Nach Attacken Deutschland verliert sich in absurden Debatten

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3. Schützt uns Merkels Willkommenskultur vor Terrorismus?

Wenn die Merkel-Kritiker schreien, dauert die Antwort der Kanzlerinnen-Anhänger für gewöhnlich nicht lange. So auch in diesem Fall. Der britische Independent argumentiert, Deutschland sei langfristig besser vor Terrorismus geschützt, eben weil die Kanzlerin hunderttausende Muslime ins Land gelassen hat. Die Flüchtlinge – so die Hoffnung – werden zu Botschaftern für Deutschland in ihren Heimatländern.

Deutschland ist ein tolles Land, lasst es in Frieden – dürfte dieser Gedanke, den die Flüchtlinge in ihre Länder tragen könnten, in etwa lauten. Mit Verlaub: Das ist naiv.

„Bayern erlebt Tage des Schreckens“
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer Quelle: dpa
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann Quelle: dpa
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere Quelle: dpa
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig Quelle: dpa
Bayerns Justizminister Winfried Bausback Quelle: dpa
Belgiens Premierminister Charles Michel Quelle: dpa

Die meisten Opfer des Islamischen Staates sind Muslime. Die Annahme, dass die Terrororganisation einen Staat verschonen könnte, weil dort viele Muslime leben, deckt sich nicht mit der Realität. Und der Streit um die Verantwortlichkeit der Kanzlerin zeigt, wie sehr die Anschläge in Bayern schon instrumentalisiert werden – von beiden Seiten.

4. Ist Sarah Wagenknecht eine verkappte Nationalistin?

Wie links die Fraktionsvorsitzende der Linken wirklich ist, debattiert die Partei immer mal wieder. Es ist eine berechtigte Frage. Nach den Anschlägen sagte Wagenknecht in einem Fernsehinterview, „dass die Aufnahme und Integration einer sehr großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern zumindest mit erheblichen Problemen verbunden und sehr viel schwieriger ist als Frau Merkel uns das im letzten Herbst mit ihrem ‚Wir schaffen das‘ einreden wollte“.

Chronik: Aufsehenerregende Anschläge in Deutschland

Der Widerspruch aus ihrer eigenen Partei kam sofort. „Wer Merkel von rechts kritisiert, kann nicht Vorsitzender einer Linksfraktion sein“, sagte Jan van Aken, außenpolitische Sprecher der Linksfraktion.

Ja, Wagenknecht bekam sofort Zuspruch aus der AfD. Doch ihre Position ist nichts anderes als banaler Mainstream. Dass sie sie in diesem Moment geäußert hat, war unklug, weil sie damit den Eindruck erweckt hatte, friedliche Flüchtlinge mit Terroristen in Zusammenhang zu bringen.

Gegen die Bestandsaufnahme – die Integration wird ein langer und schwieriger Prozess – dürfte aber kaum jemand etwas einzuwenden haben – weder CDU noch SPD, auch nicht weite Teile der Linken. Vielmehr hat sich an der Frage der alte Konflikt zwischen Wagenknecht und Teilen ihrer Partei hoch geschaukelt.

Was bleibt: Der bayrische Innenminister will das Land im Notfall mit Militär stabilisieren. Andere suchen die Schuld bei Angela Merkel – oder wahlweise das Heil. Und die Linksfraktion überlegt ihre Chefin loszuwerden, weil sie scheinbar nationalistische Aussagen verbreitet. Deutschland ist schwer verunsichertes und hyperventiliert.

Den Islamischen Staat freut das.

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