Netzwerkdurchsetzungsgesetz Maas erteilt Facebook eine Lektion - und macht einen Fehler

Löschen binnen 24 Stunden? Strafen bis zu 50 Millionen Euro? All das ist kein Problem. Doch in seinem Eifer, Facebook und Co. eine Lektion erteilen zu wollen, macht Justizminister Heiko Maas einen Fehler.

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In seinem Eifer, Facebook und Co. eine Lektion erteilen zu wollen, macht Justizminister Heiko Maas einen Fehler. Quelle: AP

Das Facebook-Gesetz von Justizminister Heiko Maas ist kein Schnellschuss. Das wird oft behauptet, doch wird es dadurch nicht weniger falsch. Dem SPD-Politiker fehlte es auch nicht an Rat. Hunderte Experten, Wissenschaftler und Verbände hatten sich zu Wort gemeldet.

Der überwiegende Teil warnte, das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, sei eine Gefahr für die Meinungsfreiheit. Und trotz der parteiübergreifenden Kritik – von stramm Linken, über die Gemäßigten bis hin zu Konservativen und gar Reaktionären – der Bundestag hat das NetzDG verabschiedet. Im Herbst tritt es in Kraft.

Eineinhalb Jahre hatte Maas mit den Anbietern sozialer Netzwerke debattiert – allen voran Facebook, Twitter und YouTube. Das war genug Zeit – zumal der Justizminister die Gegenargumente allesamt kennt. Zu Beginn der Debatte hatte Maas noch auf die freiwillige Kooperation der Anbieter gesetzt. Als er merkte, dass vor allem Facebook und Twitter nicht mitzogen, ließ er das Gesetz erarbeiten. „Was sollte ich sonst tun“, antwortet Maas rhetorisch, wenn er nach dem NetzDG gefragt wird.

Aus Sicht des Justizministers ist sein Gesetz vor allem eine Handlungsaufforderung an die Unternehmen. Künftig haben sie 24 Stunden Zeit, offenkundig strafrechtlich relevante Inhalte zu löschen. Wenn die Lage weniger eindeutig ist, bleiben sieben Tage Zeit.

Wenn ein Anbieter auf Dauer nicht löscht, drohen Strafen bis zu 50 Millionen Euro – schlechtes Beschwerdemanagement nennt sich das im feinsten Beamtendeutsch. Auf diese Art und Weise will Maas erreichen, dass Facebook und Co. ausreichend Personal engagieren, die auf Hasskommentare und Volksverhetzung auf ihren Plattformen reagieren.

All das ist richtig – Fristen von 24 Stunden bis 7 Tage, mehr Personal, selbst horrende Geldstrafen. Facebook und Twitter brauchen den Druck aus der Politik. Und doch ist das Gesetz von Heiko Maas in dieser Form falsch.

Unternehmen sollten nicht urteilen müssen, was Hass ist

Denn er überlässt es den Unternehmen, selbst zu entscheiden, was gelöscht wird und was nicht. Die Unternehmen werden sich bemühen, gute Dienstleister und Mitarbeiter zu finden, die die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Im Zweifel löschen sie aber lieber einen Eintrag zu viel, um bloß ein gutes Zeugnis für ihr Beschwerdemanagement zu erhalten.

Machen wir es konkret: In dieser Woche hat US-Präsident Donald Trump eine amerikanische Moderatorin beleidigt und verhöhnt. Die „verrückte“ Journalistin habe ihn unbedingt sprechen wollen, obwohl ihr Gesicht nach einem Face-Lifting noch geblutet habe. Es war eine widerwärtige Attacke auf eine Journalistin – manche würden gar argumentieren, das war ein Kommentar des Hasses. Ist er das? Womöglich, es gibt Argumente dafür und dagegen.

Tritt ein solcher Fall künftig in Deutschland auf (denn nur hier muss gelöscht werden), kommen die Unternehmen ganz schön in die Bredouille. Es ist falsch, sie beurteilen zu lassen, was Hass und Volksverhetzung ist. So eindeutig manche Fälle sind („Juden ins Gas“), so wenig eindeutig sind andere. Und selbst wenn man zur Überzeugung käme, die Trump-Tweets seien hasserfüllt. Sollten sie wirklich gelöscht werden? Nicht alles, was wir politisch ablehnen, sollte zensiert werden. Eine demokratische Gesellschaft braucht die Debatte – auch gegen Extremismus.

Das Unternehmen Facebook in Zahlen

Der Justizminister hätte gewusst, wie es besser geht. In Deutschland haben wir im Jugendschutz ein System zur freiwilligen Selbstkontrolle etabliert, das gut funktioniert. Hier checken 16 Landesmedienanstalten umstrittene Inhalte. Eine öffentlich-rechtliche Institution nach Vorbild der Landesmedienanstalten wäre auch die richtige Lösung für Hass in sozialen Netzwerken gewesen – finanziert von den Unternehmen und vom Staat. Eine solche Institution sollte prüfen und eine Empfehlung zum Löschen aussprechen – oder eben auch nicht. Und wenn es besonders kritisch wird, sollte im Zweifel ein Richter entscheiden.

Hass und Volksverhetzung im Netz können wir so nicht verhindern. Doch mit dem heute beschlossenen Maas-Gesetz, akzeptiert der Gesetzgeber, wenn die Meinungsfreiheit in sozialen Netzwerken eingeschränkt wird. Und all das nur, damit der Justizminister einigen US-Unternehmen eine Lektion erteilen kann. Das ist es nicht wert.

von Marc Etzold, Gregor Peter Schmitz, Cordula Tutt, Silke Wettach

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