
„Studio Friedman“ ist eine der kürzesten Polit-Talkshows im deutschen Fernsehen. Gerade mal 24 Minuten diskutieren zwei Gäste mit Moderator Michel Friedman. Am Donnerstagabend aber geriet die Diskussion noch einmal deutlich kürzer: Bereits nach zwölf Minuten verließ AfD-Bundessprecher Bernd Lucke, der gemeinsam mit dem europapolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Manuel Sarrazin geladen war, wütend die Sendung.
„Freizügigkeit in Europa – Fluch oder Segen“, so lautete das Thema in dieser Woche. Eigentlich. Denn um offene Grenzen, Arbeitsmigration und die Gefahren von Sozialtourismus ging es nur die ersten zwei Minuten. Danach gab es den typischen Friedman zu sehen: Er spitzte zu , attackierte und provozierte. Und zwar in erster Linie Bernd Lucke. Die AfD bediene sich eines gefährlichen Vokabulars, befand der Moderator. „Sie sprachen einst von der ,Entartung’ der Demokratie. Ich kenne das Wort nur aus der Nazi-Zeit", so Friedman.
Die wichtigsten Köpfe in der AfD
Professor, Gründer des Plenums der Ökonomen
Der 51-Jährige wurde bei Gründung der AfD ihr Sprecher. Der Vater von fünf Kindern lehrt Makroökonomie an der Universität Hamburg. Über 300 Wissenschaftler schlossen sich seinem „Plenum der Ökonomen“ an, das als Netzplattform Wirtschaft erklärt. Nach 33 Jahren trat Lucke Ende 2011 aus der CDU aus. Er trat als Spitzendkandidat der AfD für die Europawahlen an und wechselte im Sommer 2014 nach Brüssel.
Anwältin, Gründerin der Zivilen Koalition
Die Juristin, die zunächst 2012 Mitglied der FDP war, ist seit 2013 Mitglied der AfD. Sie wird dem rechtskonservativen Flügel der Partei zugerechnet. Sie engagiert sich neben der Euro-Rettung vor allem für eine christlich-konservative Familienpolitik. Am 25. Januar 2014 wurde von Storch vom Bundesparteitag der AfD in Aschaffenburg mit 142 von 282 Stimmen auf Platz vier der Liste zur Europawahl gewählt - und zog anschließend ins Europaparlament ein.
Emeritierter Professor für Volkswirtschaft
Im Kampf gegen den Euro hat er die größte Erfahrung: 1998 klagte er gegen dessen Einführung vor dem Bundesverfassungsgericht, 2011 gegen die Rettungsmaßnahmen. Der 72-Jährige, einst Assistent von Alfred Müller-Armack, führt den wissenschaftlichen Beirat der AfD – so etwas hat keine andere Partei.
Promovierte Chemikerin und Unternehmerin
Nach dem Studium gründete die Mutter von vier Kindern 2007 ihr eigenes Chemieunternehmen Purinvent in Leipzig – mit dem Patent auf ein umweltfreundliches Dichtmittel für Reifen. Sie fürchtet, ihre demokratischen Ideale würden „auf einem ideologisierten EU-Altar geopfert“. Seit 2013 ist sie eine von drei Parteisprechern und Vorsitzende der AfD Sachsen
Journalist, Publizist, Altsprachler und Historiker
Bei den bürgerlichen Blättern – 21 Jahre im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen“, sieben Jahre als politischer Chefkorrespondent der „Welt“ – erwarb er sich den Ruf als konservativer Vordenker. Sozial-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik sind auch im Sprecheramt der AfD seine Schwerpunkte.
Beamter, Politiker, Herausgeber, Publizist
Der promovierte Jurist leitete die hessische Staatskanzlei unter CDU-Ministerpräsident Walter Wallmann. Dann Geschäftsführer und Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen“ in Potsdam. Führte die brandenburgische AfD bei den Landtagswahlen zu einem überraschend starken Ergebnis und führt nun die Fraktion im Landtag an.
„Ich kenne das Wort entartete Kunst aus der Nazi-Zeit“, konterte Lucke, der anschließend Helmut Schmidt und Kardinal Joachim Meisner zitierte, die angeblich auch das Wort "Entartung" schon gebrauchten.
Es entwickelte sich eine hitzige Diskussion, ein Hin und Her der drei Beteiligten, bei der nicht immer alle aussprechen durften. Friedman zündelte weiter, beharrte auf seinem Vorwurf gegen Lucke und seine Partei: „Sie fischen am rechten Rand“.
Dann der Eklat: Der Moderator konfrontierte den Spitzendkandidaten der AfD für die Europawahl mit einem angeblichen Zitat der Parteifreundin Beatrix von Storch: „Ihre Europawahl-Kandidatin Beatrix von Storch sagt: ,Multikulti hat die Aufgabe, die Völker zu homogenisieren und damit religiös und kulturell auszulöschen.' Wenn das nicht Rassismus ist, was ist dann Rassismus?“





Lucke war diese Frage sichtlich unangenehm, er wurde unruhig und ebenso laut wie Friedman. Dabei hätte ihn die Frage nicht überraschen dürfen. Schon oft musste sich die AfD fragen lassen, wie radikal die Partei ist. Doch Lucke zögerte, zauderte und erwiderte nur: "Ich verwahre mich dagegen, der AfD Rassismus zu unterstellen. Die Aussage, die Sie zitieren, stammt nicht von mir". Friedman begnügte sich damit nicht. Der Moderator, der mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält und sich nicht gerade den Ruf eines TV-Lieblings erarbeitet hat, hakte nach - bis Lucke die Nerven verlor. Er trat ums Pult herum und stellte Friedman vor die Wahl: „Entweder Sie lassen mich ausreden oder ich verlasse die Sendung.“ Der Moderator lächelte sein überlegenes Lächeln. Und Lucke? Der hielt Wort und ging. Schon aus dem Bild verschwunden, hörten die Zuschauer ihn noch sagen „Diese Art der Diskussion geht nicht.“