Nach dem AfD-Parteitag "Marktversagen muss der Staat korrigieren"

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"Eine Erschütterung für das deutsche Parteiensystem"

War der Parteitag insgesamt eine gelungene Veranstaltung? Der Anspruch, basisdemokratischer als die „Altparteien“ zu sein, ist schließlich zentral in Ihrer Partei.

Ein umfangreiches Grundsatzprogramm im Umfang von 80 eng bedruckten Seiten basisdemokratisch diskutieren und beschließen zu wollen, war ein ehrgeiziges Unterfangen, zu ehrgeizig wahrscheinlich. Die Antragskommission hatte Vorkehrungen getroffen, um die wichtigsten Kapitel in begrenzter Zeit zu erledigen. Damit war sie teilweise erfolgreich, leider nur teilweise. Unter Zeitdruck sind Formulierungen durchgerutscht, die wenig realistisch klingen, teilweise ja auch korrigiert worden sind. Die Forderung nach einem Austritt Deutschlands aus der NATO konnte nach einer Intervention Gaulands verhindert werden, der Wunsch nach einem Abzug fremder Truppen und sämtlicher Atomwaffen aber nicht. Wie sich das eine mit dem anderen verbinden lässt, bleibt bis auf weiteres rätselhaft. Wie sollen die Amerikaner den Schutz eines Landes garantieren, das ihnen verbiet, die Waffen zu wählen, die sie zu diesem Zweck für nötig halten?

Es heißt schon seit längerem, die Parteivorsitzende Frauke Petry sei im Vorstand einigermaßen isoliert. Beim Parteitag stand sie auch nicht gerade im Vordergrund.

Jörg Meuthens Rede hat wohl mehr Applaus gefunden als die von Frauke Petry, aber das sollte nicht überschätzt werden. Erst neulich ist Angela Merkel in Karlsruhe von ihren Anhängern 10 Minuten lang beklatscht worden – aber was ist von dem Beifall heute denn noch übrig?

Nun hat Frau Petry mit dem Journalisten Michael Klonovsky einen eigenen Medienberater eingestellt.

Einen so klugen und scharfsinnigen Publizisten einzustellen, war sicherlich ein kluger Schachzug. Klonovsky hat eine doppelte Aufgabe. Er soll einerseits Themen entwickeln, sie aber auch in die öffentliche Debatte einspeisen; in England nennt man so etwas einen Spin Doctor.

Kommen wir mal von den Personalien zurück zum Politischen: Was bedeutet der Aufstieg der AfD für das deutsche Parteiensystem?

Eine gründliche Erschütterung der Art, wie Italien sie vor 25 Jahren erlebt hatte. Was dabei herauskommen wird, wissen die Götter. Natürlich ist der Begriff „Altparteien“, wie ihn die  AfD verwendet, polemisch. Aber auch in der politikwissenschaftlichen Literatur stößt man immer wieder auf den Begriff der „etablierten Parteien“, des Establishments. Frau Merkel hat dafür gesorgt, dass die CDU politisch entkernt dasteht, der SPD geht es noch schlechter. Ihre Funktionäre sind längst in die Führungsschichten des Landes aufgestiegen, sind Mitglieder der politischen Klasse und verhalten sich danach. Aus den kleinen Leuten von damals sind hoch bezahlte Beamte und Gewerkschaftsbürokraten geworden, die ihre Herkunft gründlich vergessen haben. Als Teilhaber am Macht- und Geldkartell können sie ihre angestammte Klientel nicht mehr glaubwürdig vertreten. Diesen Spagat kriegt auch die SPD nicht hin.

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