
Der Veranstaltungsort war für das geschäftliche Publikum zentral gelegen: das Hotel Holiday Inn Frankfurt Airport-North ist nur wenige Minuten vom Flughafen der Main-Metropole entfernt. Der Preis für das eintägige Seminar lag im Businessclass-Bereich: 510 Euro (plus Mehrwertsteuer). Dafür versprach der Veranstalter einen „Überblick über die aktuellen Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung zum grenzüberschreitenden Umsatzsteuerrecht“. Einer der beiden Referenten kam aus dem Bundesfinanzministerium (BMF), ein Regierungsdirektor, zuständig für Umsatzsteuerrecht. Sein Name sagt der Öffentlichkeit nichts. Aber unter Kollegen ist der Mann eine Legende. Denn er gehört zu den bestbezahlten Nebenjobbern des deutschen Berufsbeamtentums.
Der Regierungsdirektor hält neben seiner Amtsarbeit (bezahlte) Vorträge zu umsatzsteuerlichen Nachweispflichten, er kommentiert in Fachbüchern das Umsatzsteuerrecht, zugleich ist er Mitherausgeber eines Standardwerks zum Thema.
Nebenjobs
„Aufgaben, die mit dem Hauptamt in Zusammenhang stehen, sollen (…) nicht als Nebentätigkeit zugelassen werden.“
Das klingt eindeutig, ist es aber nicht, denn:
„Steht eine Aufgabe im Zusammenhang mit dem Hauptamt und soll sie aus organisatorischen oder personalwirtschaftlichen Überlegungen nicht unter Verwendung eigener Ressourcen durchgeführt werden, kann sie grundsätzlich als Nebentätigkeit zugelassen werden.“
Will heißen: Kulante Chefs winken Nebenjobs durch, notfalls erstreitet sich der Beamte seinen Zuverdienst vor Gericht.
„Ein Organisations- und Geschäftsverteilungsplan, der die private Vortragstätigkeit des Klägers dem Hauptamt zuordnet, besteht nicht.“
Will heißen: Gäbe es einen solchen Plan, müsste man darüber verhandeln.
„Das allgemeine beamtenrechtliche Weisungsrecht erstreckt sich nicht auf die Abwicklung privatrechtlicher Verträge des Beamten.“
Will heißen: Die Nebenjobs gehen den Dienstherrn nichts an.
Mehr als 80.000 Euro verdiente der doppelt fleißige Beamte in Spitzenzeiten dazu, mehr als sein regulärer Staatslohn in Höhe von etwa 75.000 Euro. Zu viel, meinte sein Dienstherr schließlich, nach Jahren des Zuschauens.
Als es um das Seminar im Airport-Hotel in Frankfurt ging, wollte das BMF ein Exempel statuieren und seinem Beamten die Annahme eines Honorars untersagen. Doch der Staatsdiener blieb stur, klagte und bekam vom Verwaltungsgericht Köln recht. Die Richter verwiesen kühl auf die Artikel 2 und 12 Grundgesetz und die darin verbrieften Rechte: freie Entfaltung der Persönlichkeit. Und Berufsfreiheit.
Zwar ging das Bundesfinanzministerium in Revision. Doch beim Oberverwaltungsgericht Münster droht dem Dienstherrn Wolfgang Schäuble (CDU) die nächste Niederlage.
Nebeneinkünfte in Bundesministerien
Nebeneinkünfte des jeweiligen Spitzenreiters in ausgewählten Bundesministerien und nachgelagerten Behörden.
Quelle: Bundesregierung
2014: 12.000 Euro
2015: 12.779 Euro
2014: 13.500 Euro
2015: 7800 Euro
2014: 23.100 Euro
2015: 30.412 Euro
2014: 76.231 Euro
2015: 39.990 Euro
2014: 14.850 Euro
2015: 10.600 Euro
2014: 22.000 Euro
2015: 7600 Euro
2014: 12.000 Euro
2015: 12.000 Euro
2014: 5400 Euro
2015: 5400 Euro
2014: 6800 Euro
2015: 8372 Euro
2014: 7200 Euro
2015: 7200 Euro
2014: 7200 Euro
2015: 6500 Euro
Der zuständige Richter will gegen den (inzwischen pensionierten) Beamten nicht einmal eine mündliche Verhandlung zulassen, heißt es in Justizkreisen. Der Staatsdiener kann somit wohl auch das Frankfurter Zusatzhonorar behalten.
Peinlich für Schäuble
Das Urteil dürfte für Aufatmen quer durch deutsche Ministerien sorgen. Tausende Beamte verdienen sich nämlich mit Vorträgen, Aufsätzen oder Kommentaren ein mehr oder weniger üppiges Zubrot. Wie verbreitet Nebentätigkeiten von Staatsdienern sind, belegt eine Anfrage der WirtschaftsWoche bei den 15 Bundesministerien einschließlich Kanzleramt. Danach gingen rund 1100 Beamte einer bezahlten Nebentätigkeit nach.
Eine Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen, die der WirtschaftsWoche vorliegt, enthüllt besonders peinliche Zahlen für Minister Schäuble. Im vorigen Jahr haben allein 286 Beschäftigte aus seinem Zuständigkeitsbereich insgesamt 591 bezahlte Nebentätigkeiten ausgeübt. Bei 76 Prozent der Ministerialbeamten gab es inhaltliche Überschneidungen mit dem Aufgabenbereich ihres Hauses. Der Topnebenjobber in Schäubles Haus kam 2015 auf 39.990 Euro, im Jahr davor lag der (Neben-)Spitzenverdienst gar bei 76.231 Euro. Verglichen damit nimmt sich der höchste Nebenverdienst eines Beamten aus dem Bundesjustizministerium mit 10.600 Euro im Jahr 2015 bescheiden aus. Noch niedriger waren die Nebeneinkünfte im Bundeswirtschaftsministerium, wo die Nummer eins zuletzt auf 8372 Euro kam.