Neue Musterfeststellungsklage Hamburger Justizsenator kritisiert Ausschluss der Umwelthilfe von neuen Klagerechten

Die Umwelthilfe wird wohl nicht das neue Musterklage-Instrument für Klagen gegen VW nutzen können. Entsprechende Pläne der Koalition stoßen auf scharfe Kritik.

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Ausgerechnet die Umwelthilfe, die sich im VW-Dieselskandal einen Namen gemacht hat, hätte nach den Koalitionsplänen zu wenige stimmberechtigte Mitglieder, um eine Musterklage gegen Volkswagen führen zu dürfen. Quelle: dpa

Berlin Mit scharfer Kritik hat der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) darauf reagiert, dass die neue Musterfeststellungsklage für Fälle mit vielen betroffenen Verbrauchern wie beim Diesel-Skandal auf Druck der Union so ausgestaltet werden soll, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH) aus dem Kreis der klageberechtigten Institutionen vermutlich herausfallen würde.

„Diese Auseinandersetzung in der GroKo ist ein unwürdiges Schauspiel“, sagte Steffen dem Handelsblatt. Nachdem das Gesetzgebungsverfahren schon „monatelang verschleppt“ worden sei, versuche die Union nun offenbar alles, um den Rechtsschutz für Verbraucher so gering wie möglich ausfallen zu lassen.

„Die Union argumentiert vordergründig mit dem Ziel der Verhinderung einer Klageindustrie – tatsächlich werden hier nur Unternehmerinteressen vor den Verbraucherschutz gestellt“, kritisierte der Grünen-Politiker. „Diese Klageindustrie nach amerikanischem Vorbild stand aber auch nach dem ursprünglichen Vorschlag nie zu befürchten.“ Dass nun nach den Vorstellungen der Union ausgerechnet ein Verein wie die Deutsche Umwelthilfe nun keine Klagebefugnis haben solle, sei „entlarvend“ und zeige, dass hier Politik auf dem Rücken der Verbraucher gemacht werde.

Ursprünglich sollten Musterklagen allen Einrichtungen offenstehen, die auch schon eine Unterlassungsklage einreichen dürfen. Klagebefugt wären demnach Institutionen, die bei Klageerhebung etwa mindestens 75 stimmberechtigte Mitglieder haben. Also auch die Umwelthilfe mit ihren knapp 280 Mitgliedern. Nun aber, so die Abmachung zwischen SPD und Union, sollen klagewillige Verbände statt 75 mindestens 350 Mitglieder oder als Dachverband mindestens zehn Mitgliedsverbände vorweisen vorweisen.

Die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker verteidigte den verschärften Kriterienkatalog. Zugleich plädierte sie für eine direkte und exklusive Beauftragung von ausgewählten Verbraucherverbänden. Die Klagebefugnis müsse „eine deutlich höhere Qualifikation voraussetzen und sollte idealer Weise an eine gesonderte Verleihung geknüpft sein“, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. Die Verbraucher müssten sich darauf verlassen können, dass das Verfahren „zuverlässig und frei von Interessenkonflikten“, etwa von Anliegen etwaiger Spender des Verbandes geführt werde, denn sie seien später an das Ergebnis gebunden.

„Auch gegenüber den Unternehmen ist Seriosität erforderlich, um diese vor mutwilligen Klagen zu bewahren“, fügte Winkelmeier-Becker hinzu. „Die Musterfeststellungsklage darf nicht zum Geschäftsmodell für Abmahnvereine verkommen.“

Laut Koalitionsvertrag soll die Musterfeststellungsklage spätestens am 1. November 2018 in Kraft treten. Damit soll eine Verjährung der Schadenersatzansprüche der Besitzer von VW-Diesel-Pkw verhindert werden. Die Ansprüche wegen manipulierter Abgas-Werte laufen Ende des Jahres aus.

Der Chef der Umwelthilfe, Jürgen Resch, der sich im VW-Dieselskandal einen Namen gemacht hat, kritisierte die Koalitionspläne scharf. „Das ist ein durchschaubarer Taschenspielertrick, uns die Vertretung von Verbraucherinteressen verwehren zu wollen“, sagte Resch dem Handelsblatt.

Der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer nannte es hingegen im Handelsblatt „verständlich, wenn ein grün angestrichener, semikrimineller Abmahnverein wie die sogenannte Deutsche Umwelthilfe sich beschwert, die geplanten Anforderungen an eine Musterfeststellungsklage seien zu hoch“. Denn solch hohe Anforderungen könnten Reschs Geschäftsmodell gefährden, „deutsche Unternehmen und gerade auch viele kleine Mittelständler unter dem Deckmantel vermeintlicher umweltpolitischer Ziele hemmungslos mit Klagen zu überziehen.“

Resch sprach von einem „unglaublichen Vorgang“. Die Regierungsfraktionen würden „wie auf einem Basar über Mitgliedermindestzahlen für klageberechtigte Institutionen feilschen, nur um uns von der Vertretung von Verbraucherinteressen auszuschließen“.

Auch die Grünen im Bundestag sind empört. „Solche engen Klagebefugnisse wären der fadenscheinige Versuch, unbequeme Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe von den Gerichtssälen fernzuhalten“, sagte deren Verkehrspolitiker Stephan Kühn dem Handelsblatt. „Ausgerechnet die Organisation, die maßgeblich zur Aufklärung des Abgasskandals beigetragen hat, soll nun ausgebootet werden.“

Die Kriterien für die Klagebefugnis beziehen sich nicht nur auf die Mitgliederzahl der entsprechenden Einrichtungen. Um klagen zu können müssen die Institutionen bei Klageerhebung statt mindestens einem Jahr nunmehr vier Jahre schon klageberechtigt gewesen sein. Außerdem sollen diese Einrichtungen nicht mehr als fünf Prozent ihrer finanziellen Mittel durch Zuwendungen von Unternehmen beziehen.

Das Kabinett will den entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums am 9. Mai beschließen.

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