Nach den Landtagswahlen Die AfD entzaubern – aber wie?

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Wie die AfD Politiker und Journalisten in die Falle lockte

Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden empfiehlt den etablierten Parteien, die AfD nicht länger zu tabuisieren. „Sie sollten sich öffentlich und redlich mit den Argumenten der AfD auseinandersetzen.“ Es sei falsch, Problembeschreibungen der AfD abzutun, weil sie von der AfD kommen, und sie ernst zu nehmen, wenn Sozialdemokraten sie vorbrächten.

„Vernünftige Vorschläge sollten auch dann aufgegriffen werden, wenn sie von der AfD kommen. Ferner sollten Politiker der etablierten Parteien mit der AfD diskutieren und nicht davonlaufen“, sagt Patzelt.

Am gefährlichsten ist die Situation für die Unionsparteien. CSU-Parteichef Horst Seehofer sieht die Existenz der Union bereits gefährdet. So dramatisch mag die Lage zwar noch nicht sein. Dennoch hat der bayrische Ministerpräsident einen guten Punkt, glaubt auch Patzelt. „Wenn sich die AfD vernünftig aufstellt und Rechtsradikale ausschließt, kann sie zur neuen Heimat für enttäuschte CDU-Wähler werden. Dann stünde die CDU vor einem ähnlichen Problem wie die SPD, die zunächst von den Grünen und später von den Linken Konkurrenz bekommen hat.“

Parteien müssen Denkräume zurückerobern

Die AfD als Fleisch vom Fleische der CDU? Die Wählerwanderungen zeigen zwar, dass die Partei unter Führung von Frauke Petry aus allen politischen Lagern Wähler gewinnen konnte – auch von Sozialdemokraten, Linken und Grünen. Im politischen Koordinatensystem steht die AfD aber eindeutig rechts von der Union. Für rechtsextremistisch hält Patzelt die Partei gleichwohl nicht. „Die AfD ist keine NPD light.“

Wenn nicht rechtsextrem, dann zumindest rechtspopulistisch? Das Attribut steht der AfD zweifellos zu. Aber die anderen Parteien (und Journalisten) müssen Rechtspopulismus Argument für Argument, Beleg für Beleg, Zitat für Zitat, wieder und wieder nachweisen. Nur dann kann der fatalen Eindruck vermieden werden, nichts von dem, was ein AfD-Politiker sagt, könne richtig sein, nur weil ein AfD-Politiker es sagt. Tatsächlich sind viele Politiker und Journalisten in diese Falle gelaufen.

Es wird nun höchste Zeit, dass sich Union, SPD und Grüne mit Blick auf die prekäre politische Stimmung in Deutschland Denk- und Argumentationsräume zurückerobern – jenseits von Merkels Positivismus und jenseits einer formelhaft-taktischen oder dumm-denunziatorischen Auseinandersetzung mit der AfD.

Es wird Zeit, dass sie gewillt sind, die AfD argumentativ zu stellen. Dass sie die völkische Sprache und xenophoben Töne einiger ihrer Sprecher und Anhänger seziert („Das Überleben des eigenen Volkes sichern“, „1000 Jahre Deutschland“, „Das Schicksal des deutschen Volkes“ etc.).

Und dass sie deutlich macht, die anfallenden politischen Probleme, ganz im Gegensatz zur AfD, nicht nach Maßgabe von Ideologie und Opportunität behandeln zu wollen, sondern moralisch integer, jederzeit solide und sachorientiert.

Eine solche Politik, die sich selbst unbequem ist, weil sie das Demagogische ablehnt, das Taktische meidet und ins Faktische verliebt ist, muss sich vor den Wählern nicht angstvoll verstecken. Sie wüsste jederzeit 95 Prozent der Deutschen hinter sich.

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