Nationale Industriestrategie 2030 Peter Altmaier – Schutzpatron der Großindustrie

Nationale Industriestrategie 2030: Peter Altmaiers Industrieplan Quelle: AP

Angesichts scharfer Konkurrenz aus den USA und China will Wirtschaftsminister Altmaier den Industriestandort Deutschland stärken. Im Zentrum seiner „Nationale Industriestrategie 2030“: heimische Branchengrößen. wie Siemens, Thyssenkrupp, die Automobilhersteller sowie die Deutsche Bank.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will notfalls mit staatlicher Hilfe Arbeitsplätze in Deutschland sichern und einen Rahmen schaffen für den Aufbau neuer Weltkonzerne „Made in Germany“. Feindliche Übernahmen sollen über staatliche Beteiligungen verhindert werden können. In sehr wichtigen Fällen könne der Staat „für einen befristeten Zeitraum als Erwerber von Unternehmensanteilen auftreten“, betont Altmaier in einer am Dienstag vorgestellten „Nationalen Industriestrategie 2030“. Dafür komme die Schaffung eines Fonds in Betracht. Die Industrie lobte viele Ansätze: es gehe darum, über acht Millionen Arbeitsplätze im In- und Ausland zu sichern.

Er sei bei den Fonds-Überlegungen zur Abwehr feindlicher Übernahmen sehr geprägt worden von der Entwicklung bei dem Robotikhersteller Kuka aus Augsburg, bei dem der chinesische Eigentümer Midea nun das Sagen hat und durchregiert. Altmaier sagte, im Wettbewerb zwischen Asien, den USA und Europa sei das Schaffen von neuen „nationalen wie europäischen Champions“ notwendig. Er will die Industriestrategie nun mit Politik, Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften beraten. Am Ende soll eine neue Industriestrategie der Bundesregierung stehen.

Der Minister will auch durch verlässliche Rahmenbedingungen wie bezahlbare Energiepreise, niedrige Steuern und eine Abgabenlast unter 40 Prozent Konzerne in Deutschland stärken und angesichts der Konkurrenz gerade mit China die Weichen für einen Erhalt von Wohlstand und Arbeitsplätzen stellen. „Ich halte die Höhe der Strompreise für ein Problem“, sagte Altmaier. Es gebe eine gewaltige Dynamik in den neuen Industriezweigen, etwa bei der Elektromobilität, der Digitalisierung und bei der Künstlichen Intelligenz, der nach Meinung vieler „größten Innovation seit Erfindung der Dampfmaschine“.

Der Wirtschaftsminister stellt seine „Nationale Industriestrategie“ vor. In Berlin erleben Politiker eine Renaissance, die die Wirtschaft, wenn nötig, auch blockieren wollen. Die Gefahren werden ausgeblendet.
von Sophie Crocoll, Malte Fischer, Max Haerder, Angela Hennersdorf, Martin Seiwert

Wer die Entwicklung verschlafe, werde „die verlängerte Werkbank der Anderen sein“. Kritik an zu viel Staatseinfluss wies er zurück: „Ich bin ein überzeugter Anhänger der sozialen Marktwirtschaft, und ich bin ein Bewunderer von Ludwig Erhard.“ Altmaier betont in seinem Konzept, es sei Anlass zur Sorge, dass in Deutschland kaum noch neue Großkonzerne entstehen, „stattdessen frühere Weltmarktführer wie AEG oder Grundig schon lange ihre Stellung verloren haben“, heißt es in dem Papier. In den USA und China seien dagegen „in den letzten 20 Jahren zahlreiche neue große Weltmarktkonzerne entstanden.“

Dadurch entstehe neue Wertschöpfung. Der Saarländer gab als Ziel aus, dass der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung bis 2030 auf 25 Prozent und in der EU auf 20 Prozent steigen soll. Er wandte sich gegen Vorwürfe, dass der Staat hier zu sehr eingreifen wolle. „Wir haben in letzter Zeit zu viel über die kleinen Fragen dieses Landes diskutiert und zu wenig über die großen Fragen.“ Ohne China beim Namen zu nennen, sprach er von einem aggressiven Auftreten einiger Staaten – immer wieder wird Firmen das Abgreifen von Know-How vorgeworfen. Die Bundesregierung hat als Antwort auf einen versuchten Einstieg eines chinesischen Konzerns beim Stromnetzbetreiber 50Hertz bereits die Hürden für Einstiege in sensiblen Branchen stark erhöht.

In Deutschland führt Altmaier als Vorbilder Siemens, ThyssenKrupp, die Autohersteller und die Deutsche Bank an, als Erfolgsgeschichte auf EU-Ebene den Flugzeugbauer Airbus. Um deren Zukunft zu sichern, sollen Fusionen und Übernahmen in Europa leichter möglich sein. Aber ein solches, vor der Entscheidung stehendes Projekt könnte scheitern: Die geplante Zugfusion von Siemens und Alstom dürfte wegen Bedenken der EU-Kommission untersagt werden. Altmaier betonte, gerade in die Zuginfrastruktur in Europa müsse massiv investiert werden.

Schon früher gab es Versuche für Bündnisse zwischen Politik und Industrie, nun will Altmaier eine dauerhafte Staatsstrategie. Man müsse vom passiven Beobachter einer Entwicklung wieder zu einem Gestalter und Akteur werden. Es gehe darum, Wertschöpfung im Land zu stärken, im Autosektor durch einen Anschub für den Aufbau der E-Auto-Batteriezellenproduktion. Altmaier, der als Umweltminister mit groß angekündigten Aufschlägen wie dem daheim am Computer geschriebenen Konzept für eine Strompreisbremse wenig erfolgreich war, zeigte sich optimistisch für die Umsetzung. Das Papier sei „mit viel Liebe und Nachdenken geschrieben“ worden.

Insgesamt finden sich viele Zielsetzungen, aber wenige konkret ausformulierte Ideen in dem Papier. Altmaier steht unter Druck, die Opposition verspottet ihn als „Ankündigungsminister“. Mit Plänen für eine Unternehmenssteuerreform und Entlastungen von bis zu zehn Milliarden Euro biss er beim Koalitionspartner SPD auf Granit.

Das Echo fiel insgesamt gemischt aus. Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), lobte vor allem Vorschläge für eine Reform im Steuersystem, warnte aber vor zu viel Einflussnahme: „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer“. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, sagte: „Es ist höchste Zeit für industriepolitisches Gesamtkonzept“.

Der VDMA, der als Verband den mittelständisch geprägten Maschinen- und Anlagenbau vertritt, kritisierte einen zu starken Fokus auf Konzerne, statt gezielt die Innovationstreiber im Mittelstand zu unterstützen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund signalisierte weitgehend eine Unterstützung für Altmaiers Ideen. Das DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell betonte zugleich: „Es reicht nicht, Industriepolitik lediglich auf einen globalen Standortwettbewerb zu reduzieren.“ Auch eine begrenzte Beteiligung des Staates an Unternehmen – etwa bei kritischen Infrastrukturen – sei in dem Zusammenhang sinnvoll.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%