
WirtschaftsWoche: Frau Nikutta, Bund und Länder streiten seit Monaten darüber, wie die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs ab 2014 finanziert werden soll. Welche Folgen hat das für Sie?
Nikutta: Unsere Projekte werden nicht von heute auf morgen geplant, sondern haben meist eine lange Vorlaufzeit. Vor diesem Hintergrund braucht es eine schnelle Einigung, denn wir brauchen langfristige Planungs- und Finanzierungssicherheit.
Der Bund will sich aus der Finanzierung Schritt für Schritt herausziehen. Außerdem soll die Zweckbindung der Mittel für den Nahverkehr entfallen.
Wenn es so kommt, wird die Konkurrenz um öffentliche Mittel in den nächsten Jahren noch härter. Insbesondere langfristige Projekte werden es immer schwerer haben als kurzfristige Ausgaben. Die meisten Mittel, die wir benötigen, fließen in den Erhalt der Infrastruktur. Da besteht die Gefahr, dass Sanierungen bei knapper werdenden Mitteln so lange verschoben werden, wie es irgendwie geht. Das läuft letztendlich auf Substanzverzehr hinaus. Das kann die Funktionalität des gesamten Netzes von U-Bahn und Straßenbahn negativ beeinflussen. Letztendlich bringt das einen deutlichen Verlust an Zuverlässigkeit und Qualität für unsere Kunden.





Was heißt das konkret in Berlin?
Berlin punktet international mit seinem herausragend guten ÖPNV-Angebot, das nicht zuletzt durch umfangreiche Investitionen zustande gekommen ist. Wir sind hier in Berlin sehr stolz, eine der ältesten U-Bahnen der Welt zu haben, deren Pflege und Sanierung uns sehr am Herzen liegt. In den letzten Jahren haben wir mehr als 100 Millionen Euro in die Sanierung der vor hundert Jahren gebauten Viadukte investiert. Jetzt müssen in viele Bauten aus den Sechziger und Siebziger Jahren Instandhaltungsinvestitionen fließen. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, die gute Qualität des Berliner Nahverkehrs langfristig zu halten.
Wie hoch ist der Investitionsstau an der Berliner Infrastruktur?
Alles, was für einen sicheren Betrieb notwendig ist, wird natürlich gemacht. Aber insbesondere im U-Bahn-Bereich stehen wir in den nächsten zwanzig Jahren zum Erhalt und zur Pflege des Bestandes vor umfangreichen Aufgaben. Ganz besonders wichtig sind langfristige und vor allen Dingen kontinuierliche Ersatzbeschaffungen von U-Bahn- und Straßenbahnfahrzeugen, die bisher immerhin auch zu etwa einem Viertel durch Bundesmittel finanziert wurden.
Welches Ergebnis wünschen sie sich denn für die Revision, über die Bund und Länder gerade streiten?
Natürlich wünschen wir uns eine schnelle Einigung, die unseren gesamten Investitionsbedarf anerkennt. Im Gegensatz zur früheren Gesetzeslage, die in der Regel nur die Förderung von neuen Infrastrukturmaßnahmen vorsah, muss künftig insbesondere die laufende Erneuerung der bestehenden Anlagen im Vordergrund stehen. Wünschenswert wäre es zudem, wenn ein Sonderprogramm zum Erhalt und Pflege unseres Netzes aufgelegt würde. Qualitativ hochwertiger ÖPNV geht, genauso wie Straßenverkehr, nicht ohne öffentliche Investitionen. Deshalb braucht der ÖPNV eine auskömmliche Finanzierung der Infrastruktur. Wir entlasten ja auch die Straßen und machen damit unsere Städte lebenswert.
Tun Bund und Länder genug für den ÖPNV?
In Berlin ist es uns gelungen, immer mehr Menschen weg vom Auto hin zum ÖPNV zu bewegen. Nur noch ein Drittel aller Berliner hat überhaupt ein Auto. Unsere Erfahrung ist, dass wir überall dort Fahrgäste hinzugewinnen, wo das Angebot und die Qualität stimmen. Es braucht daher ein klares Bekenntnis zum ÖPNV als wichtiger Bestandteil einer funktionierenden und lebenswerten Stadt. Bund und Land sind bei diesem Thema weiter gefragt.