Netzwerkdurchsetzungsgesetz Digitalwirtschaft will keine Gespräche mit der AfD

Mit der AfD hätte die Digitalwirtschaft einen Verbündeten im Bundestag gegen das Gesetz gegen Hass im Internet. Doch das „demokratiefeindliche Gedankengut“ innerhalb der Partei macht eine Zusammenarbeit unmöglich.

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„Ausgrenzung und Nationalismus sind mit einem freien Internet und Grundwerten unserer Verfassung nicht vereinbar.“ (Foto: PR)

Berlin Der neue Vorstandsvorsitzende des Verbands der Internetwirtschaft Eco, Oliver Süme, lehnt Gespräche mit der AfD derzeit ab. „Zu Parteien wie der AfD, die demokratiefeindliches Gedankengut propagieren und keine fundierten netzpolitischen Positionen vertreten, suchen wir proaktiv weder Kontakt und stehen unter diesen Umständen auch nicht auf Anfrage zu Gesprächen zur Verfügung“, sagte Süme dem Handelsblatt.

Süme trat damit dem Eindruck entgegen, der Einzug der AfD in den Bundestag könnte womöglich seinem Verband nützen. Hintergrund ist, dass sowohl Eco als auch die AfD das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gegen Hasskommentare in sozialen Netzwerken ablehnen.

Süme hatte zuvor laut einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt, sein Verband würde „auch mit der AfD reden, wenn sie sich vom rechtsextremen Flügel distanziert und eine sachlich fundierte netzpolitische Position entwickelt hat“. Allerdings habe er bislang keine signifikanten digitalpolitischen Äußerungen der AfD wahrgenommen. Er erwarte zudem, dass die Partei „die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft“ anerkenne und sich deutlich vom rechtsextremen Flügel um Björn Höcke und dem Vordenker Götz Kubitschek distanziere. Solange die Distanzierung ausbleibe, könne er nicht mit der AfD über das Internet sprechen – denn das sei „ein Grundinstrument einer freiheitlichen Ordnung“.

Süme betonte zudem, die Zukunft sei digital. „Ausgrenzung und Nationalismus sind mit einem freien Internet und Grundwerten unserer Verfassung nicht vereinbar, sie gefährden zudem das wirtschaftliche Wachstum einer Branche, die als Schlüsselbranche des Standorts Deutschland zu begreifen ist“, sagte er dem Handelsblatt.

Die AfD hatte erst kürzlich im Bundestag eine Initiative gegen das noch kurz vor der Bundestagswahl verabschiedete NetzDG gestartet. Nach dem Willen der Fraktion soll das Gesetz, das Betreiber von Internet-Plattformen wie Facebook und Twitter zur zügigen Löschung strafbarer Inhalte verpflichtet, wieder aufgehoben werden. Dazu hat sie einen entsprechenden Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht. Ihren Vorstoß begründete die AfD damit, dass das Gesetz aus ihrer Sicht „einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht der freien Meinungsäußerung“ darstelle. Aufgrund „nicht legaldefinierter Begriffe“ wie „Hasskriminalität“ oder „strafbare Falschnachrichten“ bestehe „eine nicht von der Hand zu weisende Gefahr eines über Gebühr ausgedehnten Anwendungsbereichs der Strafmaßnahmen des NetzDG gegen jede abweichende Meinung“.

Die Fraktion beklagt zudem „eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung, denn die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Kommentare obliegt entweder den Betreibern der sozialen Netzwerke oder den durch sie finanzierten Einrichtungen zur Regulierten Selbstregulierung“, wodurch „dem Rechtsstaat die Verantwortung entzogen wird“.

Ähnlich argumentieren die Digitalverbände. Sie hatte die Hoffnung, dass sich die FDP in einer Jamaika-Koalition für eine Rücknahme des Gesetzes stark machen würde. „Im Falle einer Jamaika-Koalition wäre es nur konsequent, dieses Gesetz zurückzunehmen und an einem Runden Tisch offen und transparent neue Strategien zum Umgang mit rechtswidrigen Inhalten im Netz zu erarbeiten“, hatte Süme Anfang Oktober dem Handelsblatt gesagt. Er erinnerte daran, dass Grüne und FDP sich vor der Wahl „sehr kritisch“ zu dem Gesetz geäußert und Nachbesserungen gefordert hätten. Der Chef der Liberalen, Christian Lindner habe zuletzt sogar eine Klage angekündigt.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche ist offen, was aus dem NetzDG wird. Allerdings besteht in Teilen der Union durchaus die Bereitschaft, das Gesetz auf den Prüfstand zu stellen und, falls nötig, zu korrigieren. Die SPD zeigte sich einer Evaluierung ebenfalls nicht abgeneigt.

Das Gesetz war am 1. Oktober mit einer Übergangsregelung in Kraft getreten. Es verpflichtet Online-Netzwerke, Beschwerden über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte umfassender zu bearbeiten und diese schneller zu löschen. Die am heftigsten diskutierten Regelungen des Gesetzes wie die Fristen von 24 Stunden bzw. einer Woche zum Löschen strafbarer Inhalte greifen erst nach der dreimonatigen Übergangsregelung zum 1. Januar. Dann sollen sich Nutzer auch beim Bundesamt für Justiz beschweren können, wenn eine Beschwerde aus ihrer Sicht nicht ordnungsgemäß bearbeitet wurde.

Das NetzDG sieht vor, dass „offensichtlich strafbare“ Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde gelöscht oder gesperrt werden müssen. In weniger eindeutigen Fällen haben die Online-Netzwerke eine Woche Zeit für eine Entscheidung. Das Justizministerium erklärte, dass unter Umständen auch mehr Zeit eingeräumt werde: „Sofern die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Inhalts von der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder erkennbar von anderen tatsächlichen Umständen abhängt, kann das soziale Netzwerk dies erst überprüfen und darf hierfür gegebenenfalls länger als 7 Tage benötigen.“

Kritiker des Gesetzes warnen, dass die Fristen die Online-Firmen dazu verleiten könnten, in unklaren Fällen eher zu löschen, um nicht Gefahr zu laufen, mit Geldstrafen belegt zu werden. Das Justizministerium konterte stets, es gehe nur um bereits strafbare Inhalte, Geldstrafen solle es nur bei systematischen Verstößen geben.

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