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Neonazi-Mordserie Bundesjustizministerin will Verfassungschutzämter zusammenlegen

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger drängt die Länder zur Konzentration ihrer Verfassungsschutzämter. Die Innen- und Justizminister wollen heute über Konsequenzen aus dem Versagen der Sicherheitsdienste beraten.

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Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Quelle: dpa

Berlin Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) drängt die Länder zur Zusammenlegung ihrer Verfassungsschutzämter. Statt über 16 Landesämter „könnte man auch über drei oder vier nachdenken“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der „Süddeutschen Zeitung“ vom Freitag. Die Ministerin rügte „Doppelzuständigkeiten“ und „Effizienzverluste“ zwischen den Behörden. „Da weiß der eine nicht, welche V-Leute der andere hat“, sagte sie. Daher müssten die Verfassungsschutz- und Kriminalämter der Länder stärker konzentriert werden.

Im Fall der rechtsextremen Terrorzelle von Zwickau übte die FDP-Politikerin harsche Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden: „Das gesamte Alarmsystem gegen Rechts hat nicht funktioniert.“ Es sei unfassbar, dass die Zwickauer Zelle mehr als zehn Jahre morden konnte. „32 Landeskriminal- und Verfassungsschutzämter haben es nicht geschafft, eine rechtsextreme Mordserie zu verhindern“, beklagte die Ministerin. Auch die Politik habe Fehler begangen, indem sie die Dimension des Rechtsextremismus unterschätzt habe. So seien die Verfassungsschutzberichte „offensichtlich unzureichend“ gewesen.

Auf die umstrittenen V-Leute will Leutheusser-Schnarrenberger dagegen nicht verzichten. Allerdings solle Einsatz von Informanten rechtlich neu geregelt werden. In dieser Zeit könnten auch die V-Leute in den Führungsgremien der NPD abgeschaltet werden, wenn man ein neues Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei erwäge. „Wir können nicht beides haben: V-Leute und ein NPD-Verbot“, erinnerte die Ministerin an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, forderte ebenfalls eine engere Verzahnung der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern. Dabei müsse aber das verfassungsrechtliche Trennungsgebot gewahrt werden, sagte Ziercke der Zeitung „Die Welt“. Zudem zeigte er sich offen für den Vorschlag, ein Abwehrzentrum gegen Terror von Rechts zu gründen. Bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus habe sich die Einrichtung eines solchen Zentrums bewährt.

Bei ihrem Krisentreffen in Berlin wollen die Innen- und Justizminister von Bund und Ländern über Konsequenzen aus der Affäre um die Neonazi-Zelle aus Zwickau beraten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat bereits Pläne zur Schaffung eines Zentralregisters gefährlicher Rechtsextremisten bekanntgegeben. An dem Treffen sollen neben Ziercke auch der neue Generalbundesanwalt Harald Range und der Chef des Bundesverfassungsschutzes, Heinz Fromm, teilnehmen.

Der Zwickauer Gruppe werden mindestens zehn Morde an Migranten und einer Polizistin zu Last gelegt. Der offenbar rechtsextremistische Hintergrund der Mordserie zwischen 2000 und 2007 war den Ermittlern nicht aufgefallen und kam erst ans Licht, als Anfang November zwei Mitglieder der Zelle in einem Wohnmobil in Eisenach Selbstmord begingen und später in ihrer Zwickauer Wohnung Tatwaffen entdeckt wurden. Ein mutmaßliches Mitglied und ein mutmaßlicher Komplize sitzen in Untersuchungshaft.

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