N24-Talk Bernd Lucke flüchtet vor Michel Friedman

Der AfD-Sprecher verlässt nach kritischen Fragen von TV-Moderator Michel Friedman den N24-Talk. Zu Recht?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Bereits nach zwölf Minuten verließ AfD-Bundessprecher Bernd Lucke, die Sendung. Quelle: REUTERS

„Studio Friedman“ ist eine der kürzesten Polit-Talkshows im deutschen Fernsehen. Gerade mal 24 Minuten diskutieren zwei Gäste mit Moderator Michel Friedman. Am Donnerstagabend aber geriet die Diskussion noch einmal deutlich kürzer: Bereits nach zwölf Minuten verließ AfD-Bundessprecher Bernd Lucke, der gemeinsam mit dem europapolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Manuel Sarrazin geladen war, wütend die Sendung.

„Freizügigkeit in Europa – Fluch oder Segen“, so lautete das Thema in dieser Woche. Eigentlich. Denn um offene Grenzen, Arbeitsmigration und die Gefahren von Sozialtourismus ging es nur die ersten zwei Minuten. Danach gab es den typischen Friedman zu sehen: Er spitzte zu , attackierte und provozierte. Und zwar in erster Linie Bernd Lucke. Die AfD bediene sich eines gefährlichen Vokabulars, befand der Moderator. „Sie sprachen einst von der ,Entartung’ der Demokratie. Ich kenne das Wort nur aus der Nazi-Zeit", so Friedman.

Die wichtigsten Köpfe in der AfD

„Ich kenne das Wort entartete Kunst aus der Nazi-Zeit“, konterte Lucke, der anschließend Helmut Schmidt und Kardinal Joachim Meisner zitierte, die angeblich auch das Wort "Entartung" schon gebrauchten.

Es entwickelte sich eine hitzige Diskussion, ein Hin und Her der drei Beteiligten, bei der nicht immer alle aussprechen durften. Friedman zündelte weiter, beharrte auf seinem Vorwurf gegen Lucke und seine Partei: „Sie fischen am rechten Rand“.

Dann der Eklat: Der Moderator konfrontierte den Spitzendkandidaten der AfD für die Europawahl mit einem angeblichen Zitat der Parteifreundin Beatrix von Storch: „Ihre Europawahl-Kandidatin Beatrix von Storch sagt: ,Multikulti hat die Aufgabe, die Völker zu homogenisieren und damit religiös und kulturell auszulöschen.' Wenn das nicht Rassismus ist, was ist dann Rassismus?“

Die größten Euro-Gegner
Hans-Olaf Henkel war Industrie-Chef und sieht Europa durch den Euro bedroht. Die aktuelle Krisenbewältigung schränke die Demokratie in den Eurostaaten erheblich ein. Henkel hofft auf ein Einlenken der Bundeskanzlerin. "Die Bereitschaft der Deutschen, weitere Griechenland-Rettungspakete und demnächst Portugal und Italien zu finanzieren, ist weniger verbreitet als die Bereitschaft, die Kernenergie zu unterstützen. Das heißt: Wenn Angela Merkel beim Euro eine Art Fukushima-Effekt erlebt, dann traue ich ihr zu, blitzschnell den Kurs zu ändern", sagte Henkel im Interview mit der WirtschaftsWoche. Quelle: AP
Der Ökonom und Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Hans-Werner Sinn hält viele Euro-Mitgliedsländer für nicht wettbewerbsfähig. Er plädiert für einen Ausschluss Griechenlands aus der Währungsunion und warnt eindringlich vor einer Bankenunion und Eurobonds. Im vergangenen Jahr hat er einen Brandbrief von rund 200 deutschen Ökonomen mitunterzeichnet. Innerhalb der Bundesregierung hat er sich damit keine Freunde gemacht. Doch das wird Sinn nicht stören. Einer, der den ifo-Chef gut kennt sagte, "Sinn würde zu seinen Thesen stehen, auch wenn andere daran zweifeln". Bevor Sinn sich und seine Thesen präsentiert, bereitet er sich stundenlang vor und feilt an seinen Formulierungen. Quelle: dapd
Alexis Tsipras ist Vorsitzender des griechischen Links-Bündnisses "Syriza" und der mächtigste Kritiker der griechischen Regierung. Er ist strikt gegen das Sparprogramm, das sein Land mit den internationalen Geldgebern verhandelt hat. Sein jüngster Vorschlag: Die griechische Regierung solle schlichtweg die Gespräche mit der Troika (IWF, Europäische Kommission und Europäische Zentralbank) verweigern. Die fortschreitende Privatisierung von Staatsbetrieben will Tsipras eigenen Worten zufolge "kriminalisieren". Die griechische Regierung soll im Eiltempo öffentliche Unternehmen verkaufen. Bei der Wahl im vergangenen Jahre erreichte seine Partei 17 Prozent der Stimmen und wurde zweitstärkste Kraft im Land. Umfragen sehen Tsipras inzwischen noch stärker. Quelle: dapd
Peter Gauweiler ist CSU-Politiker und profiliert sich vor allem als Euro-Skeptiker. Er stimmt gegen den Eurorettungsschirm und möchte die "Grenzüberschreitung" bei den europäischen Verträgen verhindern. Gauweiler war Mitkläger gegen die Euro-Hilfen, die vom Verfassungsgericht aber bestätigt wurden. Der CDU-Politiker befürchtet, dass sich die Ereignisse bei den Rettungsversuchen "überschlagen". Deshalb wisse er auch nicht, ob Angela Merkel selbst am Rettungsschirm weiterhin festhalten werde. Quelle: dpa/dpaweb
Silvio Berlusconi ist Unternehmer und ehemaliger italienischer Ministerpräsident. Bei den Parlamentswahlen in Italien holte er fast 30 Prozent der Stimmen und konnte so eine linke Regierung verhindern. Berlusconi punktete im Wahlkampf mit dem Versprechen, die Sparprogramme seines Vorgängers Mario Monti rückgängig zumachen. Auch für seine populistischen Thesen gegen den Euro erhielt er Applaus. Den Euro zu verlassen, sei keine Blasphemie, sagt Berlusconi. Quelle: REUTERS
Timo Soini ist Mitglied des Europaparlaments und Präsident der Partei "Basisfinnen". Sie lehnt Finanzhilfen für Griechenland ab. Mit seiner Euro-skeptischen Haltung weiß Soini viele seiner Landsleute hinter sich. In Finnland wächst die Sorge, dass die wohlhabenden Länder Europas den Süden dauerhaft alimentieren müssen.
Der Chef der rechtspopulistischen niederländischen Partei für die Freiheit (PVV) Geert Wilders hat sich erfolglos am Euro abgearbeitet. Er geißelte die Sparregeln als "ein Diktat Brüssels", an denen sich jedes Land kaputtspare. Doch bei den Wahlen im September 2012 wurde Wilders von den Bürgern abgestraft und flog aus der Regierung. Quelle: REUTERS

Lucke war diese Frage sichtlich unangenehm, er wurde unruhig und ebenso laut wie Friedman. Dabei hätte ihn die Frage nicht überraschen dürfen. Schon oft musste sich die AfD fragen lassen, wie radikal die Partei ist. Doch Lucke zögerte, zauderte und erwiderte nur: "Ich verwahre mich dagegen, der AfD Rassismus zu unterstellen. Die Aussage, die Sie zitieren, stammt nicht von mir". Friedman begnügte sich damit nicht. Der Moderator, der mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält und sich nicht gerade den Ruf eines TV-Lieblings erarbeitet hat, hakte nach - bis Lucke die Nerven verlor. Er trat ums Pult herum und stellte Friedman vor die Wahl: „Entweder Sie lassen mich ausreden oder ich verlasse die Sendung.“ Der Moderator lächelte sein überlegenes Lächeln. Und Lucke? Der hielt Wort und ging. Schon aus dem Bild verschwunden, hörten die Zuschauer ihn noch sagen „Diese Art der Diskussion geht nicht.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%