Neue Berichtspflichten Noch mehr Aufwand für Unternehmen

Bundesjustizminister Heiko Maas will mehr Transparenz in der Wirtschaft – und nimmt Unternehmen in die Pflicht. Sie müssen künftig ausführlich Rechenschaft ablegen. Das ist mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden.

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Wirtschaftsverbände fürchten großen Aufwand aufgrund der neuen Berichtspflichten. Quelle: dpa

Berlin Auf Deutschlands Unternehmen kommen neue Berichtspflichten zu. Künftig müssen börsennotierte Unternehmen, Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern ihre wesentlichen Risiken bei „nichtfinanziellen“ Belangen darstellen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Hause von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat die Bundesregierung nun gebilligt.

„Wir wollen die Transparenz im Bereich der unternehmerischen Verantwortung weiter stärken“, sagte Maas. Unternehmen würden heute nicht mehr nur nach ihren Finanzdaten bewertet. Nach Einschätzung von Experten kommt auf die betroffenen Unternehmen ein erheblicher Aufwand zu.

Mit dem „Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten“ wird die CSR-Richtlinie aus Brüssel umgesetzt. CSR steht für Corporate Social Responsibility, also für die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Die Neuregelungen sollen erstmals für im Jahr 2017 beginnende Geschäftsjahre der Unternehmen wirksam werden.

Laut Gesetzentwurf müssen die Unternehmen – abgesehen von finanziellen Belangen – über folgende Aspekte berichten:

  • Umweltbelange:

    Die Angaben können sich beispielsweise auf Treibhausgasemissionen, den Wasserverbrauch, die Luftverschmutzung, die Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energien oder den Schutz der biologischen Vielfalt beziehen
  • Arbeitnehmerbelange: Darin sind Maßnahmen, die zur Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung ergriffen wurden, die Arbeitsbedingungen, die Umsetzung der grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, die Achtung der Rechte der Arbeitnehmer, informiert und konsultiert zu werden, den sozialen Dialog, die Achtung der Rechte der Gewerkschaften, den Gesundheitsschutz oder die Sicherheit am Arbeitsplatz enthalten

  • Sozialbelange: Beispielsweise Berichte über den Dialog auf kommunaler oder regionaler Ebene oder die zur Sicherstellung des Schutzes und der Entwicklung lokaler Gemeinschaften ergriffenen Maßnahmen

  • Achtung der Menschenrechte: Angaben über die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen

  • Bekämpfung von Korruption und Bestechung: Rechenschaft über die bestehenden Instrumente zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung

Die Unternehmen müssen im Lage- beziehungsweise Konzernlagebericht oder in einem gesonderten nichtfinanziellen Bericht ihre wesentlichen Risiken mit Blick auf diese Aspekte darlegen. Außerdem sind auch Angaben zu den Konzepten erforderlich, welche die Unternehmen in Bezug auf diese Belange verfolgen.

Zugleich werden die Sanktionsregelungen verschärft: Die heute schon im Handelsbilanzrecht bestehenden Straf- und Bußgeldvorschriften werden auf Verstöße gegen die neuen Berichtspflichten erweitert und der bisherige maximale Bußgeldrahmen deutlich angehoben. So kann die Geldbuße zehn Millionen Euro betragen oder fünf Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes, den die Kapitalgesellschaft in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat.


Arbeitgeber fürchten riesigen Mehraufwand

„Investoren, Unternehmen und Verbraucher verlangen zu Recht mehr und bessere Informationen“, betonte Justizminister Maas. Tatsächlich hat sich das Justizministerium jedoch um eine weitgehende Übernahme der EU-Richtlinie bemüht und von Erweiterungen der Berichtspflicht, beispielsweise auf die Bereiche Verbraucherschutz und Datenschutz, abgesehen. Allein die Umsetzung der grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation als möglicher Berichtsinhalt bei den Arbeitnehmerbelangen wurde ergänzt.

Zuvor hatte die Wirtschaft bereits mobil gemacht: Nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs im März hatten die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in einer gemeinsamen Stellungnahme vor einer solchen Erweiterung der Berichtsinhalte auf Verbraucherbelange eindringlich gewarnt.

Die Verbände fürchteten „unangemessenen administrativen und finanziellen“ Mehraufwand. Dieser stehe dem erklärten Willen der Bundesregierung entgegen, Bürokratie abzubauen und Unternehmen von Informations- und Nachweispflichten zu entlasten. „Eine erweiterte Berichtspflicht könnte auch kontraproduktiv wirken und das entsprechende Engagement reduzieren, um den Berichtsaufwand nicht noch weiter ansteigen zu lassen“, hieß es seinerzeit in der Stellungnahme.

Aus Sicht der Unternehmen wurde mit dem Gesetzentwurf also „Schlimmeres“ verhindert. Rechtsexperten gehen jedoch trotzdem von eine deutlichen Belastung aus: „Die neuen Regelungen werden erheblichen Aufwand bei den Unternehmen verursachen“, sagt Hilke Herchen, Expertin für Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle.

Und sie rechnet vor: Die EU-Kommission meine, dass ein CSR-Reporting für weniger als 5.000 Euro pro Jahr zu bewerkstelligen sei. Die Kosten für einen CSR-Report einschließlich der Erhebung der erforderlichen Daten, ihrer Auswertung und Darstellung dürften für die berichtspflichtigen Unternehmen Schätzungen zufolge aber deutlich höher liegen, bei 155.000 bis 600.000 Euro pro Jahr.

„Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Berichtspflichten nicht nur bei den eigentlichen Adressaten des CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetzes einen erheblichen Aufwand generieren, sondern auch – oder gerade – bei deren Zulieferern und Dienstleistern“, erklärt Juristin Herchen. „Diese müssen ihren Kunden Informationen für den Bericht zuliefern, so dass gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen zusätzlicher Bürokratieaufwand entsteht.“

Auch Bernd Keller, Bilanzierungsexperte bei Rödl & Partner, warnt: „Unabhängig von der Aufwandsschätzung der Bundesregierung wird die Differenziertheit und Heterogenität der Berichtselemente den Unternehmen organisatorisch und prozessual einiges abverlangen, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Unternehmen dies international für alle Konzernunternehmen erfassen müssen.“

Zudem werde die Anwendbarkeit für 2017 unmittelbar zu einem „Initialaufwand“ führen, um kurzfristig Informationen bereitstellen zu können. Insofern dürfte die Aufwandsschätzung eher nicht der Realität entsprechen.

 

 

 

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