Neue CO2-Limits Der einsame Kampf der Autobauer

CO2-Grenzwerte: Der einsame Kampf der Autobauer gegen neue Limits Quelle: dpa

Zum dritten Mal ringt die EU um schärfere CO2-Grenzwerte. Für die deutschen Hersteller wird das Risiko höher, denn auf den Einsatz der Kanzlerin können sie sich diesmal nicht verlassen.

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Die Aussagen der Vorstandsvorsitzenden ähnelten sich. „Alle wollen den Dieselskandal hinter sich lassen“, sagt ein hoher EU-Beamter, der die Chefs der deutschen Automobilbranche getroffen hat. Alle seien sich einig, dass der Imageschaden groß sei. Und alle wollten nach der Vergangenheitsbewältigung so weitermachen wie bisher, stellt der Mann fest: „Die haben nicht begriffen, dass die Welt ihre Dieselautos nicht mehr will.“

Aus Brüssel werden die deutschen Automobilbauer nun allerdings daran erinnert, wie überholt ihr Geschäftsmodell ist, das auf dem Verbrennungsmotor basiert. Der Kampf um neue CO2-Limits geht in die entscheidende Runde, und es sieht ganz danach aus, dass EU-Parlament und Mitgliedstaaten die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Einsparungen von 30 Prozent bis 2030 (im Vergleich zu 2021) sogar noch verschärfen. Die Autobranche selbst wünscht sich ein deutlich bescheideneres Ziel: 20 Prozent.

Das wird wohl ein Wunsch bleiben. Denn die deutschen Hersteller wissen, dass sie angesichts ihrer Verfehlungen keine Unterstützung der Bundeskanzlerin erwarten können. „Angela Merkel wird sich zum ersten Mal nicht für uns in die Bresche werfen“, heißt es aus der Industrie. Das war vor fünf Jahren anders: Da hatte Merkel auf Drängen der Hersteller per Telefon dafür gesorgt, dass ein längst ausverhandelter Kompromiss aufgeschnürt wurde. Merkel hat sich damals viele Feinde gemacht – und für die Industrie wenig erreicht: Eine Frist wurde um ein Jahr verschoben. „Merkel hat einen hohen politischen Preis für eine kleine Verbesserung gezahlt“, gesteht ein Automobilmanager ein.

Grafik Durchschnittliche CO2-Emissionsgrenzwerte für Neuwagen

Zudem herrscht in Berlin nicht nur im Umweltministerium, sondern auch im Wirtschaftsministerium der Eindruck, dass der Automobilindustrie ein Anreiz für umweltfreundlichere Produkte nicht schaden würde. „Deutschland hat die Solarindustrie an China verloren, das sollte sich bei Automobilen nicht wiederholen“, sagt ein Insider.

Noch ringt die Bundesregierung um eine Position, die Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) Anfang Oktober beim entscheidenden Treffen mit ihren EU-Kollegen vertreten soll. Schulze will Einsparungen von 50 Prozent, wie sie aller Voraussicht nach auch der Umweltausschuss des EU-Parlaments am 10. September beschließen wird. Die SPD will ihre Position Ende September festlegen. Bei einem Treffen im Kanzleramt mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Schulze könnte Merkel dann die deutsche Position festzurren.

Dabei wird es wohl nicht nur um CO2 gehen, sondern auch um die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen. Die Industrie fürchtet, dass auch eine höhere Besteuerung von Diesel auf den Tisch kommen könnte – und für einen weiteren Einbruch bei den Verkäufen sorgen dürfte. Bisher werden auf Diesel pro Liter 21,9 Cent weniger Steuern fällig als auf Benzin. Der Staat subventioniert den Kraftstoff mit acht Milliarden Euro pro Jahr. Das Umweltbundesamt kritisiert dies seit Langem. „Der Steuersatz für Dieselkraftstoff für Pkws sollte schrittweise auf den von Benzin erhöht werden“, sagt Behördenchefin Maria Krautzberger. „Langfristig empfehlen wir, auf Diesel sogar höhere Energiesteuern als auf Benzin zu erheben, da pro Liter Diesel mehr CO2 ausgestoßen wird.“

Zu den wenigen Verbündeten der Autohersteller zählen in diesen Tagen Gewerkschaften und Gesamtbetriebsräte, die um Arbeitsplätze fürchten. Nach einer Studie der IG Metall könnte der Trend zu Elektrofahrzeugen bereits 2030 rund 76.000 Jobs vernichten. „Dabei wird jedoch ausgeblendet, dass der Druck auf die Arbeitsplätze nicht wegen des Umstiegs auf Elektromobilität entsteht, sondern wegen der Produktivitätsgewinne der Digitalisierung“, sagt die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms. Die Abwehrkämpfe der deutschen Autolobby erinnern sie an die früheren Gesetzgebungsverfahren: „Ein Déjà-vu-Erlebnis.“

Immerhin: In seltenen Momenten bekommen Brüsseler Entscheider auch selbstkritische Töne von den Automanagern zu hören. So wie jenes ungewöhnliche Eingeständnis der BMW-Spitze, dass es schön wäre, einen Hybrid wie den Prius von Toyota im Angebot zu haben.

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