Nach dem „Charlie Hebdo“-Anschlag Die Stunde der Hardliner

Der Pariser Terrorakt hat in Deutschland eine Debatte um die innere Sicherheit ausgelöst. Einige konservative Politiker wollen die Gunst der Stunde nutzen und Sicherheitslücken schließen. Werden sie sich durchsetzen?

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Vor allem aus der CSU kommen Forderungen nach schärferen Sicherheitsgesetzen. Quelle: dpa

Berlin Es dauerte nicht lange, bis sich die ersten deutschen Innenpolitiker zu Wort meldeten. Innen- und Rechtsexperten der CSU-Bundestagsgruppe sahen nur einen Tag nach dem Terroranschlag in Paris ihre Stunde gekommen, um einmal mehr für eine bessere Terrorabwehr in Deutschland zu trommeln.

Am Rande der CSU-Winterklausur im oberbayerischen Wildbad Kreuth erklärten sie die Vorratsdatenspeicherung für ein unerlässliches Ermittlungsinstrument, um Anschläge wie in Frankreich effektiv verhindern zu können. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) müsse dafür sorgen, dass die Behörden auf die Kommunikationsdaten von Terroristen zugreifen könnten.

„Wollen wir wirklich die Daten von Terroristen und Kriminellen schützen oder wollen wir die Bürger in Deutschland schützen?“, fragte der CSU-Hardliner Hans-Peter Uhl. Wer deshalb von einem Angriff auf den Datenschutz spreche, habe die Lage nicht erkannt, verteidigte er die Forderung nach schärferen Sicherheitsgesetzen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz müsse auch in die Lage versetzt werden, verschlüsselte Kommunikation etwa über Skype zu entschlüsseln.

Das Drängen Uhls erklärt sich auch damit, dass es in Deutschland keine gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gibt, seit das Bundesverfassungsgericht die deutschen Vorgaben 2010 gekippt hatte. Union und SPD vereinbarten zwar im Koalitionsvertrag, das Instrument wieder einzuführen. Die Pläne liegen aber auf Eis, seit der Europäische Gerichtshof voriges Jahr auch ein EU-Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gekippt hat.

Die CSU ist sich in der Frage aber nicht einig: Die CSU-Netzpolitikerin und Staatssekretärin Dorothee Bär gab Uhl via Twitter den Hinweis, dass Frankreich die Vorratsdatenspeicherung habe, „und es hat gestern auch nichts verhindert“.

Die Sicherheitsverfechter lassen sich von solchen Feststellungen nicht beeindrucken. Bei ihrer Klausurtagung in Kreuth machten die CSU-Abgeordneten deutlich, dass es für sie nicht damit getan ist, die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen aufrechtzuerhalten.  Sie wollen potenziellen Attentätern das Wasser abgraben, und dafür reichen aus ihrer Sicht die geltenden Gesetze nicht aus.


Bundesinnenminister auf CSU-Linie - SPD gegen Aktionismus

Dass es der CSU ernst ist mit ihren Forderungen, zeigt die in Kreuth spontan verabschiedete Resolution. In dem Papier mit dem Titel: „Keine Toleranz gegenüber islamistischem Terrorismus - Bedrohungen entschlossen begegnen“ begründet die CSU den Handlungsbedarf mit der Vielzahl an Personen, die sich im Ausland für den terroristischen Nahkampf habe ausbilden lassen und teilweise wieder nach Deutschland zurückgekehrt sei. „Viele beteiligen sich nunmehr an der Werbung von Gotteskriegern, lehnen weiterhin die freiheitlich-demokratische Grundordnung und insbesondere die Gleichberechtigung von Mann und Frau ab. Sie stehen damit außerhalb unseres Rechts- und Wertesystems“, heißt es in der Resolution.

Dann werden die Schlussfolgerungen aufgelistet, etwa dass Sympathiewerbung und das Verbreiten von Propagandamitteln für terroristische Vereinigungen in Deutschland einfacher bestraft werden können müsse als bisher. Auch sei das Mindeststrafmaß für die Vorbereitung terroristischer Anschläge und Nichtbeachtung vereinsrechtlicher Verbote auf ein Jahr Freiheitsstrafe anzuheben.

CSU-Mann Uhl forderte zudem eine Verschärfung des Strafgesetzbuches. Bestraft werden solle nicht nur, wie derzeit in Paragraf 80 geregelt, wer einen Angriffskrieg vorbereite, sondern auch, „wer das friedliche Zusammenleben der Völker stört“. Die CSU will so erreichen, dass auch Islamisten bestraft werden können, die aus Deutschland in ein Kriegsgebiet ausreisen, um sich dort an Kämpfen zu beteiligen.

Zudem soll islamistischen Terrorverdächtigen, wenn sie neben dem deutschen noch einen anderen Pass besitzen, künftig die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden können. Auch über einen möglichen Entzug sogar des Personalausweises müsse gesprochen werden.

Uhl kündigte Gespräche mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) darüber an, wie die „Schlagkraft unserer Sicherheitsbehörden“ zu erhöhen sei. Immerhin: Beim Thema Vorratsdatenspeicherung hat er den Minister schon auf seiner Seite. De Maizière unterstützt auch die Forderung der CSU nach schnelleren Asylverfahren und schnellerer Abschiebung abgelehnter Bewerber.

Auch mit Bundesjustizminister Maas will die CSU sich ins Benehmen setzen. Allerdings hat der  schon abgewunken. „Wir brauchen jetzt keinen Wettlauf um neue Gesetze“, sagte Maas. „Purer Aktionismus stoppt keine Terroristen.“ Neben der Anwendung bestehenden Rechts seien Aufklärung und Dialog mit den Muslimen nötig. „Wir dürfen Terroristen nicht in die Falle tappen. Eine Einschränkung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit ist genau das, was sie bewirken wollen.“ Maas betonte, dass bereits Neuregelungen gegen Terrorismusfinanzierung und Terrorausbildung im Ausland geplant seien. „Weitere Verschärfungen sind pure Symbolik.“


Koalitionshaushälter bremsen bei mehr Geld für die Sicherheit

Dagegen hält der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) eine Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung für grundsätzlich hilfreich. „Da haben wir uns als Innenminister klar positioniert. Es fehlt die europäische Rechtsgrundlage dafür“, sagte Jäger am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“. Allerdings gab auch er zu bedenken, dass Frankreich die Vorratsdatenspeicherung habe. „Man muss einfach feststellen, das ist nicht unbedingt ein Mittel, mit dem man präventiv Anschläge verhindern kann, das aber hilfreich ist in den späteren Ermittlungen“, sagte Jäger.

Die Union sieht sich durch den Anschlag in Paris auch in ihrer Forderung nach einer besseren Ausstattung der deutschen Sicherheitsbehörden bestätigt. „Wir haben bereits im November durchgesetzt, dass die Bundespolizei und das Bundesamt für Verfassungsschutz für 2015 deutlich mehr Mittel erhalten. Das kann aber nur der erste Schritt gewesen sein“, sagte der Obmann der Unionsfraktion im Innenausschuss, Armin Schuster, dem Handelsblatt (Freitagausgabe).

Die Personalausstattung der Behörden sei seit Jahren nicht mehr erhöht und in einigen Bundesländern sogar gekürzt worden, die Anforderungen seien aber stark gestiegen. „Bislang haben das BKA, das Bundesamt für Verfassungsschutz oder die Bundespolizei das zu kompensieren versucht, indem sie intern umgeschichtet haben. Die Sicherheitslage ist momentan auf vielen Gebieten so angespannt, dass das nicht mehr funktioniert“, sagte Schuster.

Die Chefhaushälter der Koalitionsfraktionen bremsen aber bereits. „Die Haushälter der Koalition haben in der Bereinigungssitzung zum Haushalt 2015 die Sicherheitsbehörden bereits mit erheblichen Erhöhungen bei Personalstellen und Mitteln bedacht und damit auf die aktuellen Herausforderungen reagiert“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU), dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Ob weitere Steigerungen für 2016 möglich sind, wird sich im Laufe des Jahres erweisen.“

Auch der Chefhaushälter der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs, erinnerte daran, dass „zusätzlich bereits 2014 als auch 2015 mehr Geld und Stellen bewilligt“ worden seien als der Bundesfinanzminister und der Bundesinnenminister beantragt hätten. Er sei daher „gespannt auf den Haushaltsentwurf der beiden Herren zum Haushalt 2016“, sagte Kahrs dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert schon seit langem eine bessere Ausstattung für die Sicherheitsbehörden. Die Politik habe eine Bringschuld, den Menschen zu erklären, was konkret gegen drohenden Terror unternommen werde, sagte Verbandschef Rainer Wendt dem Handelsblatt. „Man kann nur hoffen, dass nicht eines Tages aus der „Schwarzen Null“ des Finanzministers eine „Schwarzer Tag für Deutschland“ wird“, warnte Wendt.


CDU will mehr Videokameras in Großstädten

Immerhin zeigt die CDU Bewegung bei einem anderen Thema, das auch den Polizeigewerkschaften am Herzen liegt. Die Christdemokraten wollen will das Sicherheitsgefühl in Großstädten verbessern: mit mehr Videokameras an Brennpunkten der Kriminalität und mehr Streifenfahrten in besonders gefährdeten Wohngebieten. „Um Gewalt und Diebstähle abzuwehren sowie Anschläge und andere Straftaten erfolgreich aufzuklären, wollen wir den Einsatz von Videokameras an Kriminalitätsbrenn- und Gefahrenpunkten, wie etwa auf Bahnhöfen, verstärken“, heißt es im Entwurf für eine „Hamburger Erklärung“ des CDU-Vorstands. Es soll bei einer zweitägigen Klausur des CDU-Vorstands in der Hansestadt verabschiedet werden, die am Freitagabend beginnt.

Mit der Betonung des Sicherheitsthemas will die CDU auch der Alternative für Deutschland (AfD) das Wasser abgraben, die damit im vergangenen Jahr bei den drei Landtagswahlen im Osten punkten konnte. Einfach dürfte das nicht werden. Denn auch der AfD spielt die Terrorattacke in Paris in die Hände.

So hatte Alexander Gauland, der dem AfD-Bundesvorstand als Stellvertreter angehört, am Mittwoch erklärt, der Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ zeige, dass die Demonstranten der Protestbewegung Pegida mit ihren Warnungen vor einer „Islamisierung des Abendlandes“ recht hätten. Wer die Bewegung bisher verlacht habe, werde nun „durch diese Bluttat Lügen gestraft.“ Der innenpolitische Sprecher der AfD in Hamburg, Dirk Nockemann, erklärte: „Wir fordern die Politik auf, endlich wirksame Handlungskonzepte zum Schutz der Bevölkerung vorzulegen - und nicht die Warner und Mahner als Nazis und dumpfe Ausländerhasser zu verunglimpfen.“

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