Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat deutliche Kritik an den nur langsam steigenden Verteidigungsausgaben von Bündnisstaaten geübt. „Wir bewegen uns in die richtige Richtung, aber wir bewegen uns nicht so schnell, wie es die gefährliche Welt, in der wir leben, erfordert”, sagte der Norweger mit Blick auf die Herausforderungen durch Russland, Terrorismus und China.
Er erwarte, dass die Staats- und Regierungschefs beim nächsten Gipfeltreffen im Juli ambitionierten Zielvorgaben zustimmten. Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sollten die neue Untergrenze werden.
Das aktuelle Nato-Ziel sieht vor, dass sich alle Bündnisstaaten bis 2024 dem Richtwert annähern, mindestens zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben. 2022 wurde es nach den jüngsten Nato-Zahlen allerdings nur von sieben Alliierten erreicht. Neben den USA, Großbritannien und Polen waren dies die drei baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland sowie Griechenland.
30 Nato-Staaten gaben rund 1,2 Billionen Dollar aus
Insgesamt gaben die 30 Nato-Staaten nach jüngsten Schätzungen im vergangenen Jahr rund 1,2 Billionen US-Dollar (etwa 1,1 Billionen Euro) für Verteidigung aus. Im Vergleich zu 2021 entsprach dies einem Anstieg um 1,9 Prozent, wie aus einem Bericht von Stoltenberg hervorgeht.
Dass der Anstieg trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht höher ausfiel, liegt vor allem daran, dass die Budgets für 2022 von den Regierungen bereits im Vorjahr und damit vor der russischen Invasion in die Ukraine geplant wurden. Für 2023 wird ein deutlich stärkerer Anstieg erwartet. Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte immer wieder, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben dauerhaft auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben will. Dafür soll zunächst ein im vergangenen Jahr angekündigtes Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro genutzt werden.
Schneller schlau: Nato
Der Kurzname Nato steht für
North
Atlantic
Treaty
Organization
– auf Deutsch: Organisation des Nordatlantikvertrags
Die Nato ist eine Allianz von europäischen und nordamerikanischen Ländern. Grundsätzlich heißt es bei der Nato, eine Nato-Mitgliedschaft sei offen für „jeden anderen europäischen Staat, der in der Lage ist, die Grundsätze dieses Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beizutragen.“
Um Mitglied zu werden, muss man den sogenannten „Membership Action Plan“ der Nato erfüllen. Zu diesem Plan wird man von der Nato eingeladen.
Mit Schwedens Beitritt im März 2024 und dem Beitritt Finnlands im April 2023 hat die Nato aktuell insgesamt 32 Mitglieder.
Seit 1949 sind Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA dabei. Sie gelten als Gründungsmitglieder.
Später traten Griechenland und die Türkei (1952), Deutschland (1955), Spanien (1982), Polen, die tschechische Republik und Ungarn (1999), Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien (2004), Albanien und Kroatien (2009), Montenegro (2017) und Nordmazedonien (2020) bei.
Stand: 11. März 2024
Die Nato und all ihre Mitglieder haben sich dazu verpflichtet, dass ein Angriff gegen eines oder mehrere ihrer Mitglieder einen Angriff gegen alle darstellt. Dies ist das sogenannte Prinzip der kollektiven Selbstverteidigung. Es ist in Artikel 5 des Washingtoner Vertrags festgeschrieben und fand in der Geschichte der Nato erst einmal Anwendung: als Antwort auf die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 in den USA.
Laut Angaben der Nato beraten sich die Mitglieder täglich zu Sicherheitsfragen. Demnach kommen hunderte Beamte sowie zivile und militärische Experten jeden Tag zusammen.
Ein Nato-Beschluss ist „der Ausdruck des kollektiven Willens aller Mitgliedsstaaten“, schreibt die Nato fest. Alle Entscheidungen werden konsensbasiert getroffen, also nach Diskussion und Konsultation zwischen den Mitgliedsländern. Bei der Nato gibt es keine Abstimmungen. Ein Beschluss ist immer das Ergebnis von Beratungen, bis eine für alle akzeptable Entscheidung getroffen ist.
Der Nato-Generalsekretär ist der höchste internationale Beamte im Bündnis. Er ist das öffentliche Gesicht der Nato, leitet den Internationalen Stab der Organisation und verantwortet die Steuerung der Beratungen und die Entscheidungsfindung in der Allianz.
Die Nato hat sich dazu verpflichtet, nach friedlichen Lösungen von Konflikten zu suchen. „Doch wenn diplomatische Anstrengungen scheitern, hat sie die militärische Macht, Operationen des Krisenmanagements durchzuführen“, heißt es bei der Nato. Diese müssen den eigenen Auflagen zufolge „im Rahmen der Beistandsklausel im Gründungsvertrag der Nato – Artikel 5 des Washingtoner Vertrags – oder mit einem Mandat der Vereinten Nationen erfolgen, entweder allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Ländern und internationalen Organisationen.“
Deutschland steigerte Ausgaben um zehn Prozent
2022 steigerte Deutschland nach den jüngsten Nato-Zahlen seine für das Bündnis relevanten Ausgaben um zehn Prozent von rund 52,4 auf 57,7 Milliarden Euro. Die Nato-Zielmarke wurde allerdings erneut weit verfehlt. So gab die Bundesrepublik nach den Vergleichszahlen rund 1,5 und nicht wie vorgesehen 2,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus.
Die USA investierten mit rund 822 Milliarden Dollar erneut mehr als doppelt so viel Geld in Verteidigung wie alle anderen 29 Nato-Partner zusammen und waren damit auch international absolute Nummer eins.
Zum Vergleich: Die Militärausgaben Russlands wurden vom Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS) zuletzt auf lediglich 87,9 Milliarden Dollar geschätzt, was unter Berücksichtigung von Kaufkraftunterschieden im Westen schätzungsweise rund 192 Milliarden Dollar entsprechen würde. China lag demnach bei 242,4 Milliarden Dollar beziehungsweise kaufkraftbereinigt bei 360 Milliarden Dollar.
Ob es beim Nato-Gipfel im Juli tatsächlich zu einer signifikanten Verschärfung des Zwei-Prozent-Ziels kommen wird, ist noch unklar. So haben nach Angaben von Diplomaten Länder wie Italien, Kanada und Belgien deutlich gemacht, dass sie den Plänen Stoltenbergs kritisch gegenüberstehen. Italien verweist zum Beispiel auf einen eingeschränkten Handlungsspielraum wegen seiner hohen Verschuldung.
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