Nach Reker-Attentat Messerstecher präsentiert sich als Opfer

Der Anschlag auf Henriette Reker einen Tag vor der OB-Wahl in Köln sorgte für Entsetzen. Mit seinem Messerangriff wollte Frank S. „ein Zeichen setzen“. Zum Prozessauftakt gibt er sich als liberaler Weltbürger.

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Henriette Reker (59) war einen Tag vor der OB-Wahl Mitte Oktober an einem Wahlkampfstand niedergestochen worden und lag zeitweise im künstlichen Koma. Quelle: dpa

Düsseldorf „Ich bin toleranter als mancher andere“, kein Nazi, sondern ein „wertkonservativer Rebell“. Er lese Zeitungen „von links bis rechts“, sagt Frank S., der unmittelbar vor der Kölner Oberbürgermeisterwahl die schließlich auch gewählte Kandidatin Henriette Reker niedergestochen hatte. „Man wird älter, man wird ruhiger.“ Zum Auftakt seines Prozesses am Freitag vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht präsentiert sich der 44-Jährige vor allem als Opfer. Sein Pflegevater habe ihn mit einer Pistole bedroht, die Bonner Antifa habe ihn als Nazi gejagt, „schwerkriminelle Ausländer“ hätten ihn bedroht, Mitgefangene ihn zusammengeschlagen.

Dass er es war, der Henriette Reker einen Tag vor ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin am 17. Oktober ein Jagdmesser tief in den Hals gerammt hat, bestreitet er nicht. Er kündigt sogar an, am Ende des Prozesses die Gründe zu nennen, die ihn dazu bewogen haben. Das könnte man bereits als Geständnis werten.

Doch im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts geht es zunächst um das Vorleben des Angeklagten. Und da rückt er erst auf Nachfrage damit heraus, dass er damals erst den Pflegevater zu Boden geworfen und bedroht hatte, bevor der zur Pistole griff. Auch seine Tätowierung spricht eine nicht so friedliche Sprache: „Berserker Bonn“ ist in großen Lettern zu lesen. Das stamme aus seiner Zeit in der rechten Szene in den 1990er Jahren, als er einer Art Bürgerwehr angehört habe, räumt er ein, als er an Neonazi-Aufmärschen für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß teilnahm.

Mehr als drei Jahre Gefängnis hat ihm diese Zeit eingebracht. Für Gewaltdelikte, über die er heute nicht mehr reden möchte. „Schlägereien mit der Antifa“ lässt er sich schließlich entlocken, „politische Sachen“.

Der Angeklagte erzählt im freundlichen Plauderton. Er sei ein Arbeitstier, ein lebensfroher Mensch, habe sogar eine Hippie-Freundin gehabt. Um der Gewaltspirale zu entfliehen, sei er nach Köln gezogen. Als „Rechts“ möchte er sich heute aber nicht mehr einstufen.

Sein Verteidiger kritisiert den Vorwurf des versuchten Mordes: „Würde es sich hier nicht um eine Politikerin in gehobener Position handeln, hätte ich keine Zweifel daran, dass mein Mandant nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt würde und nicht wegen versuchten Mordes.“

Der Vertreter der Bundesanwaltschaft sagt: „Der Angeklagte hatte sich entschlossen, die Geschädigte zu töten.“ Frank S. habe Reker „völlig überraschend“ angegriffen und danach wahllos auf umstehende Menschen eingestochen, vier von ihnen wurden verletzt.

Die parteilose Politikerin wurde lebensgefährlich verletzt und lag während ihrer Wahl an die Spitze der größten Stadt Nordrhein-Westfalens im künstlichen Koma. Reker wird in zwei Wochen als Zeugin aussagen und dann Frank S. gegenübertreten.

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