Nach dem AfD-Wahlergebnis Verbände wollen politische Arbeit in Sachsen verstärken

In Sachsen hat die AfD bei der Bundestagswahl große Erfolge gefeiert. Verbände und Gewerkschaften wollen daher nun ihre politische Arbeit verstärken. Der DGB beklagt ein Demokratiedefizit in den sächsischen Schulen.

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Der Deutsche Lehrerverband fordert, mehr Politiker in Schulen einzuladen. In sächsischen Berufs- und allgemeinbildenden Schulen herrsche ein „großes Demokratiedefizit“, sagt DGB-Vize von Sachsen, Markus Schlimbach. Quelle: dpa

Die gesellschaftlichen Organisationen in Deutschland wollen mehr gegen Rechtspopulismus tun. Vor allem in Sachsen müsse man nach Thomas Platz die Arbeit intensivieren. Hier wurde die AfD mit 27 Prozent die stärkste Kraft. „Wir müssen auf die zugehen, die sich abgehängt fühlen“, sagt Platz, Sprecher der Landeszentrale für politische Bildung. Die Landeszentrale wolle den Onlinebereich verstärken, durch Youtube-Videos vermehrt Schüler ansprechen. Ein Beispiel dafür ist das Projekt WTF. Hier antwortet die Landeszentrale auf Fragen der Schüler, wie „Brauchen wir mehr Volksentscheide?“ oder „Haben Lobbyisten zu viel Macht?“

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Sachsen will seine politische Arbeit nach der Wahl verstärken. Dabei sei es in den Betrieben nicht immer einfach, Einfluss zu nehmen. DGB-Vize von Sachsen, Markus Schlimbach, sagt: „Unternehmen klammern politisch Themen in Personal- oder Betriebsversammlungen häufig aus.“ Auch in sächsischen Berufs- und allgemeinbildenden Schulen herrsche ein „großes Demokratiedefizit“. „Hier gibt es zu wenig demokratische Beteiligung der Schüler“, so Schlimbach. „Politische Bildung wird vernachlässigt.“

Um dem entgegenzutreten fordert Heinz-Peter Meidinger, Präsident des deutschen Lehrerverbandes, mehr Stunden für gesellschaftliche Fächer – nicht nur in Sachsen, sondern bundesweit. Denn Demokratie müsse man lernen. Außerdem seien „Lehrer mehr denn je dazu angehalten, den Schülern bewusst zu machen, welche Bedeutung die Wahl hat“, so Meidinger. Um Schüler für Politik zu begeistern, helfe es auch, Debattierklubs zu gründen und Politiker in Schulen einzuladen. „Insbesondere in den neuen Bundesländern geschieht das oft noch zu wenig“, sagt Meidinger. Platz von der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung sagt: „In Sachsen gibt es durch die negativen Erfahrungen aus der DDR noch die Kultur, dass sich zu wenige Lehrer einmischen.“

Der Sachsen-Monitor, eine repräsentative Umfrage im Auftrag der sächsischen Landesregierung von 2016, zeigt rechte Einstellungen Jugendlicher. 46 Prozent der 18- bis 29-Jährigen waren der Meinung, das „Juden heute versuchen, Vorteile daraus zu ziehen, dass sie während der Nazi-Zeit die Opfer gewesen sind.“ 49 Prozent stimmten der Aussage zu, „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“ „Wir dürfen nicht mit erhobenem Zeigefinger erklären, sondern müssen die Menschen ernstnehmen“, sagt Platz.

Aber nicht nur in Sachsen soll mehr getan werden. Seit mehr als 30 Jahren gibt es den DGB-Verein „Mach meinen Kumpel nicht an“, der mit seinem Wettbewerb bundesweit ein Zeichen gegen Rassismus setzt. Der Verband Bildung und Erziehung will sich für bessere Umgangsformen in Deutschland einsetzen. „Es gibt nicht verhandelbare Grundprinzipien. Unser Ziel ist es, in einem wertschätzenden und offenen Miteinander gemeinsame Lösungen zu finden“, so der Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Diesem Engagement schließt sich der Paritätische Gesamtverband an, der im nächsten Jahr eine Kampagne zum Thema Menschenrechte plant. „Nach der Wahl werden wir uns erst recht für mehr Offenheit einsetzen“, so Sprecherin Gwendolyn Stilling.

Auch die Kirchen sind alarmiert. Der Einzug der AfD mit 13 Prozent in den Deutschen Bundestag ließ auch auf der diesjährigen Bischofskonferenz niemanden kalt. Kardinal Reinhard Marx sagte, die katholische Kirche werde ihren Beitrag leisten, damit Integration gelingen kann. „Wenn eine Partei im Bundestag die Grenzen überschreitet, werden sich die Kirchen auch dazu äußern“, so Marx. Ähnliches hört man auch aus evangelischen Kreisen. „Das Maß der Unterstützung für eine junge rechtspopulistische Partei ist ein Weckruf für alle, denen das friedliche Miteinander in einem weltoffenen Deutschland am Herzen liegt“, so Heinrich Bedford-Strohm.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland appelliert an alle deutschen Organisationen, zusammenzuhalten. „Das Niederbrüllen von Rednern bei Kundgebungen waren erschreckend. Alle müssen jetzt zusammenhelfen, dass ausgrenzende und hasserfüllte Stimmen nicht das Leben in unserem Land vergiften.“

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