Nach der Bürgerschaftswahl Diese Erkenntnis aus der Hamburg-Wahl muss sich endlich durchsetzen

Nach der Hamburg-Wahl: Die Spitzenkandidaten der SPD, Peter Tschentscher und der Grünen, Katharina Fegebank. Quelle: dpa

Gerade einmal rund zwei Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland durften am Sonntag abstimmen. Deshalb sollte niemand zu viel in das Ergebnis hineininterpretieren. Ein Schluss lässt sich allerdings ziehen.

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Das ist alles nicht falsch. Aber eben auch alles nicht neu.

Vor allzu großen Schlüssen für die Bundespolitik sei vorsichtshalber ebenfalls gewarnt. Am Sonntag waren gerade einmal rund zwei Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland zur Wahl aufgerufen. Hätten stattdessen die Kölner und Düsseldorfer über ihren Oberbürgermeister abgestimmt, wären es fast genauso viele gewesen. Und kaum jemand würde aus diesen regionalen Ergebnissen grundsätzliche Lehren für die Berliner Politik ableiten.

Eine Schlussfolgerung lässt sich aus dem Ergebnis in Hamburg aber dennoch ziehen: Es lohnt sich, ordentlich zu regieren. Für die Wähler, aber eben auch für die Gewählten.
Das mag trivial klingen, ist es aber bei näherer Betrachtung nicht.

Die meisten Bürger sind eher mäßig politisch interessiert. Ihr Anspruch an die Regierenden ist deshalb, dass diese möglich machen, was sie für selbstverständlich halten: dass es gute Schulen und ausreichend Polizisten gibt. Dass sie halbwegs problemlos mit Auto, Bahn oder Fahrrad zur Arbeit kommen. Dass sie bezahlbare Wohnungen finden. Und so weiter. Politiker, die dafür nicht in ausreichendem Maße sorgen, die Probleme also nicht lösen, bekommt selbst welche.

Natürlich bedeutet Politik auch, den Wählern zu sagen, was nicht geht. Wo ihre Ansprüche also zu hoch sind. Für die restlichen Probleme gilt in der Regel aber, dass erfolgreiche Politik bedeutet, sie anzuerkennen, zu priorisieren und zu lösen. Ideologie ist dabei meistens hinderlich, ein pragmatischer Politikansatz dagegen genauso hilfreich wie eine effiziente Verwaltung.

Pragmatisch und effizient – so regiert Peter Tschentscher in Hamburg. Wie sein Vorgänger Olaf Scholz hat er dafür gesorgt, dass in der Stadt nicht nur die Bevölkerung zunimmt, sondern auch der Wohnraum. Er startete ein Investitionsprogramm für die Schulen. Und er legte angesichts der Verkehrsprobleme einen Plan vor, wie der öffentliche Nahverkehr attraktiver werden soll.

Über das Für und Wider seiner Politik im Einzelnen lässt sich streiten – und muss auch gestritten werden. Doch offenbar hatte ein beträchtlicher Teil der Bürger den Eindruck, dass Tschentscher und sein rot-grüner Senat unterm Strich ganz ordentlich arbeiten. So wie sie es auch bei anderen Regierungschefs der Fall war, etwa Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz und Michael Kretschmer in Sachsen.

Aber es gibt Ausnahmen. Ein Negativbeispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist Hannelore Kraft. Der Ex-Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen fehlte in ihrer Amtszeit offenbar, nun ja, die Kraft für Problemlösungen. Zu Beginn ihrer Amtszeit konnte sie ihren Unwillen, Reformen anzugehen, noch mit ihrer Kümmerer-Attitüde überdecken. Doch mit der Zeit wurde es immer offensichtlicher, dass sie keine Lösungen anzubieten hatte – und auch nicht den Mut, den Wählern zu sagen, dass nicht für alles Geld da ist.

Der Umbruch des Parteiensystems mag zu der einen oder anderen Schwierigkeit führen, eine positive Folge hat er allerdings: Weil Bindungen an Parteien abgenommen, Wähler sich also emanzipiert haben, machen sie ihr Kreuzchen nicht mehr automatisch immer an der gleichen Stelle – unabhängig davon, ob Spitzenkandidat und Partei performen oder nicht. Deshalb werden Ministerpräsidenten, die das Vertrauen verloren haben, inzwischen häufig abgewählt. Oder, wenn sie es sich nach Meinung der Wähler verdient haben, im Amt bestätigt.

Mehr zum Thema: Die Hamburger haben entschieden: Die rot-grüne Koalition kann künftig wohl weiter regieren. Die anderen Parteien wurden teils hart abgestraft. Vier Lektionen aus der Wahl.

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