Nach dem Abgasskandal Union und SPD wollen Autokonzerne zur Dieselnachrüstung zwingen

Unterhändler von Union und SPD haben bei ihren Sondierungsgesprächen vereinbart, Nachrüstungen an Dieselmotoren durchzusetzen. Die Konzerne sollen in die Pflicht genommen und somit Fahrverbote vermieden werden.

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Groko: CDU, CSU und SPD wollen Dieselnachrüstung erzwingen Quelle: dpa

Berlin In den Koalitionssondierungen von CDU, CSU und SPD naht die Entscheidung. Am vierten Verhandlungstag kamen die Finanzexperten zusammen, um über die Kosten der bisher erzielten Einigungen der Fachpolitiker zu beraten. Bisher war man von einem zusätzlichen Finanzspielraum bis 2021 von 45 Milliarden Euro ausgegangen. Nach Informationen von Reuters wollen Union und SPD zudem die Autoindustrie stärker in die Pflicht nehmen und weitere Verbesserungen an älteren Diesel-Motoren durchsetzen. Zur Luftreinhaltung bedürfe es eines Bündels von Maßnahmen, mit „effizienteren und saubereren Verbrennungsmotoren inklusive Nachrüstungen“, heißt es im Papier der Fachgruppe Verkehr, das Reuters am Mittwoch vorlag.

Zudem sollten die E-Mobilität und der Schienenverkehr gefördert, Fahrverbote aber vermieden werden. Geplant ist auch ein deutsch-französisches Zentrum für die Entwicklung der Zukunftstechnologie Künstliche Intelligenz. SPD-Chef Martin Schulz und Kanzleramtschef Peter Altmaier betonten vor Beginn der Beratungen im Konrad-Adenauer-Haus am Morgen aber, dass noch viel Arbeit vor den Unterhändlern liege. Bis Donnerstag soll ausgelotet werden, ob es eine Basis für Koalitionsverhandlungen gibt. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hatte am Dienstagabend mit der Aussage „nix ist fix“ betont, dass bisher nur Zwischenergebnisse vorlägen.

Am vierten von geplanten fünf Sondierungstagen trugen weitere Arbeitsgruppen der Chefrunde aus Partei- und Fraktionschefs ihre Einigungen vor. Der Sechserrunde gehören Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, Schulz, CSU-Chef Horst Seehofer, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles und Unions-Fraktionschef Volker Kauder an. Weder die Union noch die SPD können laut einer neuen Umfrage von den Gesprächen profitieren. In einer Insa-Erhebung für „Bild“ verlieren CDU und CSU einen Punkt und kommen auf 31,5 Prozent. Die SPD verharrt bei 19,5 Prozent.

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen sind viele Knackpunkte noch nicht geklärt. Bei einem erfolgreichen Abschluss der Sondierungen soll am Ende ein gemeinsames Papier entstehen, das aber auf keinen Fall so lang sein soll wie bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen mit mehr als 60 Seiten. Zu den großen Streitthemen gehören neben den Finanzen und der von der SPD geforderten Erhöhung des Spitzensteuersatzes auch die SPD-Forderung nach einer Bürgerversicherung, die Frage des Familiennachzugs von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus und die von der CSU gewünschte erneute Erhöhung der Mütterrente.

Bisher halten sich die meisten beteiligten Politiker weitgehend an das von den Parteiführungen verordnete Schweigen. Ergebnisse sollen erst am Ende, wahrscheinlich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag präsentiert werden. Damit wollen die Groko-Sondierer die Fehler der Jamaika-Verhandlungen zwischen Union, FDP und Grünen vermeiden, als immer wieder neue öffentlich gemachte Zwischenstände für Aufregung in den Verhandlungen sorgten. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet wies den SPD-Vorwurf von Indiskretionen zurück. Wenn er berichte, dass man sich verstehe, „empfinde ich das als koalitions- und als sondierungsfreundlich“, sagte er beim Eintreffen am Sondierungsort. „Und wenn’s gut läuft, sollte man das auch sagen.“ Hintergrund ist, dass am Dienstag bekannt wurde, dass Union und SPD von den Klimaschutzzielen 2020 abrücken wollen. „Ich bin froh, dass wir eine so realistische Industrie- und Energiepolitik bekommen“, sagte Laschet dazu.

Als Zwischenergebnisse wurde ansonsten bisher nur bekannt, dass der Spitzensteuersatz künftig erst ab 60.000 Euro greifen soll. Zudem wurde der zusätzliche finanzielle Spielraum mit rund 45 Milliarden Euro beziffert. Grundsätzlich will man ein Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte und ein digitales Breitband-Netz im Gigabit-Bereich bis 2025 ausbauen. Dies deckt sich aber ohnehin weitgehend mit den Wahlprogrammen der Parteien. Die Verkehrs- und Wirtschaftsarbeitsgruppe will neben der Fortführung der Investitionen in Straßen, Schienen und Wasserwege auf mindestens aktuellem Niveau auch, dass Projekte schneller umgesetzt werden. „Wir werden ein Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz verabschieden“, nimmt das Papier dabei eine Forderung des Unions-Wahlprogramms auf.

Die Union dringt auf die Fortsetzung der großen Koalition. Die SPD-Spitze hat aber von einem Parteitag nur ein Mandat für „ergebnisoffene“ Gespräche bekommen. Am Freitag will die SPD-Führung deshalb entscheiden, ob sie die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfiehlt. Dafür müsste ein Sonderparteitag am 21. Januar grünes Licht geben.

Juso-Chef Kevin Kühnert, der zu den Kritikern einer neuen großen Koalition gehört, äußerte sich auch am Mittwoch skeptisch. Dass die Sondierer gleich am Anfang das Klimaziel 2020 aufgegeben hätten, „ist erst einmal kein guter Auftakt gewesen für diese Gespräche“, sagte Kühnert in der ARD. FDP-Chef Christian Lindner schloss sich der Kritik seines Partei-Vizes Wolfgang Kubicki an den Groko-Sondierungen an. Differenzen würden mit Geld überbrückt, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.

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