Nach Frauen nun Kinder Union entdeckt Familie als Wahlkampfthema

Merkel und Seehofer kündigen eine familienpolitische Offensive an, um das Thema nicht allein der SPD zu überlassen. Familienministerin Schwesig hält das für Wahlkampfrhetorik und glaubt "der Union kein Wort".

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Wahlkampfthema Familie: Trotz Kritik an dem Konzept für ein Familiensplitting, hält die Union an ihren Reformplänen fest. Quelle: dpa

Am Wochenende haben die Vorsitzenden von CDU und CSU fast nebenbei entscheidende Pflöcke für die Bundestagswahl eingerammt. CSU-Chef Horst Seehofer kündigte in der "Bild am Sonntag" an, dass die Förderung von Familien zu einem "zentralen Wahlkampfthema" werden soll. "Für mich ist klar: Ein Schwerpunkt werden Kinder haben und natürlich auch die Chancengerechtigkeit der Kinder", betonte auch CDU-Chefin Angela Merkel auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen CDU in Münster.

Lange vor der geplanten Verabschiedung des gemeinsamen Wahlprogramms im Juli ist damit bereits klar, wo die Union diesmal den Fokus im Sozialteil setzen will. In der laufenden Legislaturperiode habe man sich vor allem um die Situation von Müttern und Frauen gekümmert, sagte die Kanzlerin in Münster. "Aber für die nächste Legislaturperiode wird unser Schwerpunkt etwas anders sein müssen", kündigte sie an. Der wahltaktische Hintergedanke: Man will das Thema nicht komplett der SPD überlassen. Denn die Sozialdemokraten dominieren es derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung mit Familienministerin Manuela Schwesig und Arbeitsministerin Andrea Nahles. Und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat angekündigt, er wolle die Frage der sozialen Gerechtigkeit ganz in den Mittelpunkt der SPD-Wahlkampagne stellen. Am Montag stellte Schwesig ein Familienarbeitszeit- und Familiengeldkonzept vor, das für 2,5 Milliarden Euro die Situation bei der Betreuung von Kindern, aber auch bei Pflegefällen in der Familien erleichtern soll.

Nun will auch die Union reagieren. "Wir können nicht zusehen, wie immer wieder aus Elternhäusern, die nicht soviel Bildungsarbeit leisten können, immer wieder Kinder kommen, die nicht so viele Chancen haben", mahnte Merkel ihre nordrhein-westfälischen CDU-Kollegen. "Auch hier ist eine große Aufgabe für die Christdemokratische Union." Denn in Wahrheit ist die Debatte aus demografischen Gründen eng verknüpft mit dem wachsenden Mangel an jungen Arbeitskräften und dem Wunsch, auch Kinder und Jugendliche aus Familien mit Migrationshintergrund besser zu integrieren als bisher.

Dass diese neue Schwerpunktsetzung zwischen den beiden Vorsitzenden abgesprochen ist, zeigt sich nicht nur an der parallelen Betonung des Themas. "Ich habe mit der Kanzlerin mehrfach darüber gesprochen. Es soll ein starkes Maßnahmenpaket für eine familienpolitische Offensive in Deutschland geben", bekräftigte Seehofer am Sonntag.

Allerdings ist noch völlig offen, wie die Maßnahmen genau aussehen sollen - und wie sie finanziert werden können. Die CSU hatte angesichts der Wohnungsproblematik etwa in Ballungsgebieten frühzeitig die stärkere Förderung für den Kauf von Wohneigentum für Familien ins Gespräch gebracht. Es gibt Ideen für ein Kindersplitting, das das Ehegattensplitting ergänzen könnte. Eine weitere Idee ist ein Bildungskonto, in das der Staat bei einkommensschwachen Familien einzahlen könnte oder finanzielle Hilfen bei der Babyausstattung. Daneben werden die schrittweise Abschaffung der Kita-Gebühren erwogen - obwohl dies eigentlich Angelegenheit der Länder bzw. Kommunen ist. Denkbar sind auch geringere Sozialversicherungsbeiträge für Familien mit geringen Einkommen.

Schwesig hält das für Wahlkampfrhetorik: „Ich glaube der Union kein Wort“, sagte sie. „CDU und CSU haben den Familien bereits im Bundestagswahlkampf 2013 viel versprochen und dann nichts gemacht.“ Als Familienministerin habe sie in den vergangenen Jahren erlebt, dass alle Verbesserungen für Familien - von der Entlastung für Alleinerziehende bis zur höheren Kita-Förderung - gegen die Union hätten durchgesetzt werden müssen.

Merkel sprach in Münster zudem von einer denkbaren steuerlichen Entlastung von Familien in den ersten Grundschuljahren. Festlegungen, so heißt es in der CDU, werde es wohl erst im Juni geben.

Denn auch die Finanzierung gilt als Problem. Die CDU hat bereits die von der CSU ebenfalls erhobene Forderung abgelehnt, bei der Erhöhung der Rentenanwartschaften von Müttern erneut nachzulegen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Allein dies würde Milliarden kosten. "Wir werden uns entscheiden müssen", mahnte Merkel deshalb vor zu teuren Versprechungen. Auch die Haushaltsdisziplin und die Ablehnung von Steuererhöhungen gelten schließlich als unverzichtbare Elemente des Unionswahlprogramms - auf die Finanzminister Wolfgang Schäuble auch pochen wird. Prompt kritisierte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), dass die Versprechen der Union "unseriös" seien. Am Montag betonten nun Seehofer und der bayerische Finanzminister Markus Söder, dass man natürlich die Finanzierung aller gewünschten Maßnahmen in der Familienpolitik zuvor sichern müsse.

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