WirtschaftsWoche: Sie gehören zu den Gründern der AfD, waren in der frühen Phase einer von drei Sprechern. Denken Sie im Hinblick auf die Entwicklung der Partei manchmal nicht wie Goethes Zauberlehrling: „Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los“?
Konrad Adam: Ich werde oft gefragt, wieso ich in der AfD bleibe, der Zug fahre doch in die falsche Richtung. Das stimmt so nicht. Es sind da ziemlich viele Züge unterwegs. Solange einer dabei ist, der das von mir angepeilte Ziel erreichen könnte, bleibe ich dabei. Bedenklich stimmt mich die Neigung, es allzu schnell genauso zu machen wie die mit Recht so genannten Altparteien. Es gibt zu viele, die den Berufspolitiker schon jetzt ganz fest ins Auge gefasst haben. Ihnen gegenüber sollten wir den Anspruch, es nicht nur anders, sondern besser zu machen als die Etablierten, offensiv verteidigen.
Sie haben kein Parteiamt mehr. In welcher Weise sind Sie denn noch aktiv?
Ich halte Vorträge in Wahlkampfzeiten, jüngst etwa in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, demnächst in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, vielleicht auch anderswo. Wahlkampf macht Spaß!
Zur Person
Konrad Adam (74) ist deutscher Journalist, Publizist und Mitbegründer der Alternative für Deutschland. Adam war lange Jahre leitender Redakteur im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und politischer Chefkorrespondent der "Welt". Von April 2013 bis Juli 2015 war er einer von drei Bundessprechern (Bundesvorsitzenden) der AfD.
Vor einigen Monaten haben Sie den thüringischen AfD-Fraktionschef Björn Höcke kritisiert. Sind er und die radikaleren Kräfte in der AfD durch den Parteitag und das jetzt beschlossene Grundsatzprogramm gestärkt worden?
Das glaube ich nicht. Die gängigen Begriffe rechts und links haben sich verlaufen, sind austauschbar geworden. Entscheidend ist, ob die soziale Komponente, die Verpflichtung auf das Gemeinwohl, Bestandteil des Programms bleibt. Statt des längst unbrauchbar gewordenen Rechts-Links-Schemas scheint mir der wachsende Gegensatz von oben und unten das eigentliche Problem der Zukunft zu sein. Das Auseinanderklaffen der Vermögensverhältnisse hat Ausmaße angenommen, die den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden; ähnliches gilt für den engeren Bereich der Politik: Der Abstand zwischen dem Volk und seinen Vertretern, zwischen Regierenden und Regierten dürfte noch nie so groß gewesen sein wie heute, er gefährdet die Substanz der Demokratie. Die AfD ist eine der wenigen politischen Kräfte, die das Problem wenigstens erkannt haben und nach einer Antwort suchen.
Sie warnten auch schon vor einer Spaltung der AfD.
Es gibt nach wie vor große, historisch begründete Unterschiede zwischen den AfD-Landesverbänden im Westen und Osten des Landes. Daraus folgt, dass wir aufeinander Rücksicht nehmen und Verständnis für die unterschiedlichen Geschichtsbilder haben sollten. Aber auch nie vergessen dürfen, dass Bundestagswahlen im Westen entschieden werden, nicht im Osten.
Nicht nur mit Höcke, auch mit dem brandenburgischen Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland sind Sie öffentlich aneinandergeraten.
Parteien suchen nach Mehrheiten, das ist ihre Aufgabe. Unersättlich hat Johannes Rau seine Partei, die SPD, einmal genannt, wenn es um Wählerstimmen gehe. Ich bin da nicht ganz so gierig wie Rau; es gibt Leute, von denen ich lieber nicht gewählt werden möchte.