Nach der Niedersachsen-Wahl Stur weiter geradeaus

Nach der Niederlage in Niedersachsen steigt der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch die CDU-Chefin gibt sich unbeeindruckt. Von einem Rechtsschwenk will sie nichts wissen und verweist auf Österreich.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Kanzlerin hakt die Niederlage in Niedersachsen schnell ab, um sich auf die Gespräche mit FDP und Grünen zu konzentrieren. Quelle: dpa

Berlin Es waren gleich zwei Wahlen, über die am Montag im CDU-Präsidium debattiert wurde und die auch Kanzlerin Angela Merkel anschließend öffentlich analysierte. Zum einen musste die CDU-Chefin die Niederlage in Niedersachsen erklären, wo die Partei am Sonntag einen sicher geglaubten Wahlsieg verspielt hat. Zum anderen beschäftigten sich Merkel und die CDU-Vorderen aber auch mit Österreich. Zwar lobte die Kanzlerin den modernen Wahlkampf von Youngster Sebastian Kurz und seiner Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Ansonsten aber findet sie die österreichischen Verhältnisse mit dem starken Abschneiden der rechtspopulistischen FPÖ eher als abschreckendes Beispiel.

Natürlich gebe es in Deutschland „eine Herausforderung durch die AfD“, wie Merkel sagte. Die Partei ist mit 6,2 Prozent in den niedersächsischen Landtag gekommen, dürfte der CDU erneut Stimmen geklaut haben. Das sei doch aber alles „überschaubar im Gegensatz zur FPÖ“. Die hat deutlich zugelegt und ist mit 27,4 Prozent zweitstärkste Kraft geworden. Nun wird diskutiert, ob der scharfe Rechtsschwenk von Kurz die FPÖ klein gehalten oder groß gemacht hat.

Die Frage beschäftigt nicht nur Österreich, sondern auch das CDU-Präsidium am Montag. Denn auch hier wird seit der Bundestagswahl und dem Einzug der AfD in den Bundestag debattiert, wie die Union sich zukünftig aufstellen sollte. CSU-Chef Horst Seehofer fordert einen Rechtskurs, viele in der CDU halten dagegen. Allen voran die Kanzlerin.

Auch nach der Niederlage in Niedersachsen gibt sich Merkel am Montag unbeirrt. Zwar habe man das Ziel verfehlt, stärkste Kraft im Landtag von Hannover zu werden, gibt die Kanzlerin zu. Relativiert aber sogleich, dass die CDU absolut fast keine Stimmen verloren hat. Das prozentual schwächere Abschneiden liegt an der höheren Wahlbeteiligung. Und immerhin habe Rot-Grün keine Mehrheit, so Merkel. Und überhaupt habe man in diesem Jahr bei den Landtagswahlen insgesamt viel besser abgeschnitten als sie sich das hätte träumen lassen. Eigentlich alles in Ordnung, soll das wohl heißen.

Das sehen in der Union viele anders. Sie hat schon gestört, dass das schwache Abschneiden bei der Bundestagswahl kaum eingeräumt wurde, geschweige denn Konsequenzen gezogen wurden. Der Ärger ist nach Niedersachsen nicht kleiner geworden. „Für die Union kann und darf es daher kein ‚Weiter so‘ geben“, meint etwa Carsten Linnemann, Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union. „Wir brauchen jetzt endlich eine Strategie der eigenen Markenkerne. Wir müssen die Wähler wieder von unseren Kernkompetenzen überzeugen, und die liegen nicht zuletzt im Bereich der Gewährleistung von Sicherheit.“ Ähnlich sieht das Steffen Bilger, Chef der Jungen Gruppe im Bundestag: „Die CDU muss Profil erkennen lassen“, fordert er. „Die Union muss auf jeden Fall die Zuständigkeit für die Innenpolitik behalten und alles tun, um die Flüchtlingskrise nachhaltig zu bewältigen.“

Natürlich wurde Merkel am Montag auch so oft auf die Wahlen in Österreich angesprochen, weil Kurz mit einem scharfen Kurs in der Flüchtlingspolitik gepunktet hat. Die CDU-Chefin mag da aber kein Vorbild erkennen, zumal die FPÖ ja trotzdem stark abgeschnitten hat. Sie empfinde Österreich „nicht für Deutschland als nachahmenswert“, sagte sie. Zwar lobt Merkel durchaus den frischen Wahlkampfstil von Kurz, der „sehr energisch die Erneuerung der Partei betrieben“ habe. Aber auf die Frage, ob die Union auch solch eine Erneuerung brauche, kommt die Wiederholung allgemein gehaltener Zusagen.

Die Botschaft von Merkels Pressekonferenz ist deutlich: Kurs halten und weiter so. Das schwache Abschneiden in Niedersachsen schreibt sie eher ihren Gegnern zu. Die ganze Richtungsdebatte verdeckt aus ihrer Sicht, dass man in Flüchtlingspolitik längst vorangekommen sei, dass „die Situation heute eine völlig andere ist als 2015“. Man müsse diese Erfolge aber auch mal herausstellen, so Merkels Mahnung. Etwa ihr Türkei-Abkommen loben. Dieser Hinweis ist ein direkter Seitenhieb auf Horst Seehofer. Der CSU-Chef hatte über Monate mit Datenmaterial versucht zu belegen, dass das Türkei-Abkommen eigentlich gar nicht für den Rückgang der Flüchtlingszahlen verantwortlich sei, sondern die Schließung der Balkanroute.

Von solchen Querschüssen hat Merkel die Nase voll, das wird bei dieser Pressekonferenz deutlich. Sie fordert von der Union nun Geschlossenheit angesichts der bevorstehenden schwierigen Gespräche mit Grünen und FDP im Bund. Die Sondierungen, sagt Merkel, könnten mehrere Wochen dauern. So lange will sie Ruhe.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%