NetzDG Kampf um das Anti-Hass-Gesetz

Drei Fraktionen im Bundestag attackieren das Gesetz gegen Hasskommentare im Internet. Dabei deutet sich eine ungewollte Allianz an. Anders als die Linken wollen FDP und AfD eine Aufhebung des Regelwerks durchsetzen.

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Die Fraktionen von Linken, FDP und AfD rütteln mit eigenen Gesetzentwürfen am sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Quelle: dpa

Berlin Dass die AfD das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gegen Hasskommentare in sozialen Medien wie Facebook torpediert, ist keine Überraschung. Die Rechtspopulisten zählen seit jeher zu den heftigsten Kritikern des Regelwerks von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Heute sehen sie ihre Chance gekommen, das NetzDG zu kippen.

„Wir halten Wort! Das #NetzDG muss weg“, schreibt die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar auf Twitter. Was sie damit meint, lässt sich am frühen Nachmittag im Bundestag verfolgen. Gegen 14 Uhr steht das Netzwerkdurchsetzungsgesetz auf der Tagesordnung des Bundestages. Drei Gesetzentwürfe stehen zur Debatte. Das Ziel der Initiativen von AfD, Linken und FDP ist jedoch nicht immer genau dasselbe. Während die AfD eine generelle Aufhebung des Gesetzes anstrebt und dabei fast auf einer Linie mit der FDP ist, die bis auf einen Aspekt das Gesetz ebenfalls aufheben will, will die Linksfraktion an einer ganzen Reihe von Punkten festhalten.

Bemerkenswert ist, dass die Liberalen zu hoffen scheinen, sich Zustimmung für ihre Vorstellungen sichern zu können, indem sie ihren Gesetzentwurf breiter fassen und nicht nur das NetzDG in den Blick nehmen. Daher nennen sie ihre Initiative auch Bürgerrechtestärkungs-Gesetz. Bei der AfD ist von einem „Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“ die Rede und bei der Linken von „Entwurf eines Gesetzes zur Teilaufhebung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“.

Die FDP will mit ihrem Vorhaben zusätzlich die endgültige Aussetzung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung erreichen. Wohlwissend, dass in den gescheiterten Jamaika-Sondierungen auch die Grünen darauf bestanden, das Prinzip der anlasslosen Datenspeicherung durch ein anlassbezogenes Vorgehen zu ersetzen. Zudem ist es ein offenes Geheimnis, dass auch die SPD nicht uneingeschränkt die Vorratsdatenspeicherung befürwortet.

Bei der Abstimmung über das neue Fahndungsinstrument vor zwei Jahren votierten zahlreiche SPD-Abgeordnete mit Nein. Zu den Abweichlern gehörten unter anderen der SPD-Netzpolitiker und heutige Generalsekretär der Partei Lars Klingbeil sowie der Sprecher der SPD-Linken im Bundestag, Matthias Miersch. Auch außerhalb des Bundestages ist der Druck groß, in dieser Frage sowie beim Anti-Hass-Gesetz zu Änderungen zu kommen. Gegen die Vorratsdatenspeicherung sind zahlreiche Verfassungsbeschwerden anhängig. Geklagt haben etwa die FDP, mehrere Grünen-Politiker, Bürgerrechtler und Datenschützer. Und auch gegen das NetzDG hat sich einen breite außerparlamentarische Front gebildet.

Der FDP schwebt daher auch vor, eine „Trendwende in der Innen- und Rechtspolitik“ einzuleiten, wie es in dem Gesetzentwurf heißt. Die Grundrechte der Bürger müssten wieder respektiert werden. Das gelte in der Auseinandersetzung mit Kriminalität und Terrorismus und genauso wie beim Vorgehen gegen Hassreden im Internet. Daher sei es erforderlich, diese Trendwende mit „ersten Schritten“ zu beginnen. „Dazu gehört die Abschaffung der verfassungswidrigen und europarechtswidrigen Vorratsdatenspeicherung sowie des verfassungsrechtlich mindestens zweifelhaften Netzwerkdurchsetzungsgesetzes.“

Das NetzDG war am 1. Oktober mit einer Übergangsregelung in Kraft getreten. Es verpflichtet Online-Netzwerke, Beschwerden über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte umfassender zu bearbeiten und diese schneller zu löschen. Die am heftigsten diskutierten Regelungen des Gesetzes wie die Fristen von 24 Stunden bzw. einer Woche zum Löschen strafbarer Inhalte greifen erst nach einer Übergangsregelung zum 1. Januar. Dann sollen sich Nutzer auch beim Bundesamt für Justiz beschweren können, wenn eine Beschwerde aus ihrer Sicht nicht ordnungsgemäß bearbeitet wurde.

Die FDP dürfte sich auch deshalb jetzt zum Handeln veranlasst sehen, weil sie im Bundestagswahlkampf, aber auch in den Jamaika-Sondierungen in der Wirtschaft hohe Erwartungen geweckt hat. Im Falle einer Jamaika-Koalition wäre es nur konsequent, das NetzDG zurückzunehmen und an einem Runden Tisch offen und transparent neue Strategien zum Umgang mit rechtswidrigen Inhalten im Netz zu erarbeiten, hatte der Chef des Verbands der Internetwirtschaft Eco, Oliver Süme, schon frühzeitig erklärt. Er erinnerte daran, dass Grüne und FDP sich vor der Wahl „sehr kritisch“ zu dem Gesetz geäußert und Nachbesserungen gefordert hätten. Liberalen-Chef Lindner habe sogar eine Klage angekündigt.

Mit ihrem Gesetzentwurf will die FDP-Fraktion das Netzwerkdurchsetzungsgesetz aufheben, da von den „bußgeldbewehrten Pflichten zur Löschung innerhalb starrer Fristen das Risiko einer vorsorglichen Löschung zulässiger Meinungen“ ausgehe. Nur die Pflicht zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten wollen die Liberalen erhalten, indem dieser Passus in das Telemediengesetz (TMG) übernommen wird. Allerdings hält es die Fraktion ohnehin für zweifelhaft, wie es in dem Entwurf weiter heißt, ob dem Bund für die Regulierung von Telemedien im Umgang mit rechtswidrigen Inhalten überhaupt die Gesetzgebungszuständigkeit zustehe.


Journalistenverband wirbt für FDP-Initiative

Wie die FDP sieht auch die AfD die Meinungsfreiheit durch das NetzDG bedroht. In ihrem Gesetzentwurf sprechen die Rechtspopulisten von einem „schwerwiegenden Eingriff in das Recht der freien Meinungsäußerung“. Aufgrund „nicht legaldefinierter Begriffe“ wie „Hasskriminalität“ oder „strafbare Falschnachrichten“ bestehe „eine nicht von der Hand zu weisende Gefahr eines über Gebühr ausgedehnten Anwendungsbereichs“ der Strafmaßnahmen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes „gegen jede abweichende Meinung“.

Die Fraktion beklagt zudem „eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung, denn die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Kommentare obliegt entweder den Betreibern der sozialen Netzwerke oder den durch sie finanzierten Einrichtungen zur Regulierten Selbstregulierung“, wodurch „dem Rechtsstaat die Verantwortung entzogen wird“. Im Gegensatz zu rechtswidrigen oder falschen Inhalten im Rundfunk- oder Verlagswesen, die „regelmäßig bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts über den Rechtsweg der ordentlichen Gerichte weder widerrufen noch gelöscht werden“, seien „die Netzwerkbetreiber angehalten, bereits beim Verdacht auf Rechtswidrigkeit die Kommentare unverzüglich selbst zu löschen“.

Die Linke will das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hingegen teilweise erhalten. Entfallen sollen vor allem die Vorschriften, die Vorgaben zur Gestaltung des Beschwerdemanagements durch Anbieter sozialer Netzwerke machen. Erhalten bleiben sollen die Regelungen, „deren Sinnhaftigkeit oder jedenfalls Unschädlichkeit“ unstrittig ist. Dazu zählten vor allem die Verpflichtung, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, die grundsätzliche Verpflichtung, ein zugängliches Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden anzubieten und ein Verfahren zum Umgang damit vorzuhalten, aber auch ein verpflichtendes Berichtswesen über diese Verfahren.

„Einer weiterführenden gründlichen Debatte über den Umgang mit strafbaren Inhalten im Netz, hetzerischen und diskriminierenden Äußerungen und der Verbreitung von Falschinformationen, auch im Hinblick auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf, wird dabei ausdrücklich nicht vorgegriffen“, schreibt die Linke.

Mit der Beratung der Gesetzentwürfe im Bundestag ist der Anfang gemacht. Die Entwürfe soll im Anschluss zur weiteren Beratung an den Hauptausschuss überwiesen werden. Und den gegebenen noch unklaren politischen Verhältnissen, ist es unwahrscheinlich, dass die Initiativen Erfolg haben werden.

Daran dürfte auch die Unterstützung für den FDP-Vorstoß durch den Deutschen Journalisten-Verband (DJV) wenig nützen. Zwar werde sich das Bundesverfassungsgericht mit der Vorratsdatenspeicherung befassen, aber schneller und einfacher wäre es, wenn der Bundestag das Gesetz kippen würde, sagte der DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz habe der DJV zwar das Interesse des Staates anerkannt, gegen Hass und Gewaltaufrufe in sozialen Netzwerken vorzugehen. Aber wegen der fehlenden Abgrenzungen zu den Netzauftritten von Medien und Journalisten sei das Gesetz problematisch. „Man kann es reformieren oder ganz abschaffen“, so Überall. „Hauptsache ist, dass es in seiner bestehenden Form verschwindet.“

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