Nach dem Koalitionsausschuss Kleinster verschiedener Nenner

Koalitionsausschuss: Es wird Zeit, liebe GroKo – Kommentar Quelle: REUTERS

Die große Koalition demonstriert Einigkeit, aber die drängendsten wirtschaftspolitischen Fragen werden nicht beantwortet.

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Die Ergebnisse des gestrigen Koalitionsausschusses lauten so: Ein in seiner Wirkung umstrittenes Instrument gegen teures Wohnen (Mietpreisbremse) wird verlängert. Die Art und Weise, wie der Soli abgebaut werden soll, wird nicht entschieden. Für die Grundrente wird ein Arbeitskreis beschlossen, der all die Argumente noch einmal verschriftlichen soll, über schon die seit Monaten debattiert wird. Und auf dem Weg zu einem Klimaschutzgesetz werden geradezu erleichtert neue Zwischenschritts-Termine des Klimakabinetts kommuniziert.

Das nennt man in den Augen der Koalition wohl einen gelungenen Sommerabend. Zumal ja die Stimmungs- und Beziehungspflege ohnehin größeren Raum zwischen Schwarz und Rot einnehmen sollte. Und man kann die Sache so sehen: Was für ein glückliches Land das sein muss, dessen Regierung sich ein so gemächliches Tempo gönnen kann.

Man kann es aber auch ganz anders sehen. Dieser Befund blendet aus, dass einige in dieser Koalition dann doch sehr genau registrieren, dass die akute Wachstumsschwäche nicht nur die übliche Abkühlung ist und ansonsten Donald Trump oder dem Brexit anzulasten wäre (also anderen als einem selbst). Sondern dass sich die Bundesrepublik und ihr Wirtschaftsmodell an einer Wegscheide befinden. Dass der Standort Deutschland sich für kraftvoller und widerstandsfähiger hält, als er tatsächlich ist.

Hinter der langen Liste an vertagten Punkten harren fundamentale Entscheidungen, die nicht dadurch weniger fundamental werden, weil man sie vertagt. Es wird Zeit. Und zwar nicht nur langsam, sondern sicher.

Erstens: Mit dem Soli wird nicht nur die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen auf eine Probe gestellt. Es geht vor allem darum, ob nicht das gesamte deutsche Steuerrecht dringend einer Großreform bedarf.

Zweitens: Das angekündigte Klimaschutzgesetz stellt die Weichen für den ökologischen Umbau des deutschen Wirtschaftsstandorts. Die Ziele der Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit sollten zusammengedacht und möglichst widerspruchsfrei vereint werden. Wird das wirklich klappen?

Drittens: Die Grundrente wird nicht über Wohl und Wehe des deutschen Sozialstaats entscheiden. Wer so tut, als wäre das so, verkennt mal eben die zweistelligen Milliardensummen, die in der Vergangenheit zusätzlich in das System geflossen sind – und die Bedeutung einer florierenden Wirtschaft, auf deren Konto die zuletzt üppigen Rentenerhöhungen gehen. Die tatsächlichen Baustellen (Renteneintrittsalter, Gesundheitsprävention, zielgenaue Armutssicherung) werden gleichzeitig genau umgangen.

Das also ist der Stand im Sommer 2019: In einer Koalition, deren Parteispitzenleute entweder von Geiern umkreist werden (wie im Falle von Annegret Kramp-Karrenbauer) oder nur auf Interims-Abruf arbeiten (wie in der SPD), regiert das Prinzip Hoffnung auf baldige Er-Lösung.

Nur woher sie kommen soll, bleibt schleierhaft.

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