbst klagen.
Mit dem Prozess soll ein Schaden und dessen Verursacher von Gericht festgestellt werden. Endet eine Musterfeststellungsklage aus Verbands-Sicht erfolgreich, können die Verbraucher wesentlich einfacher ihre Schadensansprüche stellen, denn sie müssen keinen Verlust mehr nachweisen. Eine MFK kann aber auch in einem Vergleich enden. Beide Prozessparteien können sich dann auf eine bestimmte Entschädigung einigen, die jedem in dem Klageregister aufgeführten Verbraucher zusteht. Verliert der Verband die Klage, sind den Verbrauchern zumindest keine Kosten entstanden und sie können die Prozessrisiken bei einem individuellen Verfahren besser abschätzen.
Die Musterfeststellungsklage soll laut Koalitionsvertrag am 1. November 2018 in Kraft treten. Die Koalitionäre wollen damit verhindern, dass die Schadensersatzansprüche der Besitzer von VW-Diesel-Kfz mit manipulierender Abgas-Steuerung verjähren. Der Gesetzentwurf muss nun durch die Bundestagsberatungen gehen. Der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen, damit es wirksam werden kann.
Erwartet wird, dass die erste große Musterfeststellungsklage Volkswagen betrifft. Es geht um die Entschädigung der Besitzer von VW-Diesel-Kfz mit manipulierender Abgas-Steuerung. Allerdings verjähren die Schadensersatzansprüche Ende 2018. Die große Koalition hat deshalb verabredet, dass die Musterfeststellungsklage spätestens zum 1. November 2018 in Kraft treten soll.