Nationalkonservative und Christentum Die AfD im Dauerstreit mit den Kirchen

AfD-Wähler sind mehrheitlich konfessionslos – sehen sich aber als Verteidiger des Christentums. Mit den Kirchen liegt die Partei im Dauerclinch.

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AfD: Alternative für Deutschland im Dauerstreit mit den Kirchen Quelle: dpa

Berlin Die AfD versteht sich selbst als Verteidigerin von Christentum und Abendland. In einem Antrag, den ihre Fraktion an diesem Donnerstag im Bundestag präsentiert, fordert sie die Bundesregierung auf, Entwicklungshilfe für Staaten, in denen Christen diskriminiert und verfolgt werden, zu kürzen. Gleichzeitig sollten Einreiseverbote für die politische Eliten dieser Staaten verhängt oder Konten eingefroren werden.

Doch das Verhältnis zwischen den Rechtspopulisten und den Kirchen ist miserabel – mit Tendenz nach unten. Hauptstreitpunkt ist die Flüchtlingspolitik. Während die AfD vor allem von Begrenzung, Abschiebung und „kriminellen Flüchtlingen“ spricht, legen die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände den Schwerpunkt auf Hilfe und Nächstenliebe.

In Thüringen schickte eine Tafel der Diakonie kürzlich eine 100-Euro-Spende an Anton Friesen zurück. Der Bundestagsabgeordnete der AfD hatte zuvor auf seiner Internet-Seite über seine gute Tat informiert. Das Diakoniewerk Sonneberg begründete ihre Ablehnung damit, das Menschenbild des Wohlfahrtsverbandes der evangelischen Kirchen seit mit dem der AfD „nicht vereinbar“.

In Bayern lehnten zwei Tafeln laut Medienberichten 600 Fertigsuppen ab, die ein AfD-Politiker spenden wollte. Die Tafel-Organisatoren befürchteten demnach, der Lokalpolitiker könnte die Aktion parteipolitisch ausschlachten.

Im März schlossen sich die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, und der katholische Bischof von Magdeburg, Gerhard Feige, einem zivilgesellschaftlichen Bündnis an, das sich „gegen ein Klima der Angst und Denunziation“ in Sachsen-Anhalt richtet. Es wurde gewarnt vor Angriffen auf „alle, die für eine vielfältige und weltoffene Gesellschaft stehen“ und von der AfD als politische Gegner ausgemacht würden.

Der AfD-Fraktionschef im Landtag von Sachsen-Anhalt, Oliver Kirchner warf Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche daraufhin vor, sie mischten sich zu sehr in politische Belange ein. Die Kirchen störten AfD-Demonstrationen durch Glockengeläut und redeten „als Hauptprofiteure der Asylkrise“ die AfD schlecht, klagte er. Sein Stellvertreter Tobias Rausch kündigte öffentlich seinen Austritt aus der evangelischen Kirche an.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Armin Hampel forderte seine christlichen Parteifreunde beim Bundesparteitag in Köln vor einem Jahr auf, aus der Kirche auszutreten. Er ärgerte sich damals über die Teilnahme von Kirchenvertretern an einer Protestaktion gegen den Parteitag – unter dem Motto „Unser Kreuz hat keine Haken“. Dieser Aufruf trug Hampel viel Kritik ein – auch aus der eigenen Partei.

Die Konfessionslosen stellen unter den AfD-Wählern heute schon mit 17 Prozent die größte Gruppe. Das erstaunt nicht, schließlich hat die Partei auf dem Gebiet der ehemaligen DDR besonders viele Anhänger. Laut einer Befragung der Forschungsgruppe Wahlen waren unter den insgesamt 12,6 Prozent AfD-Wählern bei der Bundestagswahl im September 9 Prozent Katholiken und 11 Prozent evangelische Christen.

Besonders stark ist die AfD seit ihrer Gründung 2013 im religiös-konservativen Milieu der evangelischen Freikirchen verankert. Doch gerade hier herrscht seit der Abspaltung des liberal-konservativen Flügels um Parteigründer Bernd Lucke ein gewisses Unbehagen angesichts von rassistischen Äußerungen aus dem rechten Parteiflügel.

Auch Anette Schultner, ist Mitglied einer Freikirche. Als Vorsitzende der Bundesvereinigung Christen in der AfD nahm sie im Sommer 2017 an einem Streitgespräch auf dem Evangelischen Kirchentag in Berlin teil. Im Oktober trat sie, kurz nach dem Abgang von AfD-Chefin Frauke Petry, aus der Partei aus. Als Grund führte Schultner die „Radikalisierung“ der AfD an.

Joachim Kuhs (61) bedauert Schultners Austritt. Der Vater von zehn Kinder ist stellvertretender Vorsitzender der Christen in der AfD und seit Dezember Mitglied im Parteivorstand. Kuhs ist Gemeindeältester einer anglikanischen Gemeinde in Baden-Baden. Zur AfD fand er, weil er gegen Abtreibungen und frühen Sexualkundeunterricht ist. Seine Frau erklärt, Grundschulkinder würden in Baden-Württemberg mit Sexualpraktiken vertraut gemacht, von deren Existenz sie selbst bislang nichts gewusst habe.

Ihr Mann wirft den Kirchen vor, sie hätten in der Flüchtlingsfrage „einen moralischer Imperativ gesetzt“. An seinem Esstisch hätten zwar auch schon Asylbewerber aus dem Iran und aus Nigeria gesessen. Das Prinzip der christlichen Nächstenliebe als Pflicht gegenüber allen Menschen dieser Welt zu definieren, hält er aber für falsch. Er sagt: „Der Nächste ist nicht jeder.“

Liane Bednarz saß beim Kirchentag in Berlin mit Schultner auf dem Podium. Sie hat jetzt ein Buch veröffentlicht: „Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern“. Kuhs sagt: „Das tut schon weh, wenn man so über uns redet.“

Ähnlich wie damals beim Evangelischen Kirchentag steht jetzt auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) in der Kritik, weil es einen AfD-Politiker eingeladen hat. Der kirchenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Volker Münz, soll beim Katholikentag in Münster im Mai mit Vertretern der anderen Bundestagsparteien diskutieren. Thema der Veranstaltung: „Nun sag', wie hast du's mit der Religion?“

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